UnderDocs 019 – Großer Plan … oder doch Zufall?

2020, AK Uni Im Kontext
http://underdocs.org

Intro

Fabian:
[0:06] Ich schenke uns beiden nochmal so ein bisschen Flüssigkeit nach. Wir haben nämlich eine Sprechwissenschaftlerin im Team und die meinte, wir schmatzen immer zu viel, weil wir zu wenig trinken.

Valentin:
[0:10] Das sollten wir auf jeden Fall vermeiden. Aber Kaugummi ist okay, oder?

Fabian:
[0:12] Oder so eine schöne Packung ‚Chio Chips‘.

Valentin:
[0:14] Ne, lass mal nicht machen.

Begrüßung Und Vorstellung

Fabian:
[0:44] Herzlich willkommen zur 19. Ausgabe der UnderDocs. Mein Name ist Fabian Link und nachdem wir jetzt ein paar feiertagsbedingte freie Tage genossen haben und sich der Abstand zur letzten Sendung ein bisschen vergrößert hat, starten wir

jetzt im neuen Jahr wieder durch. Und wir begegnen heute einem Themenfeld, mit dem wir uns in den vorherigen Sendungen noch so gar nicht beschäftigt haben, nämlich mit den Agrarwissenschaften.

[1:13] Vorab mal ein paar Zahlen: Im Jahr 1900 lebten auf der Welt noch 1,6 Milliarden Menschen. Heute sind es ungefähr 7,8 Milliarden Menschen und 2050 schätzt die WHO werden es schon 9,7 Milliarden Menschen sein.
All diese Menschen müssen ernährt werden und die Basis hierfür ist die Landwirtschaft.
Allerdings haben wir hier ein ganz großes Problem: Die Flächen sind begrenzt, und wenn wir nicht unendlich mehr Flächen haben, müssen wir wohl an der Effizienz schrauben.
Ein wichtiger Stein, um die Erträge zu verbessern und die Effizienz zu steigern, sind Pestizide, die Unkraut und andere Schädlinge vom gewünschten Kraut abhalten.
Aber wir arbeiten da mit Schrotschuss-Techniken. Es gibt zunehmende Resistenzen.
Es ist schwierig, Substanzen zu entwickeln, die den immer steigenden Ansprüchen an den Gesundheitsschutz gerecht werden, wie man zum Beispiel an der Glyphosat-Debatte sieht.
Was wäre also, wenn die Pflanzen sich selbst wehren könnten gegen negative Einflüsse?
Damit beschäftigt sich mein heutiger Gast Valentin, der Doktorand am Leibniz-Institut für Pflanzengenetik und Kulturpflanzenforschung in Gatersleben ist. Hallo, Valentin.

Valentin:
[2:22] Na hi, Fabian.

Fabian:
[2:23] Ich hoffe, du bist mit der Einleitung soweit zufrieden.

Valentin:
[2:26] Ja, ich muss erstmal einhaken. * Klar. Also ich meine die Prognosen, also Bevölkerungsprognosen für 2050 sind wir schon über 10 eigentlich.

Fabian:

[2:29] *Gleich widersprechen.

[2:36] Oh, wurde die schon nach oben korrigiert? Habe ich alte Zahlen rausgesucht?

Valentin:
[2:39] Bei den Flächen ist es eigentlich so, dass es nicht nur nicht mehr werden, sondern es werden eigentlich weniger.
Von dem her, also die Schlussfolgerung ist richtig, aber sie ist noch noch richtiger.

Fabian:
[2:50] Wir müssen noch mehr an der Effizienz-Schraube drehen, weil noch mehr Menschen mit noch weniger Fläche ernährt werden müssen.

Valentin:
[2:57] Nicht nur die Ernährung. Also ich meine, wir haben von Bio-Plastik angefangen über Biokraftstoffe über Strom aus Biogas. So, es werden immer mehr Verbraucher eigentlich auf einer kleiner werdenden Fläche.
Also es gibt sozusagen noch dringender den Bedarf, den Ertrag zu steigern oder langfristig zu steigern.

Fabian:
[3:17] Ja, ich denke, es wird jedem sofort klar, dass es hier ein drängendes Thema ist.
Aber bevor wir uns jetzt so gleich in den Inhalt stürzen, möchte ich mit dir noch ein kleines Spiel spielen,
das wir mit unseren Gästen neuerdings spielen, um sie ein bisschen besser kennenzulernen und auch den Zuhörerinnen und Zuhörern ein bisschen persönlicher vorzustellen,
und zwar ist es das ‚A oder B Spiel‘.
Es geht ganz einfach. Ich lese dir mal ein Wortpaar vor, zum Beispiel „heiß oder kalt“ und dann musst du dir eins aussuchen.
Und der Witz an dem Spiel ist sozusagen, dass du frei assoziierst und ich dir nicht so ganz genau verrate immer, worum es eigentlich geht.
Und du erklärst es aber auch nicht, sondern es soll so ein bisschen offen lassen. Ja, mal schauen, was dabei rauskommt. Salzig oder süß?

Valentin:
[4:09] Salzig.

Fabian:
[4:10] Kaffee oder Tee?

