Transkript UnderDocs 018 – Überfordert in der Vorlesung?

2019, AK Uni Im Kontext
UnderDocs 018 – Überfordert in der Vorlesung?

Transcript

Prolog:
[0:01] Das Hochamt der Universität: die Vorlesung. Der allwissende Professor predigt von der Kanzel. Die Studenten hören zu. Oder auch nicht. Dieselbe Leier seit hunderten von Jahren.

Jingle

Paula:
[0:34] Hallo, liebe Zuhörerinnen und Zuhörer und herzlich willkommen zur 18.
Folge des Underdocs Podcast. Heute bin wieder ich, Paula Mörtstedt, am Mikrofon und freue mich ganz besonders auf die heutige Folge, weil ich quasi selbst betroffen bin. Ich studiere momentan unter anderem im fünften Semester Physik. Und, ja, von unseren anfänglich 26 Studierenden sind noch 16 übrig und das ist eigentlich noch eine gute Quote, weil wir über 50 Prozent erhalten geblieben sind.
Mir ging es tatsächlich selber auch schon öfter so, dass ich super unzufrieden mit meinem Studium war und mich echt oft gefragt habe: Boah hör ich einfach auf? Lass ich es sein? Breche ich ab? Warum ging es mir so? Warum geht es vielen anderen so? Und das ist ja nicht nur im Physik-Bereich so, sondern auch im MINT-Bereich, also Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik. So grob ist das auch unser heutiges Thema. Wir haben nämlich natürlich auch wieder einen Gast hier, den „Bald-Dr.“ Thomas Köhler. Er hat VWL und Soziologie studiert in Leipzig. Hat dann Lehrfahrungen sammeln können in Leipzig und Erfurt, und alles andere wird er uns gleich selber noch erzählen. Hallo, Thomas. Schön, dass du da bist.

Thomas:
[1:55] Hallo, schön hier zu sein.

Paula:
[1:56] Genau, ich würde gerne noch einmal ganz kurz von dir wissen: Was hast du eigentlich gemacht? Wo warst du? Und wo bist du jetzt? Und was machst du in Halle?
Einfach ganz kurz, damit unsere Hörer wissen, wer du bist.

Thomas:
[2:07] Ja, wie schon vorgestellt, hatte ich irgendwann mal in Leipzig studiert Soziologie und Volkswirtschaft und hatte dann so meine ersten Erfahrungen in der Lehre beziehungsweise mit dem Arbeiten an der Uni, an der Uni Erfurt.
Und bin dann recht bald sogar nach München zu einem didaktischen Großprojekt gekommen beim Institut für Hochschulforschung.
Was sich, dieses Projekt, tatsächlich mit dem Thema Lehre stark beschäftigt hat … Wie läuft Lehre eigentlich ab?
Was kann man da machen? Wie kann man Lehre verändern?
Was ist eigentlich das Problem daran, wie Lehre im Moment abläuft? Was ja schon gerade angedeutet wurde
mit den Abbrechquoten oder Abbruchquoten. Da hatte ich dann eine Weile gearbeitet und in dem Rahmen ist auch eine wissenschaftliche, also einige wissenschaftliche Arbeiten entstanden und auch die Idee dieser Doktorarbeit, der ich jetzt nachgehe.

Und mit Ende des Projektes hat es mich dann nach Halle verschlagen zu einem
Methoden-Lehrstuhl, denn Methodik ist so ein bisschen mein Steckenpferd. Das ist das, was ich mal unterrichtet habe, Methodik und Statistik sowohl in der Volkswirtschaft als auch in der Soziologie.
Ich bin jetzt hier am Lehrstuhl für Methoden in der Soziologie.

Paula:
[3:26] Okay, na dann ist es schön, dass wir dich jetzt in Halle willkommen heißen dürfen.
Wir haben jetzt etwas ganz Neues vorbereitet.
Ganz neu ist es natürlich nicht. Wir haben das das erste Mal gehört im Podcast ‚Alles gesagt‘ von der Wochenzeitung ‚Die Zeit‘ und zwar ist das das ‚A oder B Spiel‘.
Das wird jetzt folgendermaßen ablaufen: Ich stelle dir ein paar A oder B Fragen ganz kurz hintereinander weg und du antwortest entweder mit A oder B, oder mit genau dem Gegenstand, den ich dir genannt habe.
Das Witzige an diesem Spiel ist, es beruht eigentlich auf Assoziation. Das heißt, weder die Zuhörer, die Zuhörerinnen, noch ich, noch Du wissen wahrscheinlich ganz genau, aus welchem Impuls heraus du diese Antwort gegeben hast, aber jeder denkt sich seinen Teil.

Thomas:
[4:17] Ich bin gespannt. Das kenne ich noch nicht.

Paula:

[4:19] Dann würde ich sagen, legen wir mal los. Süß oder salzig?

Thomas:
Süß.
Paula:
Kaffee oder Tee?
Thomas:
[4:25] Tee in dem Fall.
Paula:
Auto oder Zug?
Thomas:
Zug.
Paula:
Füher Vogel oder nachtaktiv?
Thomas:
Nachtaktiv.
Paula:
Analog oder digital?
Thomas:

Digital.

Paula:
Schick oder eher leger?
Thomas:

Schick.

Paula:
Herbst oder Frühling?
Thomas:
[4:41] Frühling.
Paula:
[4:45] Cardio oder Kraft?
Thomas:

Cardio.

Paula:

Bar oder mit Karte?

Thomas:

[4:48] Bar.
Paula:
Salz oder Pfeffer?
Thomas:
Pfeffer.
Paula:
Berge oder Meer?
Thomas:
Berge.

Paula:
[4:54]
‚Harry Potter‘ oder ‚Herr der Ringe‘?

Thomas:
[5:02] Ohje, dann ‚Herr der Ringe‘.

Paula:
[5:05] Gut. Papier oder Bildschirm?

Thomas:
[5:06] Bildschirm.

Paula:
[5:10] Vorlesung oder Seminar?

Thomas:

[5:12] Seminar.
Paula:
Bibliothek oder daheim?
Thomas:
Daheim.

Paula:
[5:16] Mensa oder selbst kochen?

Thomas:
[5:21] Ohje, weder noch.

Paula:
[5:22] Mensa oder selbst kochen?

Thomas:
[5:23] Selbst kochen.

Paula:
[5:27] So jetzt steigen wir ein bisschen in die Uni ein … Klausur oder Hausarbeit?

Thomas:
[5:32] Hausarbeit.

Paula:
[5:33] Bologna oder Diplom?

Thomas:
[5:36] Bologna.

Paula:

[5:38] Gruppenarbeit oder lieber alleine?
Thomas:
Gruppenarbeit.
Paula: Tafel oder Powerpoint?
Thomas:
Powerpoint.

Paula:

[5:46] Physik oder Chemie?

Thomas:
Chemie.
Paula: Formelsammlung oder Tafelwerk?

Thomas:
[5:50] Formelsammlung.

Paula:
[5:53] Rechnen mit Buchstaben oder mit Zahlen?

Thomas:
Zahlen.
Paula:

[5:58] Frontalunterricht oder Interaktion?

Thomas:
Interaktion.
Paula: München oder Halle?

Thomas:
[6:07] Halle.

Paula:
[6:09] Statistik oder Ökonometrie?

Thomas:
[6:12] Ökonometrie.

Paula:
[6:14] Wirtschaftspolitik oder soziale Wirtschaft?

Thomas:

[6:18] Wirtschaftspolitik.

Paula:
[6:20] VWL oder Soziologie?

Thomas:
[6:26] Da konnte ich mich nie entscheiden. In dem Falle jetzt die Soziologie.

Paula:
[6:32] Okay. Wunderbar.
Schön, dass du dieses ganze A oder B mit uns mitgemacht hast. Vielleicht kennt ihr ja jetzt Thomas ein bisschen besser.

Lehre An Hochschulen

[6:42] Genau, wie vielleicht einige schon gemerkt haben, wie ich es ja auch kurz angesprochen habe, bin ich am Ende ein bisschen mehr auf Universität eingegangen beziehungsweise auf die Naturwissenschaften.
Natürlich nicht ohne Hintergedanken, denn wir wollen ja jetzt ein wenig mehr in das Thema einsteigen.
Und zwar hattest du ja schon gerade erwähnt, dass es in dem Großprojekt um die Didaktik und Lehre an der Hochschule ging.
Ich würde gerne einfach kurz von dir wissen: Um was genau ging es? Was wolltet ihr in der Lehre machen?
In welchem Bereich wart ihr tätig? Und was war da eigentlich los?

Thomas:
[7:15] Wo fangen wir da an? Was wir eigentlich vorhatten, war,
so ein paar Problemfelder anzugehen, die immer wieder aufgetaucht sind in bestimmten Fachgebieten. Es muss ja gestützt auf die Fachgebiete, auf dieses MINT-Fachgebiet sein, was ja nichts anderes als Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik ist.
Auffällig war da einerseits, dass es einen großen Bedarf an diesen Studierenden gibt, aber dass die Abbruchquoten hoch sind, die Zufriedenheit niedrig der Studenten. Man hat sich halt gefragt: Was kann man eigentlich machen?

[7:49] Es gab viele andere Projekte, die sich überlegt haben: Ja, Vorkurse, wir bereiten sie besser vor und da wird das schon irgendwie. Und in unserem Projekt dachten wir, das liegt vielleicht an der Lehre beziehungsweise wie die Lehrenden diese Lehre ausgestalten.

Und die Idee war hier, sich einfach die Lehre anzuschauen. Was passiert eigentlich an den Hochschulen?
Wie findet Lehre statt?
Und da haben wir so ein bisschen festgestellt, ja, sie findet halt frontal statt, in Vorlesungen. Vorne steht jemand und erzählt den Studenten anderthalb Stunden lang etwas beziehungsweise,
ich würde schon fast sagen, kaut ihnen ein Ohr ab anderthalb Stunden lang.
Oder es findet in Seminaren statt, wo man zwar an spezielleren Themen arbeitet, aber immer noch das sehr frontal abläuft. Die Leute hören zu.
Und das ist eigentlich nicht mehr notwendig, dass das so stattfindet. Die Vorlesung ist ja geschichtlich aus einem bestimmten Grund entstanden, da wurde aus Büchern vorgelesen. Jetzt könnte man das eigentlich ein bisschen anders machen, das
war so die Idee. Natürlich beruhte das auch auf bestimmten Forschungsergebnissen lernpsychologischer Forschung und pädagogischer Forschung in dem Bereich.
Anderthalb Stunden zuhören, nur zuhören, ohne wirklich etwas zu machen, das gelingt den Wenigsten.

Paula:
[9:13] Ja, ich glaube auch. Okay. Also nochmal ganz kurz: Ihr habt quasi gemerkt, in bestimmten Fachgebieten, jetzt ganz besonders im MINT-Gebiet, Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik,
sind viele Leute einfach ziemlich unzufrieden mit dem Studium, wie ich ja auch.

Thomas:
[9:26] Ja, sie haben es dann abgebrochen. Und wenn man da jetzt nachdenkt, dann gibt es natürlich da drin so spezielle Fächer, wo die Durchfallquote besonders hoch war,
die haben wir uns dann näher angeguckt.

Paula:
[9:40] Okay. Jetzt hast du schon ganz viel erzählt von Vorlesungen, Seminaren, anderthalb Stunden zuhören und so weiter und so fort.
Ich würde ganz gerne nochmal kurz darauf eingehen, wie das eigentlich funktioniert … Lehre an einer Hochschule.
Ich meine, wir wissen jetzt nicht genau, wer gerade zuhört, ob die schon an der Universität waren, noch nie an einer Universität waren, überhaupt jemals an eine Universität kommen. Zum Beispiel ich als Schülerin,
ich konnte mir kaum vorstellen, wie das an einer Universität abläuft. Ich wusste: Okay, es gibt eine Vorlesung, da werde ich irgendwie sitzen und da vorne macht jemand irgendwas.
Aber ich hab mir das so ein bisschen vorgestellt wie Unterricht und es ist nicht wie Unterricht.
Magst du vielleicht nochmal ganz kurz erklären: Was genau ist eigentlich eine Vorlesung? Was ist das Ziel davon? Du meintest ja auch gerade schon, dass das so ein bisschen historisch bedingt ist auch.

Thomas:
[10:32] Das geht wirklich lang zurück, da, wo wir Bücher halt nicht so in der Hülle und Fülle sozusagen verbreiten konnten und dann wurde halt vorgelesen aus einem Buch. Deswegen halt dieser Begriff ‚Vorlesung‘.
Das Konzept hat sich natürlich einfach auch gehalten. Man kann sich das so vorstellen, dass sich viele Menschen in einen Raum setzen und den Worten dort vorne lauschen, anders als das in der Schule ist, wo ja
die einzelnen Schüler angesprochen werden. Das war ja nicht anonym. In der Vorlesung ist es ja ein anonymes Dasein. Man ist da mit vielen anderen Kommilitonen, die man im Zweifelsfall auch nicht so gut kennt.
Und der Dozent kennt jetzt die Studenten erst einmal, zumindest anfangs, auch nicht.
Und je nachdem, wie groß so eine Vorlesung ist, ob das nun 100 Studenten sind, oder 300 oder 500,
ist da auch nicht die Chance, dass man sich gut kennenlernt.
Das heißt, der Vortrag ist so ein bisschen losgelöst von den Zuhörern.
So kann man sich das vorstellen. Man setzt halt sich rein und lauscht den Worten, sieht natürlich meist noch mittlerweile auch eine wunderbare Präsentation.
Aber das wars, man ist eigentlich nur Empfänger.
Man geht hin und empfängt und es ist jetzt nicht so, dass da noch einmal so ein Anteil gibt, wo man das nochmal rechnet.
Wie in der Schule: Jetzt rechnet das nochmal selbst. Dann gucken wir nochmal und schauen uns das nochmal kurz an. Sondern das ist wikrlich nur ein Zuhören, ein Aufnehmen, vielleicht auch visuelle Effekte aufnehmen, aber vor allem den Worten lauschen, Empfänger sein.

Paula:
[11:59] Ja, ich meine an der Universität ist es ja auch so, dass erstmal sehr viel neuer Stoff vermittelt werden muss, bevor ich eben dieses ’selber rechnen‘, dann auch tatsächlich durchführen kann.
Und dafür sind ja zum Beispiel die Seminare gedacht.

Thomas:
[12:14] Ja. Je nachdem natürlich, in welchem Fachgebiet wir uns beschäftigen. Aber ja, in den Seminaren
ist das ja dann eher der Kleingruppen-Unterricht, wo man dann die Inhalte, die man aus der Vorlesung gelernt haben sollte, vertieft anwendet, also dann auch selber aktiv werden sollte im besten Falle.
[12:34] Da kommt es sehr darauf an, wie man diese Seminare gestaltet, ob man wirklich dazu kommt, so viel dort selbst zu machen und selbst zu rechnen.

Paula:
[12:43] Seminare kann man dann auch von Übungen quasi absetzen, meinst du? Gut. Also Seminare können auch noch frontal stattfinden. Da hast du das erlebt.

Thomas:
[12:51] … Könnten frontal stattfinden, indem sie einfach vertiefen, was man dort gehört hat.
Es kann sein, dass da einfach nur Dinge vorgerechnet werden oder Texte auseinandergenommen werden und tiefer in die Materie eingestiegen wird,
aufbauend auf der Vorlesung. Übungen werden dann, zumindest das, was man klassischerweise unter Übung versteht, das Hineinsetzen.
Das hat dann schon ein bisschen mehr den Schul-Charakter.
Man rechnet das und vergleicht die Ergebnisse.

Paula:
[13:17] Okay. Also man hat die Vorlesung. Bei mir war es meistens so, dass ich, wenn ich ein Modul hatte, was zu einem bestimmten Thema ist, dann die Vorlesung zweimal die Woche war, so anderthalb Stunden.
Ich habe eben zugehört, neuen Stoff vermittelt bekommen, den ich hoffentlich verstanden habe. Und dann in den Seminaren,
die werden ja meistens von wissenschaftlichen Mitarbeitern durchgeführt. Und in Übungen wird das Ganze dann irgendwie vertieft. Und wenn das alles hoffentlich geklappt hat und man viel Neues dazugelernt hat, muss das ja auch irgendwie abgefragt werden.
Man bekommt ja in einer gewissen Weise dann auch am Ende eine Benotungen oder irgendwie muss bestätigt werden, man hat zugehört, man war da, man hat verstanden, was passiert.
Wie findet das meistens statt aus deiner Erfahrung heraus?

Thomas:
[14:03] Klassischerweise ja in Form von Klausuren am Ende des Semesters, ausschließlich dann am Ende. Also man hört das ganze Semester zu und hat dann einen Punkt, an dem man dieses ganze Wissen dann gezielt in dieser Klausur wiedergeben sollte.
Und natürlich sind auch Hausarbeiten oder Projektarbeiten nicht unüblich.
Ja, das war es dann eigentlich auch schon fast. Das ist das, was am gängigsten ist. Es gibt natürlich immer noch andere Ideen. Es gibt auch mündliche Prüfungen, aber das ist jetzt zumindest in den Bereichen auch im MINT-Bereich jetzt nicht unbedingt üblich.
In der Informatik kann man natürlich noch einmal anders abtasten, als es vielleicht in der Mathematik der Fall ist. Wenn man ein Programm schreibt und das einreicht, ist es eine andere Form von Hausarbeit, als das jetzt vielleicht in anderen Bereichen der Fall wäre.

Paula:
[14:57] Ja, bei mir ist es tatsächlich so gewesen, ich kann ja mal ganz kurz erzählen, was ich erlebt habe, dass wir wirklich sehr viele mündliche Prüfungen hatten, was ich total schön fand.
Und genau in diesen mündlichen Prüfungen ist es eben häufig so, dass wir viel mehr auf das Verständnis eingegangen sind, als in den Klausuren.
Und was vielleicht auch ein bisschen spannend ist, was ich mir überhaupt nicht vorstellen konnte vorher, dass wir in den Klausuren einen Spickzettel verwenden dürfen. Es wird sogar angeraten.
Wir dürfen uns ein A4 Blatt nehmen und so viele Formeln wie möglich draufschreiben.
Ich habe mir natürlich einen 0,2 Millimeter dünnen Stift gekauft und in ein Kästchen drei Formeln gequetscht. Es geht.
Ich habe es perfektioniert im Laufe der Jahre. Weil es eben tatsächlich ja gar nicht darum geht, alles auswendig zu lernen, sondern die Sachen einfach nur anwenden zu können.

Thomas:
[15:50] … Oder verstehen, wie mit den mündlichen Prüfungen. Das ist das, was sich eine Lehrkraft eigentlich fragen sollte: Was möchte ich für meine Studenten? Soll er anwenden können? Soll er es wirklich verstehen? Was einen sehr hohen Anspruch stellt, gerade niedrigere Semester. Oder soll er es einfach nur wissen?

Paula:
[15:51] Ja.

Thomas:
[16:05] Also Inhalt wiedergeben können, ohne anzuwenden.
Das Fach macht ‚das und das‘ aus und tatsächlich in dem Falle jetzt rechnen zu können.
Verstehen wären dann diese qualitativen Aufgaben. Für Verstehen braucht man nicht unbedingt eine Formel, auch nicht in der Physik.
Das war dann eher wahrscheinlich der Inhalt der mündlichen Prüfungen.

Wie Wird Man Hochschullehrerïn

Paula:
[16:31] Aber ich meine nun, es ist ja so, dass du an einem Projekt mitgearbeitet hast,
was so ein bisschen dieses ganze System, was wir ja gerade beschrieben haben, revolutionieren möchte. Oder nicht revolutionieren möchte, sondern gucken will, was man vielleicht noch verbessern kann, um das Ganze mal ein wenig eleganter zu formulieren.
Das suggeriert ja jetzt aber, dass es anscheinend Probleme gibt, die verbesserungswürdig sind.
Ich meine, das hat man ja auch gesehen mit der Abbrecherquote.
Was sind denn für dich so die Hauptaugenmerke, was momentan einfach nicht so gut läuft?

Thomas:
[17:07] Ja, da gibt es einiges. Also wir haben uns ja vor allem auf die Lehre konzentriert.
Deswegen würde ich mal von den ganzen anderen bisschen weggehen, die es vielleicht auch noch gibt.
Aber bei der Lehre ist es natürlich so, ich habe es ja selbst erlebt,
dass man, wenn man als Mitarbeiter anfängt, da ist es nicht so, dass man eine didaktische Ausbildung bekommt.

[17:35] Keine Form, keine Ideen, keine Werkzeuge, wie ich etwas gestalten kann.
Was dann passiert ist, man guckt, was manhalt so gesehen hat und fand vielleicht den Stil von einem Dozenten vielleicht ganz gut und macht das einfach.
Man kommt dorthin und sagt: Du sollst jetzt ein Statistik Seminar geben.
Los geht’s. In drei Wochen fängst du an. Da beschäftigt man sich mit den Inhalten, da ist man beschäftigt Folien oder so etwas zu machen und das schön zu strukturieren.
Was man nicht schafft in der Zeit ist, sich über etwas wie Lehre Gedanken zu machen, also wie das didaktisch abläuft.
Faktisch haben die wenigsten Dozenten irgendeine Art von didaktischer Ausbildung erlebt. Also nicht so wie Lehrer, die eine ewige Ausbildung machen,
wie sie eigentlich ihre Wissensinhalte vermitteln können. So ist es an der Uni nicht. Also sie kommen da hin und
da muss jeder halt irgendwie für sich selber so ein bisschen schwimmen lernen, ohne die Anleitung zu haben.
Natürlich kann man die Anleitung bekommen, indem man vielleicht einen Professor hat, der einem sagt: Mach das mal ’so oder so‘ …
Aber es gibt erst mal keine Orientierung.

Paula:
[18:46] Apropos schwimmen, da fällt mir ein Witz ein, den mir heute gerade ein Kommilitone erzählt hat.
Passt wunderbar zum Thema – ‚Was ist Universität?‘. Und zwar Schwimmunterricht an einer Universität sieht so aus: Meine Damen und Herren, das ist Wasser. Den Rest können Sie.
Das fiel mir nur dazu ein, weil erstmal überhaupt: Wie wird man Dozent?