Valentin:
[4:12] Kaffee.
Fabian:
[4:13] Helles oder Vollkorn?
Valentin:
[4:15] Das ist eine Gewissensfrage.

Fabian:
[4:20] Spontan aus dem Bauch heraus.

Valentin:
[4:22] Vollkorn bei Brot und ausgemahlenes Mehl bei Pizza.

Fabian:
[4:26] Auto oder Zug?
Valentin:
[4:28] Zug.
Fabian:
[4:30] Zug oder Flugzeug?
Valentin:
[4:32] Zug.
Fabian:
[4:33] Lerche oder Eule?
Valentin:
[4:34] Lerche oder Eule? Lerche.
Fabian:
[4:35] Papier oder Bildschirm?
Valentin:
[4:38] Kommt drauf an.
Fabian:
[4:39] Papier oder Bildschirm?
Valentin:
[4:40] Bildschirm.

Fabian:
[4:47] DNA oder RNA?

Valentin:
[4:48] DNA.
Fabian:
[4:49] CDNA oder DNA?
Valentin:
[4:50] Immer noch DNA.

Fabian:
[4:52] Mensa oder selbst kochen?

Valentin:
[4:54] Mensa.
Fabian:
[4:55] Mensa oder McDonald’s?
Valentin:
[4:56] Mensa.
Fabian:
[4:57] Sommer oder Winter?
Valentin:
[4:58] Sommer.
Fabian:
[4:59] Schick oder leger?
Valentin:
[5:00] Schick.

Fabian:
[5:02] Dem kann ich zustimmen. Das sieht man. Aufschieben oder lieber sofort?

Valentin:
[5:09] Lieber sofort.

Fabian:
[5:11] Drinnen oder an der frischen Luft?

Valentin:
[5:16] Drinnen an der frischen Luft.

Fabian:
[5:18] Drinnen oder an der frischen Luft?

Valentin:
[5:22] Dann drinnen.

Fabian:
[5:23] Unerwartet. ‚Brahms‘ oder ‚Bach‘?

Valentin:
[5:27] ‚Brahms‘ oder ‚Bach‘ … Höre ich beide nicht.

Fabian:
[5:31] ‚Brahms‘ oder ‚Bach‘?

Valentin:
[5:36] Tja, was soll ich da dazu sagen? ‚Bach‘ klingt nach Wasser. Wasser ist gut.

Fabian:
[5:41] ‚ACDC‘ oder ‚Iron Maiden‘?

Valentin:
[5:44] Höre ich auch beide nicht. Sage ich mal ‚Iron Maiden‘, weil ich die noch nicht kenne.

Fabian:
[5:50] Vielleicht klappt es ja bei denen: ‚Prince‘ oder ‚Michael‘?

Valentin:
[5:56] Tja, höre ich auch beide nicht, aber dann ‚Prince‘.

Fabian:
[5:58] ‚Pretty Woman‘ oder ‚Herr der Ringe‘?

Valentin:
[6:00] ‚Herr der Ringe‘.
Fabian:
[6:02] ‚Herr der Ringe‘ oder ‚Herr der Fliegen‘?
Valentin:
[6:06] ‚Herr der Ringe‘ oder ‚Herr der Fliegen‘? ‚Herr der Fliegen‘.

Fabian:
[6:11] Bar oder mit Karte?

Valentin:
[6:13] Mit Karte.
Fabian:
[6:15] Knüllen oder falten?
Valentin:
[6:15] Falten.

Fabian:
[6:21] Katze oder Hund?

Valentin:
[6:25] Das finde ich gemein. Nee, daran werde ich, also die setze ich aus. Ich hatte sowohl Katzen als auch Hunde. Es wäre für beide nicht fair.

Fabian:
[6:33] Möchtest du deinen Joker ziehen?

Valentin:
[6:36] Da ziehe ich, also dafür … Ich weiß nicht, was noch kommt. Vielleicht sage ich doch Hund. Hund!

Fabian:
[6:40] Fakultativ oder obligatorisch?

Valentin:
[6:45] Fakultativ.

Fabian:
[6:47] Rogge oder Gerste?

Valentin:
[6:49] Rauke oder Gerste?

Fabian:
[6:50] Rogge oder Gerste?
Valentin:
[6:52] Roggen oder Gerste? Roggen.
Fabian:
[6:56] Butter oder Margarine?
Valentin:
[6:57] Butter.
Fabian:
[6:58] Wegwerfen oder recyceln?
Valentin:
[6:59] Recyceln.
Fabian:
[7:01] Ans Meer oder in die Berge?
Valentin:
[7:03] Ans Meer.

Fabian:
[7:06] Backpacking oder Pauschalreise?

Valentin:
[7:08] Backpacking.
Fabian:
[7:10] Netflix oder Kino?
Valentin:
[7:12] Netflix.
Fabian:
[7:14] Duschen oder Baden?
Valentin:
[7:16] Duschen.
Fabian:
[7:18] Ins Konzert oder ins Museum?
Valentin:
[7:23] Boah, das kann … Dann lieber ins Museum.

Fabian:
[7:26] Großer Plan oder Zufall?

Valentin:
[7:41] Geile Frage. Zufall.
Fabian:
[7:41] Bauer oder Springer?