[19:08] Du meintest ja gerade, Lehrkräfte werden ausgebildet. Die werden auf Schüler losgelassen.
Dozenten werden ohne Ausbildung auf Studierende losgelassen. Wie kann das sein?
Wie werde ich Dozent? Wie qualifiziere ich mich dann überhaupt dafür, an einer Universität angestellt zu werden?

Thomas:
[19:27] Na man qualifiziert sich durch eine gut geschriebene Abschlussarbeit im besten Falle.
Dadurch, dass man auch innerhalb der Studienzeit natürlich gute Leistungen gezeigt habe, vielleicht auch mal als studentische Hilfskraft gearbeitet hat, Kontakte geknüpft hat und sich auch gut präsentiert hat, eine gute Abschlussarbeit eben dann geschrieben hat, dann kann man sich darum bewerben.

Paula:
[19:50] Abschlussarbeit kann jetzt eine Bachelorarbeit, eine Masterarbeit, eine Doktorarbeit sein.

Thomas:
[19:55] Ja, Masterarbeit. Eine Doktorarbeit schreibt man dann schon als Mitarbeiter.
Das wäre dann der Fall. So kommt man dorthin. Also Lehrbefähigung hat da auch noch nicht eine Rolle gespielt.
Wenn man dann genommen wird, dann spielen auch dort eher die wissenschaftlichen Leistungen, die Befähigung eine wissenschaftliche Arbeit zu schreiben eine größere Rolle
in diesem Auswahlprozess, als: Kannst du gute Lehre machen? Das ist nicht die Frage, die ich gehört habe.
Zumindest anfangs nicht. Jetzt bin ich ganz glücklich, ich habe die von einem momentan Professor tatsächlich gehört im Bewerbungsgespräch. Da ist also auch ein bisschen was passiert.

Paula:
[20:33] Schön.

[20:37] Okay, also nochmal ganz kurz Revue passieren lassen … Das Problem ist hauptsächlich, deiner Meinung nach,
dass die Professoren, Professorinnen, Dozenten, Dozentinnen, in welcher Anstellung auch immer, eigentlich kaum eine didaktische Grundausbildung haben und dementsprechend vieles einfach so machen, wie sie es selber kennen,
aöso was sie gesehen haben, was bei ihnen funktioniert hat.
Und das ist dann der Ansatzpunkt für euch gewesen, um zu sagen: Da wollen wir etwas machen. Wir wollen einfach den Dozierenden irgendwelche neuen Methoden an die Hand geben, richtig?

Thomas:
[21:13] Genau, das ist das, wo es bisher ansetzt. Es liegt ja nicht daran, dass die Lehrkraft nichts machen will.
Er möchte natürlich. In den meisten Fällen wollen die Studierende erreichen, dass es mangelnde Motivation, was das angeht, kann man ihnen nicht vorwerfen.

[21:31] Trotz des Mangels an Anreizsystemen, sich mit Lehre eigentlich wirklich stärker zu beschäftigen.
Es ist so, dass sie das schon machen wollen, aber nicht die passende Idee haben.
In den allermeisten Fällen sieht es eher so aus, dass sie aus den Erfahrungen, wie sie selber gelernt haben, wie sie glauben, dass es den Studierenden hilft, sich daraus bedienen.
Aber das entspricht nicht immer der Forschung, wie Studierende tatsächlich funktionieren, vor allem der Durchschnittsstudent.
Man sollte ja auch verstehen, dass die Lehrkräfte jetzt nicht die Durchschnittsstudenten waren, sondern es waren die sehr guten Studenten, die Studenten, die nicht die Verständnisprobleme hatten,. Und um die zu erreichen und den Durchschnittsstudent zu erreichen,
braucht man vielleicht auch nie neue Ideen, wie man das machen kann. Da wollten wir ansetzen. Wir haben ja vornehmlich mit Professoren gearbeitet, die natürlich auch wirklich interessiert waren, etwas zu verändern, die auch aktiv auf uns zukamen:
Wir wollen das gerne machen. Wir wollen da etwas Neues ausprobieren. Wir wollen neues Werkzeug. Ich erreiche die Studenten nicht. Irgendwie fallen da viele durch. Ich würde das machen.
Das Projekt hat sich da immer auf die Freiwilligkeit dieser Professoren sehr stützen können.
Es gab viele, die das wollten, aber ihnen hat die Idee gefehlt oder auch die Zeit, sich damit zu beschäftigen. Also etwas Neues zu machen und sich taktisch weiterzubilden ist ein großer Aufwand.
Und das sollte man natürlich auch im Kopf behalten.

Paula:
[22:57] Das Projekt, von dem du gerade gesprochen hast, das ist dieses Projekt in München gewesen.

Thomas:
[23:02] ‚HD-MINT‘-Projekt hatte sich das genannt.

Paula:
[23:04] ‚HD-MINT‘-Projekt. Und da habt ihr quasi gesagt: Gut, jetzt passiert was.
Jetzt gucken wir, was können wir verändern. Und da sind die Professorinnen und Professoren auf euch zugekommen, beziehungsweise haben sich bereiterklärt: Okay, wir versuchen was Neues.

Thomas:
[23:18] Wir haben natürlich auch ein bisschen Werbung gemacht und das ein bisschen vorgestellt, dass es da etwas gibt.

Paula:
[23:20] Ja klar.

Thomas:
[23:23] Aber, ja. Die haben durchaus mitgemacht.
Spannend war dann für uns, ihnen diese Konzepte einfach näherzubringen. Wir hatten natürlich den Luxus, dass man ihnen Hilfe an die Hand geben konnten.
Also wir haben didaktisch ausgebildete Fachkräfte, die hatten sich mit bestimmten Lehrmethoden beschäftigt.
Wir haben uns auf einige Wenige konzentriert, um uns dort ein bisschen fokussieren zu können.
Das nannte sich so ‚peer instruction‘, ‚just in time teaching‘, ‚problem based‘, genau.

Paula:
[23:49] Moment, da kommen wir gleich noch drauf. Keine Überlastung.

Thomas:
[23:56] Diese Mitarbeiter sind vor Ort gegangen und haben sie auch unterstützt in dieser Umsetzung. Also ihnen nähergebracht: Wie funktioniert das?
Wie muss man jetzt dieses Lehrmaterial verändern, um es auch einsetzen zu können?
Wie kann man das auch digital einbinden? Also digitale Medien dazu verwenden, um die Lehre natürlich auch noch etwas anders zu gestalten.
Und natürlich auch: Wie kann man andere Prüfungsformen verwenden? Da hatten wir ja auch schon drüber gesprochen.
Das ist ja wenn dann ein gesamtes Konzept. Wenn ich die die Lehre verändere, dann verändere ich natürlich auch
die Idee, wie ich da Wissen prüfe. So ist man an diese Lehrkräfte herangetreten. Es war wirklich freiwillig, aber mit Unterstützung von diesem pädagogisch, didaktisch geschulten Personal.

Paula:
[24:39] Ja, das ist natürlich super. Wenn man als Professor die Motivation hat,
aber die Zeit nicht, wie du schon gesagt hast, dann frustriert das ja vielleicht auch, weil man einfach
sehr gerne mehr machen würde, aber das einfach allein aus den eigenen Kräften heraus nicht schafft. Dann ist es schön, wenn von eurer Seite irgendwie der Mitarbeiter oder die Mitarbeiterin mit dazugestoßen ist und gesagt hat: Okay, komm. Ich greife Ihnen unter die Arme und irgendwie schaffen wir das schon zusammen.

Thomas:
[25:04] So kann man sich das vorstellen.

Innovative Didaktische Methoden

Paula:
[25:06] So und jetzt wissen wir quasi, wie das passieren konnte, dass die Professorinnen und Professoren Hilfe bekommen haben, etwas neu zu machen.
Jetzt würde ich gerne von dir wissen, und zwar: Was neu zu machen?
Ich weiß, dass du gerade ja schon ein, zwei Methoden genannt hast.
Vielleicht könntest du irgendwie eine mal kurz anschneiden, einfach damit ich so ein Gefühl dafür bekomme, was das sein könnte.
Also ist das igendwie alles schon einmal erforscht worden? Also was genau ist das?

Thomas:
[25:35] Die Methoden an sich sind jetzt nicht fürchterlich neu.
Viele wurden in anderen Ländern entwickelt und eingesetzt, wie zum Beispiel in den USA, da wurden Konzepte entwickelt, die nannten sich ‚peer instruction‘.
Es gab auch andere Konzepte, die man zum Beispiel aus anderen Fächern übernommen hat, wie zum Beispiel so ein ‚problem based learning‘, was vielleicht in der Medizin entstanden ist, wo man überlegt hat, das kann man auch in anderen Fachgebieten verwenden.
Und die Konzepte an sich sind gut erforscht, wie sie wirken sollten, worum es ihnen eigentlich geht.
Sie sind nicht unbedingt in ihrer Wirkung schon nachgewiesen im Großen,
in einer großen Studie, und sind in Deutschland jetzt auch nicht flächendeckend eingesetzt worden an den Unis. Es kommt halt aus anderen Ländern und
wir schauen halt einfach, funktioniert das hier.

Paula:
[26:23] Aber was ist denn zum Beispiel dieses ‚peer instruction‘? ‚Peer‘ ist ja eine Gruppe, oder?

Thomas:
[26:27] Ja. Und ‚peer instruction‘ baut darauf auf, dass sich die Studierenden den Stoff gegenseitig erklären. Sie helfen sich bei ihren Verständnisproblemen weiter.
Man hat ja schonmal angesprochen, dass so ein Professor eigentlich vielleicht gar nicht den Zugang zu dem Durchschnittsstudenten hat.
Und es ist auch, selbst wenn er diese Klick-Momente, die man manchmal hat in seinem Studium … ‚Ach, jetzt habe ich es verstanden.‘
Das ist auch fürchterlich lange her, egal welche Lehrkraft. Ich kenne das auch selber.
Ich kann mich erinnern, dass es da solche Momente gab, aber ich kann sie nicht mehr beschreiben. Ich verstehe den Studenten immer schlechter, umso länger ich das mache. Das ist immer für mich das Gefühl, dass ist doch alles einfach.
Also irgendwann hat man dieses Gefühl, wo man weiß, dass es vielleicht nicht immer so war.
Und hier ist es jetzt so, dass das Konzept darin besteht, dass sie in dieser Präsenzzeit, wo sie in dieser Vorlesung sitzen, miteinander über die Themen diskutieren, aber angeleitet diskutieren. Man kann sich das so vorstellen,
dass es eine kurze Einführung zu einem Thema von der Lehrkraft gab, ein Impuls sozusagen.
Und nach diesem Impuls wird eine Frage gestellt, eine Verständnissfrage und die wird auch eingeblendet.
Die Studenten sehen das und können dort, kann man sich so vorstellen, ähnlich wie bei ‚Wer wird Millionär?‘ abstimmen,
was ist denn die richtige Antwort.

[27:50] Jetzt ist das Interessante, dass in den falschen Antworten natürlich dann typische Fehlvorstellungen von den Studierenden enthalten sind.