Valentin:
[7:46] Bauer. Nur die Gesamtheit der Bauern. Der Bauer alleine nichts, aber alle Bauern zusammen. Die wichtigste Figur.

Fabian:
[7:56] Ja, dann hast du das Spiel erfolgreich durchgespielt und ich denke, wir haben dich ein bisschen besser kennengelernt.
Schön, dass du über die eine oder andere Frage auch ein bisschen schmunzeln musstest. Dann haben wir ja unser Ziel eigentlich auch schon erreicht.
Okay, dann würde ich sagen, wir werfen uns mal ins Getümmel und schauen uns mal dein Forschungsthema ein bisschen an.
Magst du vielleicht einfach mal eine grobe thematische Einführung geben, so ein Abriss deines Projekts, dass wir uns dann die Einzelthemen so ein bisschen genauer anhören können.

Valentin:
[8:30] Also, ganz grob würde ich sagen, es ist Züchtungsforschung. Also ist die Frage: Wie kann man Pflanzenzüchtung wissenschaftlich unterstützen?
Ist angelehnt an den Agrarwissenschaften und der Genetik, mit viel Mathematik und Bioinformatik,
also was dann an sich die Ergebnisse bringt. Die ganze Resistenzgeschichte ist nicht mein eigenes Projekt,
sondern mein eigenes Projekt ist sozusagen daneben und geht auch um Weizen, aber ist grundsätzlich ein anderes Thema.
Aber es geht eigentlich immer darum, sozusagen Genom-Regionen zu finden, die für einen Züchter interessant wären
in Elite-Sorten. Also so nennt man die Sorten, die heutzutage so im Anbau sind. Genauer genommen, die zur Identifizierung dieser Sorten vorteilhaft wären, und das im Prinzip dadurch, dass man sich die Phänotypen anguckt.
Also: Wie schaut die Pflanze aus? Und das auf irgendeine Art und Weise verknüpft mit dem Genotyp.
Also: Was sagt die DNA sozusagen dieser Pflanze oder dieses Genotyps?

Fabian:
[9:32] Und du hattest das, glaube ich, in so einem kleinen Nebensatz gesagt: Es geht um Weizen, ja?

Valentin:
[9:37] Genau, es geht eigentlich, also was die Resistenzgenetik angeht, da geht es um Weizenmehltau. Mehltau ist ein pilzlicher Erreger. Den kennen viele, denke ich, auch so von ihren Gurken, wenn sie zu nass sind, oder von ihren Tomaten, wenn sie zu nass sind. Das ist so ein weißer, mehliger Belag, so ganz widerlich. Genau. Gibt es in ganz vielen verschiedenen Arten und Weisen. Ist beim Wein auch zum Beispiel ein ganz großes Problem. Dann gibt es eben auch Getreide und andere Gräser natürlich. Und ich beschäftige mich mit Mehltau in Weizen.

Fabian:
[10:06] Vielleicht, ich weiß nicht, ob das den Leuten draußen so klar ist.
Mir jedenfalls war es am Anfang super unklar und ich bin mir auch immer noch nicht ganz sicher, ob ich da so richtig durchgestiegen bin.

Was Ist Weizen Und Was Unterscheidet Ihn Von Anderen Gräsern?

[10:20] Vielleicht kannst du ja mal so eine grobe Systematik der Gräser erklären.
Was ist eigentlich Weizen? Was ist Rogge? Was ist Gerste?
Wie hängt das alles inhaltlich miteinander zusammen? Und warum hat Weizen so ein komisches Genom?

Valentin:
[10:34] Also erst einmal sind es alles Pflanzen. Es sind alles auch Süßgräser.
Es gibt Süß- und Sauergräser. Und Weizen ist …
Also ich meine, das sind alles für unsere Ernährung super wichtige Getreide erstmal. Gerste wird einerseits zum Brauen ganz viel verwendet und andererseits als Futter. Mit Gerste kann man eigentlich nicht so wirklich backen, weil das Eiweiß das nicht hergibt.

[11:01] Roggen hat den Vorteil, dass es sehr kälteresistent ist. Es kommt aus dem Norden eigentlich.
Damit kann man schon backen, aber eine Pizza aus Roggen würde ich jetzt nicht empfehlen.
Genau, und Weizen ist das, was wir so eigentlich hauptsächlich so zu uns nehmen.
Also gerade hier in Mitteleuropa ist das eigentlich so ein Hauptnahrungsmittel. So wie Reis das wäre oder Topinambur.