[27:58] Das Schöne ist, nach dieser Abstimmung, je nachdem wie die gelaufen ist, sollen die Studierenden diese Frage noch einmal untereinander diskutieren. Die haben einige Zeit. Sie reden mit ihrem Nachbarn zu zweit.
Das ist diese ‚peer instruction‘. Also ‚peer‘ erklärt dem ‚peer‘, warum er dieses Ergebnis angekreuzt hat. Er versucht also, den anderen von seiner Antwort zu überzeugen.
Das Interessante ist, dass sich dabei manchmal herausstellt, dass diese Antwort gar nicht so überzeugend ist, und dass sie in der Diskussion gegenseitig zu der richtigen Antwort kommen können. Nicht in jedem Fall.

[28:34] Einerseits ist es eines aktivierende Tätigkeit. Sie hören nicht nur zu, sondern sie werden selbst aktiv, reden über den Stoff und finden auch für sich heraus: ‚Habe ich es verstanden oder nicht?‘
Nach dieser Diskussion gibt es dann eine neue Abstimmung und sie stimmen die selbe Frage nochmal ab,
Antwort A, B oder C, oder mehr Worten. Und normalerweise sollte sich das Ergebnis dann verbessern.
Das ist eine gute Frage. Es ist relativ schwierig, so eine Frage gut aufzubauen. Aber das ist die Idee, wie diese Methode funktioniert.
Vorteil ist halt tatsächlich, dass sie sich innerhalb des Unterrichts einfach wirklich aktivieren können. Sie werden aktiv, sie reden, sie hören nicht nur, sie sind nicht nur Empfänger. Sondern sie reden untereinander. Und im Endeffekt erklären sie sich den Stoff gegenseitig.

Paula:
[29:24] Ja Mensch, wenn du das jetzt so erklärst, bei uns war das tatsächlich so.

Thomas:
[29:28] Das kommt auch aus der Physik die Methode. Die hat sich dort besser vorbereitet schon.

Paula:
[29:29] Witzig.
Wir haben das oft gemacht. Das war immer total spannend irgendwie, wenn man mal neben jemand Fremden saß, konnte man mal mit jemandem Fremden reden. War dann vielleicht mal gehemmt. Mal hat man gemerkt, der oder die hat genauso wenig Ahnung wie ich, cool.
Ich kann die gleichen blöden Fragen stellen. Und dann, was auch immer ganz nett war natürlich, wir bedurften dann immer unser Handy rausholen und auf dem Handy konnte man abstimmen. Und es ist natürlich auch so eine Auflockerung, wenn die Dozentin oder der Dozent sagt: So, jetzt alle Smartphones raus.
Mir hat das echt gut gefallen. Also kann ich gut verstehen, warum ihr das getestet habt. Ich bin immer wach geworden, wenn Vorlesung frühs um 8 war und dann war so eine kurze Aufgabe.

Thomas:
[30:16] Was du auch angesprochen hast, du wusstest selbst, wo du stehst. Hattest du Ahnung davon? Hatten die anderen Ahnung davon?
Das Interessante ist, der Dozent weiß dann auch, ob ihr Ahnung davon habt.
Wenn man jetzt mal die Rolle vertauscht in so einem normalerweise frontalen Reden, wie es sonst stattfindet, hat der Dozent nie eine Ahnung, ob irgendetwas ankommt.
Meist sind die Studenten zu schüchtern, Fragen zu stellen, oder mal zu sagen: Das habe ich nicht verstanden.
Man möchte sich ja nicht entblößen im großen Saal. Und hier ist dann dieser schöne Effekt, dass der direkt absieht:
Haben Sie es verstanden? Konnten sie sich gegenseitig erklären oder nicht?
Muss ich nochmal aktiv werden oder gehe ich zum nächsten Thema?

Es ist ein schönes Steuerungselement, um halt durch das Feedback, die Lehre steuern zu können. Was brauchen die eigentlich von mir
die Studierenden? Brauchen die mehr oder brauchen die weniger Input? Kann ich etwas schneller drüber weggehen? Kann ich es nicht machen?

Das ist schon dann spannend. Als Student natürlich genauso, auflockernd, es macht Spaß.
Das haben wir auch so gehört, ja.

[31:18] Es kommt halt aus der Physik, sicherlich dort etwas verbreitete. Aber die Frage ist: Kann man es eigentlich woanders einsetzen? Und so Stück für Stück findet man dann auch Ideen, wo man das natürlich in anderen Fächern einsetzen kann. Eigentlich immer da, wo es Verständnisprobleme
gibt und, naja, typischerweise wo das Alltagsverständnis von dem wissenschaftlichen Verständnis etwas abrückt.
In der Physik kennt man das sehr gut, wenn es um Kräfte geht, das Verständnis, wie die Gesetze jetzt funktionieren.
Als Laie hat man eine völlig falsche Vorstellung davon, wie das Ganze abläuft und das nimmt man natürlich als Student mit.
Diese Fehlvorstellung und muss die dann im Studium mal irgendwo geraderücken und solche Fragen helfen dabei.

Paula:
[32:03] Das waren wir uns auch manchmal nahezu Quatschfragen. Ich erinnere mich an ein ganz tolles Beispiel: James Bond fährt in seinem Auto auf eine Klippe zu und das Auto fällt, James Bond fällt aus dem Auto raus.
Was kommt zuerst auf: James Bond oder das Auto? Solche Sachen, die banal erscheinen, aber wissenschaftlich betrachtet dann auch für die Studierenden irgendwie so … Okay,
man wird niemals James Bond und das Auto berechnen später, aber diese Anwendung ins reale Leben war super.

Thomas:
[32:34] Ja, das ist natürlich das Schöne, dass wenn man es visuell unterstützt, das ist ja auch das Schöne an dieser Frage, dass man das vorne dann mit einer schönen Grafik oder mit einer Animation natürlich versorgt und möglichst lebensnah gestaltet. Den Zugang macht man dann ein bisschen einfacher.

Paula:
[32:48] Gut, aber ‚peer instruction‘ macht anscheinend sehr viel Spaß. Aber, ich meine, es war ja nicht genau das, was du eigentlich gemacht hast in der Studie.

Wie Misst Man Kompetenz Und Zufriedenheit?

[32:58] Ihr wolltet ja wissen: Wirkt das, wenn ich das einsetze.

Thomas:
[33:01] Ja, das war unsere Fragestellung. Wirken diese verschiedenen Lehrmethoden?
Jetzt haben wir mal eine kurz kennengelernt. Das war genau unsere Fragestellung. Wir haben uns natürlich auch überlegt, wie man das messen kann. Das ist nämlich gar nicht so einfach, diese Wirkung zu bestimmen, das dann vielleicht auch zurückzuführen, dass es wirklich diese Lehrmethoden waren, die diese Wirkung hervorgerufen haben. Und
was uns aber erstmal interessiert, ist, wir wollten ja die Abbruchquote verringern und auch die Zufriedenheit erhöhen und auch im Zuge,
wenn man jetzt noch ein bisschen weiterdenkt, im Zuge dieser Bologna Reform ja auch die Kompetenzen fördern. Fördert das eigentlich auch die Kompetenzen der Studierenden?
So haben wir uns halt auch ein bisschen damit beschäftigt und versucht, zu messen, verändert das die Kompetenzen? Fachkompetenzen, methodische Kompetenzen, Kompetenzen der Kommunikation in der Fachkommunikation.

Macht es die Studierenden zufriedener?

Paula:
[33:49] Also das, was ich jetzt so banal als Wirkung geschrieben habe, war einmal, dass weniger Leute abbrechen, einfach weil sie generell zufriedener sind und weil sie sich selber auch kompetenter fühlen.

Thomas:
[34:02] Genau, das kann man natürlich auch einfach in den Zusammenhang setzen: Wenn sie sich kompetenter fühlen,

fühlen sie sich eigentlich auch dann zufriedener mit ihrer Studiumswahl und
dann brechen sie wahrscheinlich auch weniger ab.

Das war so dieses einfache, simple Grundmodell, in dem wir uns bewegt haben.

Paula:
[34:20] Das Modell klingt simpel, aber wie messe ich denn, ob jemand zufrieden ist und sich kompetent fühlt?

Und wenn sich jemand kompetent fühlt, ob er oder sie auch wirklich kompetent ist?

Thomas:
[34:31] Ja, wir haben uns wirklich auf die Selbsteinschätzung der Studierenden verlassen. Die sind nämlich relativ kritisch sich selbst gegenüber. Das war auch eine sehr spannende Erfahrung aus dem Projekt.
Zufriedenheit kann man natürlich mal fragen, ob sie das innerhalb dieser Lehrveranstaltung, ob sie zufrieden sind mit dem, wie das dort abläuft, ob sie das motiviert.
Das lässt sich sehr einfach Fragen, sehr direkt.
Man muss sich natürlich überlegen, wie frage ich jetzt den Studierenden, wie man fachlich kompetent er sich fühlt.
Das machen wir natürlich mit verschiedenen Fragen in einem Fragebogen. Man fragt so verschiedene Ebenen ab. Wie kann man sich das vorstellen?
Wie gut komme ich mit den Begriffen dort klar? Kenne ich diese Begriffe? Kann ich einen Überblick über das Thema geben, was ich so habe?
Das sind relativ klare Möglichkeiten, auf eine Fachkompetenz zurückzuschließen. Und diese Studierenden gerade in diesen Problemfächern sind auch sehr kritisch in der Selbsteinschätzung.
Sie schätzen sich meist eher ein bisschen sogar zu schlecht. Das ist dann auch gut. Dann wissen wir, dass dieses Instrument auch wirkt.
Natürlich auch zu den methodischen Kompetenzen: Haben sie gelernt, wie man eine Aufgabe löst?
Haben sie dazu die Mittel, die typischen Aufgaben in diesem Fach zu lösen?
Kommunikation ist natürlich: Wie gut läuft die Kommunikation denn ab?
Kann ich, traue ich mich jetzt mit der Lehrkraft zu sprechen? Das ist ja meist das Problem der Studenten, die Angst zu haben, mit der Lehrkraft nicht reden zu können, weil man vielleicht noch nicht …

[35:54] … die sprachlichen Begrifflichkeiten so sicher anwenden kann. Studierende sind meist sehr unsicher, was das anbelangt. Ich kenne das ja selber.
Da weiß man eigentlich, als Lehrkraft bewertet man das eigentlich nicht so. Man denkt sich nicht,
der muss sich jetzt richtig ausdrücken, sonst … Mam ist eigentich froh, wenn sie es probieren.
Dieses ‚froh, wenn sie es probieren‘, das ist das, wo man eigentlich hin will mit denen.

Paula:
[36:17] Okay. Also ihr habt euch quasi entschieden, diese Wirkung zu messen
durch einen Fragebogen, wo sich die Studierenden selber einschätzen können, hinsichtlich der Kompetenzen. Also ob sie fühlen, dass sie etwas gelernt haben, ob sie das anwenden können und ob sie das auch so kommunizieren können.

Thomas:
[36:33] Genau. Man kann natürlich auch in so einem Fragebogen fragen, inwiefern sie bereit sind, diesen Studiengang weiterzuführen. Wie fühlen sie sich denn damit? Wollen sie noch?
Gehen Sie weiter? Könnte das was sie erlebt haben, an Lehre, an Stoffvermittlung dazu beitragen, sich bestärkt zu fühlen in ihrer Studienwahl.
Also so kann man sich das vorstellen. Wir können ja nicht gucken, ob sie irgendwann abbrechen oder nicht. Wir müssen halt danach fragen.
So ungefähr kann man sich das vorstellen. Das ist das, wie wir daran rangegangen sind, wie wir da das Ganze messen wollten, ob das wirklich Wirkung hat oder nicht.

Paula:
[37:06] Aber wie lief das dann ab? Habt ihr erst einmal einen Fragebogen gegeben, ohne dass die Methode angewandt wurde, dann wurde sie angewandt und ihr habt nochmal einen gegeben oder habt ihr nur einmal gefragt?

Thomas:

[37:17] Ganz genau so einfach. Es gab ja einen Zustand, wo wir mit Lehrkräften zusammen gearbeitet haben. Die haben ja noch nicht, die könnten ja noch nichts verändern.
Das dauert auch einige Zeit, neues Lehrmaterial zu erstellen. Das heißt, wir haben sie in den ersten Semestern begleitet, wo noch nicht so wirklich etwas passiert ist und dort eine erste Messung gemacht. Und dann haben wir natürlich danach gemessen, wo wir etwas verändert haben und das Gegenüber gehalten.

Und das natürlich in einer sehr großen Fallzahl. Also wir haben ja sehr viele Veranstaltungen, 130 ungefähr, untersucht und ungefähr 7000 Studierende, und uns dann angeguckt, wie die das eingeschätzt haben.

Paula:
[37:58] Okay. Zahlen sind ja immer spannend. Also ihr habt 130 verschiedene Veranstaltungen angeguckt und 7000 Studierende befragt und jeden Studierenden davon ja demnach zweimal.

[38:13] Wahnsinn. Und wie viele Professoren und Professorinnen waren da involviert?

Thomas:
[38:19] Es waren knappe 100 tatsächlich.

Paula:
[38:24] Und an wie vielen Hochschulen?

Thomas:
[38:27] Sechs Hochschulen. Das Projekt hat sich nur auf Bayern bezogen, aber das ist ja … In dem Sinne waren es nur Hochschulen, die eingebunden waren. Aber Lehre findet in Universitäten und Hochschulen ähnlich statt.

Paula:
[38:33] Also Hochschulen und Universitäten waren dann eingebunden?

Thomas:
[38:42] Der einzige Unterschied ist, dass da die Hochschulen weniger Mitarbeiter haben, die Seminare geben. Normalerweise hat man einen Professor, der sich um die Lehre alleine kümmert.

Paula:

[38:51] Okay, wahnsinn. Das ist ja eine ganz schöne Menge an Fragebögen und sowas, die ihr da auswerten musstet. Da musstet ihr euch ja richtig sicher sein, dass diese Methode, die ist, die am besten wirkt.
Wie kam es dazu? Also ich meine, ihr hättet ja bestimmt noch viele andere Möglichkeiten gehabt, die Studierenden zu befragen. Oder ihr hättet ja auch einfach eine Klausur schreiben lassen können am Ende, um zu gucken, wie gut sie waren.

Thomas:
[39:17] Ja, es gibt natürlich andere Ideen, wie man das messen könnte und da sind wir auf einige Probleme gestoßen.
Deswegen mussten wir uns eigentlich mit dieser Methode behelfen. Das ist ja eine subjektive Einschätzung.
Es ist im Gegensatz zu objektiven Daten, wenn man so eine Klausur schreibt.
Aber das Problem mit diesem ‚Klausur schreiben‘ ist, dass man, wenn man einen echten Vergleich haben möchte, die Fragen konstant halten muss. Mann muss exakt dieselben Fragen in dem einen Semester und exakt dieselben im nächsten Semester schreiben.
Naja, wir können nicht gewährleisten, dass die Studierenden sich nicht austauschen über die Inhalte und so weiter. Das funktioniert nicht.
Der erste Kritikpunkt an Klausuren, sobald wir die Fragen der Klausur verändern, ist es nicht mehr dieselbe Klausur. Also man ist immer überzeugt, das hat so ungefähr dasselbe Niveau, wie das Jahr davor. Aber genau gleich ist das Niveau nie. Auch die Studierenden hat manchmal das Gefühl, die Klausur leichter oder schwerer als im anderen Semester.

Paula:
[40:12] Oh, das kenne ich auch.

Thomas:
[40:13] Genau, deswegen sind die Klausuren so holprig als Instrument.
Hinzu kommt, auch wenn man natürlich anders Lehre macht, dann bereitet man die Studierenden anders vor auf dieselbe Klausur.
Die Klausur ist ja Messinstrument für das, was ich unterrichtet habe.
Wenn ich anders unterrichte, sollte ich auch ein anderes Messinstrument benutzen. Man kann dann, würde dann irgendwie Birnen mit Äpfeln vergleichen, wenn man eine Klausur nehmen würde.
Das ist nicht das, was wir tun wollten. Es gibt natürlich andere Instrumente. Das sind so ‚Diagnostik Tests‘, die kommen so aus der Fachdidaktik.
Das sind Konzepte, wie man das Verständnis von Studierenden innerhalb eines bestimmten Fachgebietes,

[40:58] zu einem bestimmten Fachthema befragen kann. Sei es jetzt zum Beispiel in der Physik die Mechanik und dazu gibt es dann einen Diaktonistik Test, wo viele Fragen auch wieder Ankreuz-Fragen sind,
wo Studierende dann diese, ähnlich wie in einer Klausur, diese Fragen beantworten. Sie sind meist eher qualitativer Natur, also Verständnisfragen.
Deswegen das Ankreuzen. Da geht es nicht um das Rechnen, da geht es um das wirkliche Verständnis von den Abläufen, wie zum Beispiel in der Mechanik: Wie funktioniert die Mechanik?
Und was passiert, wenn da etwas runterfällt oder durch die Kurve fährt?
Wie wirken die Kräfte? Und das ist das, wo man solche Tests, die die typischen Verständnisprobleme von Studierenden berücksichtigen wieder in den Fehlerantworten und den richtigen Antworten.
Natürlich gibt es die richtigen Antworten und die typischen Fehlerantworten.
Das sind also erprobte Tests, wo man bei jeder Frage mit Studierenden davor zusammengearbeitet hat und sie gefragt hat: Was genau versteht ihr an dieser Frage nicht falsch ab? Wo biegt ihr falsch ab?
Die Fragen sind nicht so willkürlich, wie bei einer Klausur manchmal, sondern man hat sich da mehr Gedanken dazu gemacht. Das dauert sehr lange, solche Tests zu entwickeln. Wir hätten wir gerne verwendet. Aber es gibt einfach nicht genug.

Paula:

[42:06] Ach so. Ja, ich habe mir bei den Diagnostik Tests nämlich selber gerade gedacht: Eh, wow. Das ist ja toll, dann weißt du sogar ganz genau, was du falsch … oder natürlich nicht, was man selber falsch gemacht hat.

Weil wenn bei den Studierenden jetzt im Verständnis irgendwas nicht klappt, dann ist man ja als Professor oder Professorin nicht direkt selber dran schuld. Aber man weiß dann ungefähr, wo man vielleicht noch tiefergehen muss. Deswegen gibt es einfach nicht so viele, weil die so anstrengend sind.

Thomas:
[42:29] Es dauert ewig, die zu entwickeln und das dann für unterschiedliche Fachgebiete. Wenn wir die Einführung in so eine Physik, also eine Einführungsvorlesung nimmt, da ist
ja die Mechanik nur ein kleiner Teil davon. Und dann bräuchte man das für jeden Teil. Und so ein Diagnostik-Test
besteht natürlich aus sehr vielen Fragen zu einem bestimmten Gebiet, um dann auch wirklich trennscharf zu sein mit den Leistungen der Studierenden.
Das wäre natürlich schöner gewesen in so einer ’norher – nachher – Messung‘: Wie viel konnten Sie in dem Test vorher beantworten? Wie viel nachher?
Wir haben das auch ein, zwei Mal machen können. Klar, aber nicht in großen Zahlen, nicht über alle Fachgebiete in der Technik oder so.
Da gibt es noch nicht so viele. Da ist die Fachdidaktik teilweise einfach noch nicht so weit fortgeschritten.

Paula:
[43:13] Und dann seid ihr eben auf diese Selbstevaluation zurückgekommen.
Mich würde mal interessieren, was genau zum Beispiel für Fragen waren da drin. Kannst du ein, zwei einfach mal wiederholen?
Oder grob, also war das zum Ankreuzen oder zum Ausfüllen?

Thomas:
[43:29] Ich glaube, jeder wurde jetzt schonmal mittlerweile mit Fragebögen belästigt. Wir Soziologen sind da ja schon penetrant.
Aber das kann man sich so vorstellen, dass es einfach simple Antworten auf einer 7er Anntwortskala waren, von 1 bis 7. Da gab es „stimme ich zu“ bis „stimme ich nicht zu“.
Und da ging es darum, dass man sich halt zum Beispiel,
ich hatte ja erst schon so ein Beispiel gebracht, wie: „Ich fühle mich sicher in den Fachbegriffen, die in der Vorlesung verwendet werden.“ oder „Ich bin mir sicher, meinen Studiengang weiterzuverfolgen.“
Stimme zu, stimme nicht zu. Es ist tatsächlich gar nicht so kompliziert aufgebaut.
Und das waren natürlich unheimlich viele Fragen. Es waren so 60, 70 Fragen tatsächlich zu beantworten.

Paula:
[44:23] Wow. Was für eine Arbeit für euch dann noch zum Auswerten.

Thomas:
[44:26] Das ist ein bisschen was, aber man kann sich da gut behelfen. Die Datenmenge macht jetzt mittlerweile nicht mehr so große Probleme.

Was Bewirkt Der Einsatz Neuer Didaktischer Methoden?

Paula:
[44:35] Wahnsinn. 7000 Studierende, alle zwei Mal befragt, jeweils mit 60 bis 70 Fragen. Ist denn dabei wenigstens etwas rausgekommen?

Thomas:
[44:45] Bisschen was ist rausgekommen. Wir konnten zumindest zeigen, dass die Lehrmethoden durchaus geeignet sind, um bestimmte Kompetenzen zu fördern, auf jeden Fall auch die Zufriedenheit.
Wir haben natürlich auch gemerkt, dass es nicht jede Lehrmethode im selben Maße macht. Das ist zum Beispiel, es gibt so Lernmethoden, die eignen sich besser dazu Fachkompetenzen zu steigern bei den Studierenden oder Zufriedenheit zu steigern. Wir hatten ja schon einmal über die ‚peer instruction‘ geredet,
das hat die Studierenden wirklich glücklich gemacht.