[11:25] Und Weizen, da ist das Interessante, Weizen ist eigentlich ein Hybrid aus drei verschiedenen Gräsern, die sich im Laufe der Entwicklung sozusagen zum Weizen zusammengeschlossen haben.
Also Weizen hat eigentlich drei Genome sozusagen, die in einer Pflanze leben und zusammenarbeiten.
Wenn man sich das so vorstellen kann. Also es gibt gewisse Redundanzen zwischen den einzelnen Genomen, weil, ich meine, das sind immer noch alle drei waren Gräser. Also sie haben schon irgendwas geteilt,
aber es gibt auch Unterschiede. Und das macht den Weizen super schwierig so als Organismus.
Also die meisten Molekularbiologen, die mit Pflanzen arbeiten, arbeiten ja mit Arabidopsis. Das ist ein Modellorganismus, der hat ein sehr kleines Genom und es ist einfacher damit zu arbeiten.
Kann man sich einfach vorstellen, wenn man ein Gen ausschalten möchte zum Beispiel in der Pflanze, um zu gucken, was es macht,
dann muss man im Weizen mitunter also dreimal dieses Gen, also noch häufiger, weil Gene öfter mal kopiert werden, ausschalten,
damit man überhaupt etwas sieht. Und das ist sehr schwierig.
Man muss sozusagen alle treffen, damit man dann einen Effekt sieht.
Genau, deswegen … Aber es ist natürlich viel relevanter, wenn ich das so sagen darf, ohne den ganzen Biologen auf die Füße zu treten, aber es ist direkt relevanter. Also der erste Verwandte zu Arabidopsis das ist der Raps. Die haben nicht so viel, außer dass sie beide Plasmazellen sind, nicht miteinander zu tun.

Fabian:
[12:41] Ist denn der Weizen, so wie er ist, natürlich entstanden oder ist diese Hybridform eine Züchtung?

Züchtung Oder Natürliche Entstehung

Valentin:
[12:51] Wir haben Domestikationsgenetiker bei uns, die könnten das in jeder Ausführlichkeit jetzt besser beschreiben als ich.

Valentin:
[13:00] Aber ich glaube, die erste Hybridisierung ist wahrscheinlich spontan entstanden und dann hat man es sozusagen daraus selektiert.
Aber die Zweite … Also es wurde auch sozusagen das, was man als Einkorn kennt, das ist eigentlich eine Kombination aus zweien dieser Gräser. Dazu kommt quasi noch ein drittes und dann sind wir bei etwas, was dem Weizen jetzt ähnlich ist. Aber das ist ein großes Feld und da ändert sich ständig etwas.

Fabian:
[13:20] Also vermutlich so ein bisschen eine Mischung aus beidem. So ein bisschen natürlich entstanden und ein bisschen gezüchtet.

Valentin:
[13:28] Ja, ist die Frage, was der Unterschied ist, oder?
Klar, die menschliche Intention. Ich meine, der Unterschied zwischen einer natürlich entstandenen, also ich setzte es mal in unsichtbare Anführungsstrichen, der Unterschied zwischen einer natürlich entstandenen Pflanzen und einer durch Menschen entstandenen Pflanze …
Sie sind beide so, wir schaffen sozusagen die Umwelt, in der sich dann nun mal so eine Pflanze entwickeln würde, und wir schaffen halt eine spezielle Umwelt, die es so in der Natur nicht geben würde. Aber an sich sind die Mechanismen – Mutation, Selektion – die Gleichen.
Wir sagen halt wer überleben darf und wer nicht.

Fabian:
[14:07] Das stimmt. Da sind wir ja auch noch ganz weit weg von gezielter Gentechnik, auf die wir vielleicht später auch noch einmal zu sprechen kommen, wo die Mechanismen dann ja doch noch ein bisschen anders funktionieren.
Magst du uns vielleicht ein bisschen was über dein Forschungsobjekt, den Weizen, erzählen, was es da genauer zu wissen gibt?
Gibt es da überhaupt noch zusätzliche Informationen, die du uns geben kannst?

Anbau Von Weizen

Valentin:
[14:29] Über den Weizen? Der Weizen ist, da gibt es so viel zu wissen.
Also man kann jahrelang damit verbringen, das Anbausystem Weizen zu versuchen zu verstehen. Weil im Endeffekt, was ein Landwirt macht,
ich glaube, was vielen Leuten auch nicht klar ist, die so einfach ihr Brot kaufen beim Bäcker.
Die haben vielleicht noch eine Vorstellung davon, was der Bäcker macht so ein bisschen. So, dann haben sie vielleicht noch eine Vorstellung, was Müller macht. Und was so ein Landwirt macht,
da ist die Vorstellung auf so, ja, hauptsächlich vergiftet der uns irgendwie und macht unser Grundwasser so, dass wir es nicht mögen.
Aber das, was ein Landwirt wirklich macht, wissen die meisten Leute gar nicht so, dass eigentlich eine Population auf so riesen Flächen
mehr oder weniger passiv versucht, zu regulieren. Weil, ich meine, so kann jeder mal versuchen in seinen Garten einfach mal Weizenfeld anzusäen und mal zu gucken, wie gut es klappt. Das ist gar nicht so einfach.
Und da hat man noch ganz viele Möglichkeiten: Man kann einfach reingehen und Unkraut zupfen.
Wenn so ein Landwirt, weiß nicht, 100 Hektar Weizen hat, dann kannst du halt nicht einfach da hingehen und Unkraut zupfen, sondern es muss halt funktionieren.
Und viele gehen dann eben, oder gingen so in den letzten, ja, 50 bis 100 Jahren,
wo ja so diese ganze Agrochemie eigentlich dann wirklich also so von Pflanzenschutz-Richtung richtig wichtig war, so Dünger war ja vorher schon wichtig, aber da, wo so richtig der Pflanzenschutz, der chemische Pflanzenschutz relevant wurde.