[45:14] Das hat auch nicht wirklich mehr Aufwand für sie bedeutet. Das war einfach spannend innerhalb der Vorlesung.
Viele andere Methoden verlangen da natürlich auch nicht nur eine Veränderung von dem Dozenten, dass er etwas anders macht, auch dass die Studierenden sich mehr einbringen.
Nicht alle Studierenden sind gleich von Anfang an davon begeistert.
Es gibt halt Methoden, wo wir auch die Antwort von den Studierenden in einfachen Interviews bekommen haben, dass sie die Methode schon schön fanden, dass sie super anstrengend war,
dass sie viel machen mussten, aber auch gesehen haben am Ende wofür.
Das hat sie nicht direkt glücklich gemacht, aber sie hatten dafür angegeben, mehr Kompetenzen zu besitzen. Und dadurch sind sie auch dabeigeblieben,
wollten Sie ja auch weitermachen, weil sie es verstanden haben. Das hat ihnen den Weg zum Verstehen besser geebnet.
Ja, und dann hat man auch so etwas wie andere Methoden, die Gruppenarbeit mehr im Fokus haben.
Und da konnte man wesentlich mehr so etwas wie Kompetenzen fördern.
Da mussten sich dann halt verstehende Studenten ständig über die Fachinhalte unterhalten, ständig die Fachbegriffe trainieren und gegenseitig mit reden und dann natürlich das auch jeweils immer wieder ständig präsentieren vor dieser Lehrkraft.
Das fördert dann natürlich auch Kommunikations Kompetenzen.

Paula:
[46:34] Aber gab es dann dort auch große Unterschiede, wie die einzelnen Fachgebiete auf die Methoden reagiert haben.

Thomas:
[46:41] Ja, da gibt es natürlich schon große Unterschiede. Einige Methoden sind in einigen Fachgebieten gar nicht so gut einzusetzen.

Paula:
[46:48] Zum Beispiel?

Thomas:
[46:50] In der Informatik ist es zum Beispiel die Frage: Haben Sie eigentlich Vorverständnisprobleme? Sie kommen eigentlich dorthin und lernen das Programmieren erst.
Da gibt es kein Fehlverständnis von dem, was dort als Programmiersprache gelernt wird.
Da kann man vielleicht nicht mit dieser Methode ansetzen, da muss man sich auch ein bisschen klarmachen, wo kann man welche einsetzen. Wir haben auch versucht, immer wieder Anleitung zu geben, was man wo einsetzen kann.
Wir haben natürlich auch in den Daten angegeben, was wird eigentlich wo am meisten verwendet.
Das ist ja schon mal ein kleiner Hinweis von den Professoren, die das alle bei uns ausprobiert haben, und ja vielleicht auch verschiedene Methoden ausprobiert haben.
In diesem Fach scheint das die besten Erfolge zu haben und am besten anwendbar zu sein.
Ja, in Physik oder auch in technischen Fächern kam zum Beispiel ‚peer instruction‘ unheimlich gut an.
Wo so viel physikalische Inhalte vermittelt werden,
das war gut. Und auch solche anderen Methoden, wir hatten so etwas wie ‚just in time teaching‘ oder so etwas, das kann man eigentlich, so gesehen, fast überall einsetzen.
Das sind so Universalmethoden, die verwenden wir jetzt auch in den Sozialwissenschaften.
Das ist relativ einfach auch dort zu verwenden außerhalb dieses Technik-Kontextes.

Paula:
[48:00] Jetzt hast du den Begriff ‚just in time teaching‘ genannt. Was genau verstehe ich darunter?

Thomas:
[48:05] ‚Just in time teaching‘ kann man sich so verstehen, dass wir jetzt das, was in der Vorlesung stattfindet, eigentlich aus der Vorlesung rauslagern, also die Stoffvermittlung.
Studierende bekommen kürzere Lehrtexte, also sie müssen nicht riesige Bücher durchlesen, sondern man versucht den Inhalt von
einer Vorlesung in sehr kurzen Texten wiederzugeben. Und zu diesen Lehrtexten kriegen Studierende immer Fragen, die füllen sie dann über eine Lernplattform aus, also digital.
Diese Beantwortung der Fragen kann der Dozent einsehen.
Also der sieht im Prinzip, wie so ein kleiner Tests jede Woche und da sieht der Dozent: Okay, die haben dort und dort gut geantwortet. Das verstehen sie. Das verstehen sie nicht.
Man kann natürlich als Studierender dort auch vielleicht in einem offenen Feld eintragen, was problematisch war und die Lehrkraft geht in die nächste Veranstaltung rein und gibt nur dort Impulse, wo es nötig ist.

Paula:
[48:58] Ach, wow. Also sie wissen ganz genau, wo es hakt und dann können sie genau da dran arbeiten.

Thomas:
[49:01] Genau. Es ist sehr herausfordernd für die Lehrkraft. Das muss sehr spontan sein.

Paula:
[49:08] Funktioniert wahrscheinlich auch nicht mit unglaublich vielen Studierenden, oder? Weil wenn jeder ein anderes Problem hat …

Thomas:
[49:13] Interessanterweise schon. Die Probleme wiederholen sich bei den Studierenden. Das, was sie leicht selbst lernen können, ist meist sehr klar.
Und da, wo die Studierenden hängen, es ist interessant, es hat nicht jeder ein anderes Problem, sondern viele haben ein ähnliches Problem.
Da kann man dann besser drauf eingehen. Ja, auch in einer großen Zahl.
Da war ich auch selber skeptisch: Ist das eigentlich mit so vielen Studierenden umsetzbar? Die Antwort ist: Relativ leicht sogar.
Aber ist das immer was für den Dozierenden? Es gibt halt einige, die gerne eine längere Vorbereitungszeit haben und da ist ‚just in time teaching‘ wieder nicht das Richtige.
Also es ist ja nicht nur die Frage: Wie gehen Studierende mit der Lehrmethode um?
Liegt diese Lehrmethode auch der Lehrkraft?

Das ist auch eine interessante Frage. Das war auch spannend, das zu sehen, dass es da große Unterschiede gab. Dann ist es ja so eine, wenn man ‚just in time teaching‘ macht, immer auf die Fragen eingeht, dann ist ja diese eigentliche Frontalvorlesung ein Dialog und zwar die ganze Zeit über.

 

[50:12] Das erfordert etwas anderes von einem Dozierenden, auch viel mehr Moderation.
Ist die Frage, ob das für jeden was ist. Aber wir haben ja so einen großen Pool an Methoden.
Ich hatte eingangs gesagt, es ging darum, Werkzeugkoffer für die Lehrenden zu entwickeln, wo sie sich auch bedienen können und einfach mal schauen,
liegt mir das. Also vielleicht auch mit verschiedenen Fragestellungen: Was will ich eigentlich erreichen? Will ich einfach nur ein bisschen mehr Zufriedenheit bringen oder will ich bestimmte Kompetenzart fördern?
Das ist die eine Fragestellung und dann ist die Andere:
Welches Werkzeug ist das Richtige für mich? Das muss man natürlich ein bisschen herausfinden.

Paula:
[50:46] Okay. Bevor wir auf die Probleme oder Vorlieben die Dozierenden eingehen, würde ich nochmal ganz kurz zusammenfassen, was wir jetzt eigentlich schon von dir wissen.
Also ihr habt diese Studie durchgeführt, um die Studierzufriedenheit, Abbrecherquote und so weiter, zu verbessern, zu untersuchen, was kann das machen.
Ihr habt dafür neue Methoden den Dozierenden als Werkzeugkoffer an die Hand gegeben und geschaut über Evaluation,
wie das alles klappt und funktioniert, und dabei herausgefunden, dass manche Methoden in manchen Fachbereichen besser ankommen als in anderen.
Und mich würde jetzt selber als Frau in der Minderheit in Naturwissenschaften noch ganz kurz interessieren: Gab es einen Unterschied zwischen Frauen und Männern?

Thomas:
[51:36] Den gab es tatsächlich. Wieder abhängig von der eingesetzten Lehrmethode gab schon da Unterschiede, die ja gerade im MINT-Bereich auf so spezielle Gegebenheiten im dem Bereich zurückgehen.
Oftmals ist ja da die Geschlechterquote nicht gerade gleich verteilt.
Um es mal ganz vorsichtig zu sagen, in einigen Seminaren saßen nur wenige weibliche Teilnehmer drin. Zwei, drei, vier.
Und da ist es dann so, wenn ‚peers‘ mit ‚peers‘ reden sollen oder Gruppenarbeit stattfindet,

dass das nicht unbedingt so gut, also in unseren Daten, nicht so gut ankam bei weiblichen Studierenden,
weil sie manchmal nicht ernst genommen wurden.

Die haben es sowieso schon manchmal Probleme, ernst genommen zu werden in diesem Fach. Und in dieser Gruppendiskussion kommt das dann auch sehr zu tragen.
Und dann sind Sie unzufrieden. Das kann schon sein. Das ist sehr interessant. Solche Gruppenarbeitsmethoden waren eigentlich sonst immer etwas, was gut bei weiblichen Studierenden ankam, die waren eigentlich ganz glücklich damit. Kommunizieren liegt ihnen manchmal besser, als den männlichen Studierenden scheinbar.

[52:39] Und bei unseren Daten ist das nicht drin und das geht auf diese schwierige Verteilung zurück, auf die man stößt innerhalb des Projektes, gerade in diesem MINT-Bereich. Wahrscheinlich etwas, wo in anderen Bereichen die Ergebnisse anders aussehen werden.
Aber wenn man das im MINT-Bereich mit dieser ungünstigen Verteilung unter den Geschlechtern untersucht, dann kann das dazu führen, dass das vielleicht nicht die richtige Idee ist, Gruppenarbeit anzubieten.
Das sind solche Sachen, die man als Lehrkraft vielleicht mitnehmen kann.

Probleme Bei Der Durchführung Der Studie

Paula:
[53:08] Da sind wir ja jetzt wieder quasi bei diesem Problem, was jetzt eigentlich dazu führt, dass eine Lehrmethode gut ankommt. Natürlich auf der einen Seite, wie der Dozent, die Dozenten das unterrichtet. Auf der anderen Seite vielleicht auch wie schon
die Gruppendynamik ist in meinem Studiengang davor. Ob man sich kennt, ob man sich nicht kennt.
Ob die Studierenden bereit dazu sind, dass jetzt auf sich zukommen zu lassen oder nicht. Also kannst du da nochmal kurz erklären, was jetzt eigentlich das Wichtige ist auch dafür, dass eine Methode überhaupt,
naja, ich sag jetzt mal, korrekt angewandt wird.

Thomas:
[53:42] Ja, korrekt angewandt … Natürlich sollte man sich ein bisschen daran halten, wie das Konzept ist. Wir hatten da ja auch einige Lehrkräfte, die eigene Vorstellungen hatten. Kann man ja auch mal probieren.
Aber ein Kernelement ist, dass man die Methode auch gut verkaufen muss am Anfang. Also solche Sachen wie: Wir probieren jetzt hier mal was aus …
Kommt meist gar nicht so gut an. Man muss natürlich auch mit einer gewissen Überzeugung auftreten und klarmachen, dass man solche Methoden einsetzt, um für die Studierenden etwas zu machen. Das ist keine Schikane.
Man kennt das ja manchmal, dass Mehrarbeit also eine Schikane gesehen wird. Sondern: Wo will man eigentlich damit hin?
Manchmal ist das ganz gut, den Studierenden das auch anständig zu erklären und auch ein bisschen zu verkaufen.
Das ist das, wo man sie ein bisschen mitnehmen kann.
Eigentlich sind die Studierenden dann begeistert, wenn sie verstehen, dass diese Methode nicht nur für sie Aufwand ist, sondern auch ein unheimlicher Aufwand für die Lehrkraft ist. Es ist ja so nicht immer klar. Das kann man also Student gar nicht immer einsehen.
Das sollte man schon deutlich machen. Und dass man das nicht machen würde, wenn man nicht ein bisschen davon sich etwas verspricht und eine Verbesserung für sie verspricht.
Das haben wir ja zumindest als etwas identifiziert, was einen Unterschied macht, wie ernst die Studierenden es nehmen, wie oft man das vielleicht auch nochmal näher trägt
und wie gut man auch diese Feedback-Instrumente innerhalb der Methode nutzt.
Man muss die Studierenden immer mitnehmen an jeder Stelle, dann kommen die Methoden auch an.