Das ist, würde ich sagen, ein Tool, das so ein Landwirt hat, was auch durchaus Sinn hat, aber es darf nicht sein einziges Tool sein und ist es auch nicht.
Aber es ist sehr viel besser, wenn man die Landwirte sozusagen davon wegbekäme.
Da wären auch viele Landwirte froh drum.
Also weil auch viele Landwirte haben einfach auch, weiß ich nicht, ein merkwürdiges Gefühl. So ich meine, in meinem Studium habe ich mit vielen Landwirten, so praktische Landwirte …
Ich bin ja kein praktischer, also ich komme ja nicht wirklich vom Hof.
Aber viele praktische Landwirte, mit denen man spricht, die haben auch ein merkwürdiges Gefühl, wenn Sie wissen, okay, also ich meine, du musst die ganze Schutzmontur anziehen, um das da zu mischen und so weiter.
Und dann bringe ich das raus und man weiß nicht so ganz. Aber andererseits ist man so ein bisschen in einer schizophren Situation als Landwirt, weil man glaubt ja nicht, dass das, was man den ganzen Tag tut, wofür man viele Stunden arbeitet, grundsätzlich schlecht ist.
Und da haben viele Landwirte auch, wissen was sie da tun. Und das ist auch sehr befriedigend, glaube ich, für viele so zu wissen: „Hey. Wir machen die Ernährung.“ Und das ist, glaube ich, vielen nicht so ganz bewusst, was
so ein ganzer Kosmos Landwirtschaft mit sich bringt.

Fabian:
[17:00] Ja, das stimmt. Das ist ja auch eine vermutlich wahnsinnig komplexe Arbeit, die dahinter steht. Nicht umsonst gibt es ja das Studium der Agrarwissenschaften, das ja relativ viele Landwirte dann auch abgelegt haben.
Du hattest ja die Agrochemie gerade so ein bisschen erwähnt. Die besteht ja, wenn ich das so grob überblicke, quasi aus zwei großen Domänen: So ein bisschen dem Dünger und den Pestiziden.

Dünger Und Pestizide/Pflanzenschutzmittel

Valentin:
[17:28] Wenn man so will, ja.

Fabian:
[17:29] Die Pestizide sind im Prinzip ein Überbegriff, wenn ich das richtig verstanden habe.

Valentin:
[17:34] Also Landwirte und auch die meisten anderen Leute sprechen nicht gern von Pestiziden. So Pestizide ist an sich ein richtiger Begriff, kann man nehmen. Sondern die sprechen lieber, auch so im politischen Gespräch, von Pflanzenschutzmitteln. Das klingt einfach besser. Aber es sind an sich einfach Pestizide und die teilen sich dann auf je nach Gruppe, was man bekämpfen möchte. Also einerseits Herbizide gegen Pflanzen, also Kräuter.
Dann gibt es eben die Fungizide gegen die Pilze, Insektizide gegen Insekten und Molluskizide gegen Schnecken und alles Mögliche.

Fabian:
[17:58] Für dich ja besonders relevant sind letztendlich ja die Fungizide.
Was ist denn da so in Verwendung hauptsächlich?

Valentin:
[18:14] Also grundsätzlich Fungizide sind eigentlich so Azole das, was man am häufigsten verwendet. Wirst du auch gut wissen.

Fungizide

[18:22] In der Humanmedizin auch ein verbreiteter Wirkstoff oder Wirkstoffgruppe, sind ja ganz viele Azole.

[18:27] Und das ist auch so ein bisschen ein Problem. Wenn man sich die Zahlen so anguckt so vom letzten Jahr, vom vorletzten Jahr, so Verbräuche von Fungiziden, dann sieht man das, was auch viele Landwirte, denke ich, einfach wissen,
dass die Azole so die Hauptwirkstoffgruppe sind. Sind so ungefähr 20 Prozent von der Masse, was auf die Felder gebracht wird, und sind auch die meisten Wirkstoffe in den Azolen.
Und das ist ein bisschen ein Problem, weil die Wirkstoffe, also innerhalb einer Wirkstoffgruppe die Wirkung logischerweise, sonst würde man sie so nicht zusammenfassen, gleich ist.

Und in dem Fall wird mit ein Bestandteil der Zellmembran sozusagen des Pilzes gehemmt
in der Biosynthese. Und wenn man diesen einen Mechanismus hat und den auf sehr sehr große Fläche bringt zusammen mit einer sehr flexiblen Population. Weil ich meine, Pilz-Populationen,
das muss man sich anders vorstellen als die menschliche Population, oder in einem Wald oder selbst auf einem Weizenfeld.
Sondern ich meine, dass erstmal sind es Massen, Massen, Massen. Also unvorstellbare große Zahlen, die ihnen sehr schnellen Generationszyklus haben und sehr interessante Arten und Weisen sich fortzupflanzen. Also Pilze sind nicht so langweilig wie wir,
irgendwie, weiß nicht, zwei, drei Geschlechter plus X und das war es so. Sondern eben Pilze sind da sehr sehr breit aufgestellt, was sie sehr interessant macht.
Da weiß man auch in ganz vielen Fällen weiß man noch gar nicht genau, wie das funktioniert, oder warum es so funktioniert wie es funktioniert.
Also ich bin leider kein Ökologe. Weiß man ja nicht, dass sowas interessant ist, bis an es dann irgendwann herausfindet. Aber es ist auf jeden Fall ein total