Paula:
[55:06] Also hat man einfach mehr Spaß am Studieren, wenn man merkt, der Professor, die Professorin,
die sind schon richtig daran interessiert, dass ich hier wirklich etwas mitnehme, die geben sich richtig Mühe.
Mir geht es ja auch so, wenn ich merke, dass sich jemand viel Mühe gibt, dann gehe ich auch viel lieber in die Vorlesung oder das Seminar, weil ich das auch respektieren und wertschätzen möchte, was da vorne passiert.
Ansonsten kann ich mir das ja auch Zuhause anlesen, wenn da jemand nicht dahintersteht. Mir hilft es auch total, wenn ich merke, dass jemand begeistert ist von dem eigenen Fach.
Also wenn dann mit einer gewissen …, irgendwie so ein Esprit rüberkommt, ich so eine Energie abbekomme.
Und merke, boah, das kann echt cool sein.

Thomas:
[55:48] Genau. So kann man sich das auf der anderen Seite aber auch wieder vorstellen.
Ein Dozent, der schon lange etwas gemacht hat, also dasselbe gemacht hat und dann noch etwas Neues ausprobiert, das ist für ihn auch spannend.
Und dann kommt auch wieder ein bisschen etwas zurück, selbst wenn er das nicht so lange macht.
Dadurch, dass er im Austausch mit den Studierenden steht, durch dieses Feedback, was er auch bekommt, zu seiner eigenen Arbeit.
Das, was wir immer wieder in den Gesprächen mit den Dozenten gemerkt haben: Das macht mir Spaß. Das motiviert mich jetzt auch selber wieder.
Dass sie da merken, dass sie auf einmal mehr im Austausch stehen, das erhöht die Arbeitszufriedenheit in der Lehre doch sehr.
Dass ist auch dort für beide Seiten arbeitsintensiv durchaus.
Man kann nicht mehr einfach hingehen und sich in der Vorlesung berieseln lassen. Man muss jetzt mit dem Nachbarn tatsächlich reden. Das ist schon manchmal so eine Sache und für beide Seiten mehr Arbeit, aber es schafft für beide Seiten auch mehr Zufriedenheit.

Paula:
[56:47] Klar, beide Seiten werden irgendwie zufriedener, wenn man neue Methoden anwendet, aber theoretisch herrscht ja an der Universität Freiheit der Lehre.
Eigentlich kann man ja niemandem reinquatschen, ne?

Thomas:
[57:01] Das kann man nicht, nein. Man kann nur Überzeugungsarbeit leisten. Wie ich ja schon engangs gesagt habe, die meisten sind ja schon, die haben schon eine Vorstellung.
Die wollen schon den Studierenden wirklich etwas näher bringen.
Und Dozenten sind glücklich, wenn sie sehen, dass Studierende etwas verstehen, wenn sie etwas erzählen und da drüben da leuchtet etwas in den Augen.
So dieses: Ich hab das jetzt verstanden. Das macht dann schon glücklich. Man will ja nicht umsonst anderthalb Stunden dastehen und sich da produzieren, ohne Ergebnisse zu erzielen. Und in dem Sinne kann man niemand zwingen, irgendetwas Neues einzusetzen.
Man kann nur überzeugen und dafür ist ja auch seine Arbeit da.
Ich habe euch jetzt mal gezeigt, in der Anwendung funktioniert das. Und ein paar Argumente,
das ist vielleicht auch der Kern dieser Arbeit,
man liefert gute Argumente dafür, etwas zu verändern in der Lehre und auch die Möglichkeiten. Also auch neue Ideen, aber auch die Aussicht, etwas zu erreichen damit.
Das wäre zumindest mein Wunsch, dass das vielleicht in der Richtung wirken kann.

Paula:
[58:10] Also ihr hatb quasi schon echt viele Einflüsse, die in die ganze Auswertung der Studie mit reinwirken. Also ob die Studierenden Lust darauf haben, mitzumachen.
Ob die Professoren und Professorinnen vorher schon motiviert waren und viel gemacht haben. Ob sie die Methode gut verkaufen. Ob sie die Methode so anwenden, wie sie eigentlich gedacht war.
Ob die Studierenden daran teilnehmen. Ob sie sich Zuhause noch damit beschäftigen. Ob sie sich wirklich so vorbereiten, wie sie sich vorbereiten müssen, dass alles gut vorbereitet ist. Und das habt ihr alles irgendwie auch mit betrachtet und dann trotzdem rausgefunden: Es funktioniert einfach. Es ist besser.

Thomas:
[58:47] Wir haben natürlich auch im Laufe des Projektes und auch unsere Mitarbeiter, die ja auch beratend tätig waren …
Man muss natürlich einiges an Lehrgeld zahlen. Das muss man auch ganz offen sagen. Das war ja auch als Langzeitprojekt angelegt deshalb. Das läuft nicht alles gleich reibungslos von Anfang an.

Paula:
[59:03] Was sind denn Probleme mit so einer Langzeitstudie? Um jetzt mal generell einfach auf diese Forschungskultur einzugehen.

Thomas:
[59:10] Das Problem einer Langzeitstudie. Es ist eigentlich immer schön, wenn man eine Langzeitstudie machen kann,
aber man macht es meist, um bestimmten Problemen entgegenzuwirken. Und hier jetzt in diesem speziellen Fall war das ganz klar, dass das nicht gleich beim ersten Mal klappen wird.
Also es ist jetzt nicht so, dass die mal ein Semester irgendwas machen. Also erst einmal gucken wir uns an, was vorher gemacht wird, dann machen wir mal ein Semester was und dann ist das gut.

[59:34] Wir verändern die Lehre schrittweise, bauen erstmal die ersten Elemente ein. Die Lehrkraft muss ja selbst erstmal Erfahrungen mit dieser Methode sammeln.
Er geht ja nicht gleich rein: Ich bin jetzt der Experte für diese Methode. Es dauert ein bisschen und da ist auch ein bisschen ausprobieren dabei. Da ist auch mal, wie ich das mit dieser ‚peer instruction‘ Frage gesagt habe, die muss halt gut gemacht sein. Da ist auch mal, wo man merkt,
ich habe mir das überlegt, aber das hat noch nicht so funktioniert. Da muss ich nochmal ein bisschen was schrauben an der einen oder anderen Stelle.
Bis ich jede einzelne Sitzung dieser Vorlesung, die ja aufgeteilt sind in 12, 13, 14, 15 Sitzungen …
Ich muss ja jede Einzelne verändern. Man kann aber auch erst einmal zwei oder drei verändern und gucken wie es läuft.
Das ist aber noch nicht die klare Umsetzung der Methode, wenn dann alles.
Und das hat eine Weile gedauert. Deshalb diese Langzeitstudie, wo man also auch diesen Prozess begleitet und schon einmal vielleicht erste Effekte sehen kann, wenn man erste Sachen umstellt.
Das war so die Ideen, warum es eine Langzeitstudie sein sollte, weil wir auch sehen wollten:
Wie stabilisieren sich die Ergebnisse zu einem späteren Zeitpunkt, wo Routine drin ist,
wo auch die Studierenden das schonmal gut angenommen haben, wo sie diese erste Scheu vielleicht vor etwas Neuem, was irgendwie bei allem immer so ein bisschen vorhanden ist, überwunden haben? Bis sich alle darauf eingelassen haben … Vielleicht müssen die Studierenden das auch mal ein erstes Semester erleben, um zu sehen, es bringt ja wirklich etwas. Okay, dann lasse ich mich das nächste Mal wirklich drauf ein.

Paula:
[1:00:59] Wie lang lief dann diese Studie insgesamt?

Thomas:
[1:01:01] Über vier Jahre lief die, also etwas mehr als vier Jahre. Und es hat halt genügend Zeit gegeben, die Messinstrumente zu entwickeln.
Wo wir den Fragebogen auch erstmal entwerfen müssen. Dann die Zeit, um an die Lehrkräfte heranzutreten,
wer will mitmachen und dann sie auch nacheinander zu beraten. Wir konnten ja nicht alle knapp 100 gleichzeitig beraten, sondern mussten immer so Stück für Stück.
Andere brauchten etwas mehr Unterstützung, andere etwas weniger Unterstützung.
Natürlich haben dann auch einige Lehrkräfte ein bisschen ihr eigenes Ding gemacht.
Sie haben so ein bisschen ein paar Elemente rausgenommen, ein bisschen damit gespielt. Kann man natürlich auch machen.

Paula:
[1:01:40] Also ihr saßt jetzt auch nicht in jeder Vorlesung drin und habt kontrolliert, macht der das jetzt eigentlich wirklich.

Thomas:
[1:01:44] Bei einigen durften wir das machen. Natürlich ist das nicht immer so angenehm. Wer wird schon gerne sozusagen hospitiert?
Aber ja … also bei jeder ist das auch nicht möglich. Die Kapazitäten hatten wir dann doch nicht. So viele Mitarbeiter waren wir nicht, dass wir da in jeder einzelnen Vorlesung hätten sitzen konnten.

Paula:
[1:02:02] Auf was für Probleme seid ihr gestoßen? Ich meine jetzt gar nicht unbedingt bei der Umsetzung der Studie, sondern auch bei euch selber. Also jetzt im Sinne der Finanzierung, der Durchführung.
Ich finde es einfach sehr interessant, weil man, wenn man selber nicht forscht, nicht wirklich eine Ahnung hat, wie das funktioniert, in einem Team zu arbeiten, Langzeit zu arbeiten, das alles durchzuziehen.

Thomas:
[1:02:30] Man ist auf diese typischen Probleme vielleicht auch gestoßen, die man immer in größeren Projekten und Teamarbeiten hat.
Es ist nicht so ganz einfach gewesen. Pädagogen, Naturwissenschaftler und jetzt auch so eine sozialwissenschaftliche Studie, das alles unter einen Hut zu bringen und Akzeptanz bei allen zu schaffen für die Arbeit des anderen.

Es gibt ja doch zum Beispiel ein paar Vorurteile in jeder Richtung. Der Vorurteil der Naturwissenschaftler sozialwissenschaftlicher Forschung gegenüber. So etwas hat man immer ein bisschen.
Für Akzeptanz zu werben bei allen und wirklich als ein Team zu arbeiten, das ist natürlich eine gewisse Herausforderung. Das hat auch irgendwann mal geklappt.

Aber auch da hat es ein klein wenig gedauert, bis das alles sich zusammengefunden hat.
Natürlich hat man auch in größeren Projekten immer wieder mal mit Fluktuation durch Mitarbeiter zu tun. Das war dann immer in Langzeitprojekt eine Herausforderung, neue Leute immer wieder einzuarbeiten, wieder auf den Stand zu bringen,
Finanzierungstechnisch … Wir hatten glücklicherweise ein sehr großzügig ausgestattetes Projekt.

Paula:
[1:03:29] Woher kommt das Geld?