interessanter Zweig der Biologie, der so ein bisschen unterrepräsentiert ist, habe ich das Gefühl. Also Pilze kennen die Leute, weiß nicht von der Pizza. Und, ja, wenn du von Pilzen redest dann so ja, weiß nicht, zeigt jeder so einen, eben wie so einen, ja halt den Schirm von einem Pilz, den man halt sieht, aber das hat ja nichts mit dem Pilz an sich zu tun. So ein Pilz liegt ja an sich unter der Erde. Das, was man sieht, ist der Körper vom Pilz. Deswegen ist es auch einfach versteckt und man kann es nicht sehen.

Fabian:
[20:06] Ja, der Mediziner hat natürlich gleich ganz andere Assoziationen, wenn man über Pilze redet Da denke ich dann an schön verpilzte Schleimhäute oder Nägel. Da fallen mir glatt eine Hand voll Patienten ein, die ich gesehen habe, die einen erheblichen Pilzbefall hatten.
Und ich nehme mal an, ihr steht quasi von dem selben Problem, vor dem wir bei der antiinfektiven Behandlung ingesamt und durchaus auch immer mal wieder bei den Pilzen stehen, dass unsere schönen althergebrachten Medikamente, die bisher immer toll geholfen haben, nicht so richtig helfen.

Valentin:
[21:03] Also es ist eigentlich genau das selbe. Also ist es sowohl indem wie wir es merken, nämlich dass wir einfach Wirkstoffe verlieren, und nicht weil sie irgendwie zu giftig wären und verboten werden, so das auch,
aber auch weil wir sie verleihen, weil sie schlicht nicht wirken. Das Gleiche eben bei den Antibiotika sieht man das auch und das sind tatsächlich genau gleichen Mechanismen.
Also, wenn man einen Wirkstoff auf eine sehr sehr große Population bringt, mitunter noch in einer niedrigen Konzentration, also nicht letal,
so dann ermöglicht man es denen, die sozusagen einen quantitativen Vorteil haben gegenüber den anderen, besser zu überleben und das ist dann einfach eine Triebfeder für Anpassung.
Deswegen ist es genau der gleiche Mechanismus.

Fabian:
[21:40] Wunderbar. Ich glaube, wir haben so einen groben Überblick über dein Projekt gewonnen und würden uns jetzt auf das nächste Themenfeld stürzen, wo es ein bisschen kompliziert wird.
Du bist nämlich nicht nur Agrarwissenschaftler, sondern du bist ja auch Genetiker, Pflanzengenetiker.

Valentin:
[21:55] Also es gibt, da muss ich nur mal ganz kurz, entschuldige, dass ich immer deine Einleitung korrigieren muss, aber ich bin auch kein voller Genetiker. Also man kann Genetik Jahre studieren, das nicht ohne Grund so, weil das auch ein riesen Ding ist. Also ich habe da einen Fuß drin.

(Plfanzen-)Genetik

Fabian:
[22:13] Dann möchte ich mich dahingehend korrigieren, dass ich sage, du arbeitest mit den Methoden der Genetik.
Vielleicht starten wir einfach mal so ein bisschen mit den Grundbegriffen der Genetik: Phänotyp, Genotyp, Chromosom,
DNA. Einmal einen kurzen Rundumschlag aus der Genetik, vor allen Dingen mit einem kleinen Fokus Pflanzengenetik, die mir als Mediziner ja auch ein bisschen eine Fremde ist.

Valentin:
[22:36] Also ganz, ganz grundlegend in einem Satz: Phänotyp ist der Genotyp plus die Umwelt plus die Genotyp-Umwelt-Interaktion.
Das ist eigentlich so das Grundlegende sozusagen, von dem geht ganz viel aus.
Man hat den Phänotyp, das ist das, was man sieht, ja? Das ist, weiß nicht: Wie groß ist ein Mensch? Wie hoch ist eine Weizenpflanze?
Wie viel Ertrag hat diese Weizenpflanze? Wie schaut Ihr Blatt aus?
Was für Augenfarbe hat jemand? Was für eine Haarfarbe? Das sind Phänotypen. Genotypen,
das ist dann ein bisschen abstrakter. Das ist, was sozusagen in der Genetik steht, um es mal so flapsig zu sagen. Das ist, ob du jetzt ein Gen hast oder viele Gene, die sagen: Das wird ein großer Mensch.
Genauso wie bei Pflanzen auch. Die haben auch Immunsystem, da gibt es Regulatoren. Wenn einer fehlt, dann wird die plötzlich viel kleiner.
So etwas gibt es. Und der Genotyp muss nicht unbedingt zu einem Phänotyp führen, weil … muss nicht sozusagen 100 Prozent diesen Phänotyp bestimmen. Bei manchen Sachen tut es das. Augenfarbe ist zum Beispiel hochheritabel, also hocherblich. Erblichkeit ist sozusagen die Relation vom Phänotyp zum Genotyp, ist die Heritabilität. Also wie viel des Merkmals wird eigentlich durch die Genetik bestimmt? Bei Ertrag zum Beispiel kann man es sich gut vorstellen. Wenn du die gleiche Weizensorte nimmst, sie in 100 verschiedene Felder stellst rund um die Welt, dann wird man sehen, dass es gravierende Unterschiede gibt. Die einen stehen in der Wüste, da sterben sie. Die anderen stehen irgendwo auf einem guten Boden.
So, da haben die dann 120 Doppelzentner Ertrag. Die anderen stehen auf irgend so einem Sandboden und haben dann 30 Doppelzentner Ertrag.
Also das ist so diese Interaktion. Manche Sorten sind sozusagen besser auch angepasst an eine trockene Situation, die kommen dann in dieser Umwelt besser zurecht als in einer anderen.
Dafür sind die anderen vielleicht besser gegen Frost tolerant und wären dann irgendwo, wo es kälter wird im Winter, da besser angepasst. Also das ist dann diese Interaktion und daran kann man eigentlich ganz ganz viel abhaken.

Fabian:
[24:42] So ein bisschen auch wie beim Menschen. Bei dem funktioniert es ja im Prinzip ähnlich. Es gibt ja kein singuläres Gen, das die Größe entscheidet, sondern eigentlich erheblichen Einfluss auf die Endgröße im Erwachsenenalter hat ja der Ernährungszustand in der Kindheit.
Was ja im Prinzip vergleichbar ist: Wenn eine junge Pflanze kein Wasser bekommt, wächst sie nicht so hoch und wenn ein junger Mensch nicht genug zu essen bekommt, dann wird er eben auch nicht zwei Meter lang.

Valentin:
[25:06] Genau. Das ist ja auch alles Konzepte, die gelten. Die Menschen neigen ja manchmal dazu, sich ein bisschen separat zu sehen von der Natur. Aber es ist einfach nicht das, sondern wir sind ein Tier, auch ein Tier.
Und was für eine Kuh gilt genetisch und für den Weizen gilt, das gilt halt eben auf solchen abstrakten Dingen natürlich auch für den Menschen.

Fabian:
[25:25] Genau. Was bei Pflanzen aber ein bisschen anders funktioniert, ist ja im Prinzip die Fortpflanzung, oder? Du runzelst schon wieder so die Stirn.

Valentin:
[25:33] Die Fortpflanzung der Pflanzen gibt es nicht. Also ich meine so,
eben bei uns ist das ja recht übersichtlich. Es gibt eben Pflanzen, die machen das so wie wir, zweihäusig.
Also es gibt männliche und weibliche Pflanzen. Dann gibt es ganz viele Pflanzen, die sind einhäusig.

Fortpflanzung

[25:49] Dann gibt es bei den einhäusigen Pflanzen Unterschiede. Es gibt welche, die haben sozusagen das irgendwie alles in einer Blüte, und dann gibt es welche, die haben das getrennt voneinander, Mais zum Beispiel.
Wenn man sich eine Maispflanze vorstellen kann, die hat oben so Püschel. Das hat man vielleicht schon einmal gesehen. Und das oben, dieser Puschel, das ist sozusagen die männliche Blüte.
Und unten an den Kolben sind dann so kleine Fädchen, das ist dann die weibliche Blüte und da fällt der Pollen runter. Das wäre dann „einhäusig“, also eine Pflanze hat sozusagen beide, also ist zwittrig, aber getrennte Blüten. Der Weizen, der hat sozusagen beides in einer Spelze.

So wenn die Erde sich entwickelt, dann ist da am Anfang noch kein Korn drin, sondern da ist so ein kleines, also dass das mal Korn wird. Und an diesem Korn ist dann auch eine Blüte, eine männliche und eine weibliche Blüte, und der bestäubt sich dann selber.
In manchen Situationen macht er dann auf und schmeißt auch mal so ein bisschen Pollen raus und lässt auch ein bisschen Pollen rein manchmal.
Aber grundsätzlich bestäubt er sich selbst. Und dann gibt es natürlich Pflanzen, die können sich auch vegetativ vermehren, also die klonen sich. Das ist ja auch so etwas, die
Leute sind vom Klonen irgendwie abgeschreckt und gehen dann Pommes essen und denken nicht darüber nach, dass eine Kartoffel auch ein Klon ist. Klar, also ich meine,
es ist, geht wieder so in diese Gentechnik-Richtung, aber was mir wichtig ist, zu sagen, dass es da ganz viele Unterschiede gibt.

Fabian:

[27:00] Okay. Dann würde ich sagen, gehen wir nochmal auf die Ur-Substanz des Lebens zurück: Reden wir doch mal ein bisschen über die DNA selbst, die ja letztlich die Genetik bestimmt. Wie sieht denn so DNA eigentlich aus?

Valentin:
[27:16] DNA ist an sich, also hat man im Biologieunterricht gehabt, sind im Prinzip ein aus vier verschiedenen Basen und so einem Gerüst drumherum aufgebautes Molekül, riesiges Molekül.