Thomas:
[1:03:31] Aus diesen ‚Qualitätspakt Lehre‘-Mitteln, die der Bund zur Verfügung gestellt hat, eben für solche Verbesserungen von Lehre. Da gab es ja eine große Ausschreibung für Projekte. Innerhalb dieser großen Ausschreibung ist halt dieses Projekt entstanden
Und deswegen sind wir auch sehr gut mit finanziellen Mitteln ausgestattet gewesen. Es ist nicht immer so.
Wenn man sich bei bestimmten Institutionen sonst um Forschungsprojekte bewerben muss, sind die Mittel etwas knapper bemessen.
Bei uns war ja klar, dass wir das sehr groß aufbauen wollen, sehr viele Mitarbeiter auch einstellen wollen und diese Mitarbeiter auch entsprechende Schulungen brauchen
in diesen Methoden. Und die Gelder dafür waren glücklicherweise da.

[1:04:10] Leider war eher das Problem, dass wir auch Ideen hatten, das Projekt länger durchzuführen. Also wir wollten eigentlich gerne länger dabei bleiben.
Dafür haben wir leider aber keine Mittel bekommen. Es ist halt ein teures Projekt gewesen. Da hätte man natürlich auch noch über einen längeren Zeitraum, vielleicht dann auch noch mit mehr Methoden, mehr verschiedene Methoden einführen. So mussten wir uns halt doch auf einige wenige beschränken.
Und natürlich hätte es auch von der Idee, wissenschaftliche Begleitforschung nur zu liefern …
Da ist der Kopf voll, was man hätte noch alles tun können. Man hätten die Dozenten nochmal stärker befragen können, wie sie das erlebt haben, warum sie vielleicht etwas nicht so korrekt eingesetzt haben, so wie wir uns das vorgestellt haben.
Woran lag das? Normalerweise gehen wir ja immer davon aus, sie tun das, weil sie wohlmeinend sind.
Sie haben da eine Idee, was sie den Studierenden Gutes damit tun wollen, eine Vorstellung, wie das Lernen funktioniert. Und ich hätte gerne mal bei denen ein bisschen in den Kopf geschaut, was sie dazu bewogen hat.
Man hätte auch mehr experimentieren können. Aber die Ergebnisse, so wie sie jetzt vorliegen, geben doch ein ganz gutes Bild.
Das war in Ordnung so. Man kann immer mehr machen. Forschung ist nie ein abgeschlossener Prozess.

Paula:
[1:05:19] Schade, dass das quasi nicht ganz bis zum Ende durchgeführt werden konnte. Aber trotzdem schön, dass innerhalb von vier Jahren dann doch auch diese Ergebnisse zustande gekommen sind.

Ausblick, Zusammenfassung

[1:05:31] Habt ihr so ein Art Ziel, was ihr damit jetzt erreichen wollt. Ich meine, jetzt ist klar: Okay, bestimmte Methoden bewirken eine Verbesserung in bestimmten Bereichen. Was mache ich jetzt mit dieser Erkenntnis?

Thomas:
[1:05:44] Die Erkenntnis an sich soll einfach nur die Akzeptanz bei anderen Dozierenden fördern, so etwas auch mal auszuprobieren.
Wenn es etwas gibt, was wirkt, was auch wissenschaftlich nachgewiesen ist
in der Wirkung, ist es eigentlich immer die Frage: Schau mal, warum machst du nicht mal etwas anders?

Paula:
[1:06:05] Aber werbt ihr dafür jetzt?

Thomas:
[1:06:07] Wir können natürlich jetzt nicht mehr werben. Das Projekt an sich ist ja aufgelöst. Wir können jetzt nur noch durch unsere Veröffentlichungen wirken.
Aber die sind ja da, die gehen ja auch nicht mehr weg. Natürlich gibt es auch etwas, was das Projekt überdauert hat.
Eine Homepage, auf die man hinweisen kann, dort könnt ihr euch informieren. Die MINT-Homepage,
da kann man sich natürlich nochmal schlau machen. Dort sind natürlich auch dann
die Artikel, die entstanden sind, auch verlinkt. Da sind ja auch einzelne Artikel entstanden, wie man jetzt eine konkrete Methode in einem konkreten Fachgebiet einsetzen kann, mit Anleitungen, wie das geht, mit Materialvorschlägen und so weiter.
Das ist auch alles dort gesammelt und da kann man sich auch Orientierung finden. Was jetzt auch den Einstieg für jemanden, der jetzt nun hinzukommt, eine Lehrkraft, ein Dozent, der jetzt etwas ausprobieren will, der kann dort Orientierung finden.
Gibt’s denn in meinem Fach schon etwas, was dort veröffentlicht ist? Okay. Wie hat er es denn gemacht?
Normalerweise wird ja nicht so offen über Lehre geredet unter den Dozierenden. Es ist dann etwas Neues. Man bietet einfach mal Möglichkeiten, sich zu informieren,
als erster Schritt, etwas vielleicht verändern zu wollen.

Paula:
[1:07:13] Als Tipp an die Zuhörerinnen und Zuhörer, die das bis jetzt noch nicht entdeckt haben.
Unter jedem Podcast haben wir einen Bereich, wo wir Links setzen, um eben genau zu solchen weiterführende Informationen des Projekts zu führen.
Und da werden wir dann auf jeden Fall das, was du gerade erklärt hast, die Homepage und die Links zu den Artikeln unterbringen.
Nun noch einmal ganz kurz, ich glaube, nicht alle wissen, wie die Veröffentlichung an einer Universität oder an einer Hochschule funktioniert, weil du meintest ja gerade, ihr habt die wissenschaftlichen Ergebnisse natürlich veröffentlicht und
auch in gewissen Artikeln publiziert. Kannst du
einfach ganz kurz erklären: Wie funktioniert eine Veröffentlichung?
Was ist ein Artikel? Wer liest das? Also es ist wirklich so eine Sache, ich habe das früher nicht gewusst.

Thomas:
[1:08:00] Ich glaube, das ist allen noch nicht ganz so klar, wie der Ablauf ist.
Man hat halt ein Angebot verschiedener Fachzeitschriften oder auch Tagungen, wo dann
auch so etwas wie Tagungsbände entstehen. Und man bewirbt sich mit seiner Idee für einem Artikel bei diesen Fachzeitschriften. Also man reicht im Prinzip eine Idee ein oder auch ein Artikel schon ein,
und wird dort bewertet, wenn man das haben will.
Ein Review-Verfahren durchläuft man da, wo geschaut wird, ob das Thema eigentlich interessant ist, ob das in diese Zeitschrift rein soll und ob die Qualität passt.
Und wenn man sich halt wissenschaftlich informieren will, dann ist das mit diesen Fachzeitschriften möglich.
Dann weiß man auch, dass dort gesicherte Erkenntnisse drin sind zum Thema.
Wo bekomme ich Fachwissen her? Dann ist das dort eine Möglichkeit.
Diese Fachartikel, die sind natürlich oftmals auch digital verfügbar. Man kann dazu auch Verlinkungen setzen. Das haben wir zum Beispiel auf unserer Homepage oftmals dabei, dass die Fachartikel dort halt verlinkt sind und auf die jeweilige Seite des Journals, wo das veröffentlicht wurde, auch hinführen.

Paula:
[1:09:08] Okay. Also man hat quasi eine Idee und, wenn das
Fachjournal diese Idee bewertet und sagt, dass ist wirklich spannend und da ist auch was rausgekommen, was von allgemeinem Interesse sein könnte, dann wird das veröffentlicht und eben dem breiten Fachpublikum eher zur Verfügung gestellt.

Thomas:
[1:09:27] Ja, dem Fachpublikum mehr als der breiten Öffentlichkeit.
Da ist noch ein gewisser Mangel vielleicht auch, wie man dieses Fachwissen, was dann eigentlich im Prinzip ja unter Fachvertretern geteilt wird, vielleicht einmal ein bisschen zur Allgemeinheit führt.

Paula:
[1:09:44] Deswegen sitzen wir ja hier. Okay, schön, wunderbar. Ich versuche nochmal, den Bogen zu spannen.

Thomas:
[1:09:44] Da sind wir ja genau hier bei dem Podcast.

Paula:
[1:09:52] Also ich habe ja schon ganz oft nochmal versucht, zusammenzufassen, was alles passiert ist in euerer Studie.
Aber jetzt wissen wir auch, ihr habt ein Ergebnis gefunden und zwar: Es funktioniert diese Methoden anzuwenden.
Und zwar trotz dieser ganzen Probleme, die auch irgendwie bei der Evaluation von so einer Studie aufkommen, es funktioniert trotzdem.
Und das soll jetzt ein Anstoß sein für Lehrkräfte, sich einfach mal anzuschauen, was kann ich vielleicht weiterführend machen und doch einfach sich zu trauen, das mal zu versuchen, das anzuwenden.
Ich kann mir das schon vorstellen, dass es nicht immer einfach ist, etwas Neues auszuprobieren, gerade wenn man eben dieses Zeitproblem hat, worüber wir ja vorhin gesprochen haben.

Thomas:
[1:10:30] Dann will man natürlich nur das machen, was auch so einen Effekt erzielt und …

Take Home Message, Verabschiedung

Paula:
[1:10:36] Deswegen ist es super cool, dass jetzt alle Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen endlich glauben können, dass es einen Effekt erzielt, weil ihr das rausgefunden habt. Okay, dann bedanke ich mich herzlich bei dir, dass du hier warst, aber eins fehlt ja noch, und zwar die typische Underdocs ‚take home message‘.
Hast du dir Gedanken dazu gemacht, was du den Hörern und Hörerinnen mit auf den Weg geben möchtest?

Thomas:
[1:11:04] Ich möchte dann wahrscheinlich ein bisschen mit auf den Weg geben, dass man jetzt, wenn man das so ein bisschen gehört hat, sich einfach überlegen kann, dass Lehre ja immer zwei Seiten hat.
Und das ist der Eine, der mir etwas beibringen, und der Andere, der zuhört. Und dass man an beiden Seiten auch ein bisschen etwas drehen kann. Und auch, wenn man hier dargestellt hat bei dieser
Arbeit, dass man die Lehre natürlich verändern kann, es liegt doch natürlich auch an einem selbst, wie man da reingeht, mit welcher Motivation man reingeht, dass die Erfahrung Studium eine Gute wird.

Paula:
[1:11:36] Ja, schön. Danke dir. Ja, das kann ich mir auch gut vorstellen, dass man häufig als Student oder Studentin vielleicht doch ein bisschen selber dran schuld ist, wenn was nicht läuft, weil man ein bisschen zu negativ eingestellt ist.

Thomas:
[1:11:50] Es geht immer um die eigenen Erwartungen und die eigenen Ansprüche oftmals.

Paula:
[1:11:57] Also es gibt immer zwei Seiten. Wunderbar.
Vielen lieben Dank, dass du hier warst, dass du uns über eine Studie berichtet hast, dass wir jetzt alle hoffentlich ein bisschen schlauer sind, was Didaktik im MINT-Bereich betrifft.
Herzlichen Dank. Und dann hoffe ich auch, dass ihr Zuhörerinnen und Zuhörer viel Spaß hattet, uns zuzuhören. Und wir hören uns dann wieder in Folge 19.