Die Ursubstanz Des Lebens: Die Dna

[27:27] Und was wie ein Code funktioniert, um Baupläne für Proteine zu speichern. Es gibt so ein bisschen eine philosophische Debatte darüber: War die DNA zuerst da oder das Protein?
Ist so ein bisschen Henne-Ei-Frage.
Genau. Das ist eigentlich die DNA. Es ist aber wichtig, zu wissen, dass sozusagen also das Genom, um es zu sagen, ist die Gesamtheit der DNA, was ein Individuum hat.

[27:53] Und jetzt ist aber nicht alles an dieser DNA sozusagen codiert für ein Gen. Also ein Gen ist ein Stück der DNA, was für ein Protein codiert. So kann man das vielleicht sagen. Aber es gibt noch ganz viele andere Bereiche in der DNA, die nicht für Proteine codieren, trotzdem wichtig sind. Da kommt man peu á peu … es gab so diesen Begriff, ich weiß nicht, ob man den überhaupt noch verwendet, von ‚Trash-DNA‘.
Also man hat irgendwann eben größere Mengen Sequenz entschlüsselt und ist irgendwie darauf gekommen: Okay, die allermeisten machen eigentlich überhaupt keine Proteine.
Und dann war die Frage: Wofür sind die dann da? Und dann gab es eine Richtung von Leuten, die gesagt haben, das ist Trash-DNA, das braucht man eigentlich nicht. Das passiert halt, wenn da so das Genom entwickelt.
Oder das sind eben Stücke von Viren. Viren haben ja so als Mechanismus, dass sie sich sozusagen in die DNA einfügen und da bleiben. Und dann werden die auch von einem Mechanismus erkannt und zerstört. Und diese ganzen Fragmente bleiben sozusagen übrig. Und die Gene vermischen sich dann so ein bisschen damit.
Davon, glaube ich, geht man so Stück für Stück weg, weil es gibt immer mehr, klar es gibt diese Dinge, aber es gibt auch viele Dinge, die wir einfach nicht wissen. Das ist, würde ich sagen, DNA in a nutshell.
Genau. Es ist eigentlich eine große Bibliothek an Proteinen.

Fabian:
[29:03] Was ist so faszinierend finde, ist, dass diese Bibliothek eigentlich in vier Buchstaben geschrieben wurde, die dann ja wiederum für, wenn ich mich jetzt nicht irre,
24 Aminosäuren kodieren.

Valentin:
[29:16] Ich glaube, ja, 21, 24.

Fabian:
[29:17] Ich glaube es gibt auch so einen kleinen Streit darüber. Manche zählen eine mehr. Manche sagen – „Ne, das es nur eine modifizierte, die zählt nicht so richtig.“ Im Prinzip mit diesen vier Buchstaben kodiert man eigentlich ein ganzes Leben.
Was schon faszinierend ist, oder?

Valentin:
[29:32] Ach, ich glaube, also, ich meine, wir leben in digitalen Zeiten, da hat man nur zwei Buchstaben und man kann trotzdem ganz schön viel damit machen.
Klar, es ist auf jeden Fall ein wahnsinnig faszinierender Mechanismus, dass es diese Übersetzung und diese ganzen Mechanismen, die dazwischen ablaufen, weil es ist ja nicht so, dass sozusagen ein Gen wird da abgeschrieben,
dann wird es da rauskopiert. Das kennt man dann nur noch so mRNA und tRNA.
Und dann wird es gebaut dieses Protein, dass die einzelnen Aminosäuren aneinander gesteckt werden. In diesem ganzen Prozess dazwischen,
da gibt es einen ganzen Wald an Mechanismen, ohne Epigenetik anzufangen, einen ganzen Wald an Mechanismen nur in der Genetik, die das modifizieren.
So ein Gen kann auf verschiedenste Arten und Weisen abgeschrieben werden.
Da werden Bereiche einfach rausgelöscht, das nennt sich ‚alternative splicing‘, so ein Stichwort, dass
sozusagen einzelne Bereiche in verschiedenen Varianten sozusagen verwendet werden können und dann unterschiedlichen Funktionalitäten haben.
Also es ist ganz viel da unterwegs und es ist auch sehr viel dynamischer, als man sich ein Genom vorstellt.
Also viele sind so von der Vorstellung, das es wie so eine Steintafel ist, ein Genom.
Das sozusagen ist irgendwie fest, weil, ich meine, ich verändere mich ja nicht jeden Tag. Mir wächst ja nicht Morgens ein Flügel.

[30:45] Aber es ändert sich total viel. Also eigentlich die ganze Zeit passieren Brüche, es passieren Fehler, es wird etwas korrigiert, es wird hier ein Virus herausgeschnitten und da wird was gemacht, und dann geht hier was hoch, weil da etwas runter geht, und es wird ganz viel reguliert.
Epigenetik ist dann nochmal ein weiteres Feld. Also Epigenetik ist sozusagen, also DNA oder ein Chromosom
besteht nicht nur aus DNA in dem Sinne, sondern es besteht auch aus Proteinen, weil DNA ist ja einfach nur ein ganz dünnes Molekül, das sehr lang ist. Und dieses ganz dünne Moleküle wird sozusagen dann wie an so einem, nennt sich
‚beats on a string‘, wird quasi um so ganz viele Kügelchen gewickelt, Proteine.
Und sozusagen die Art und Weise wie eng und wie es um diese Kügelchen gewickelt wird, ist auch noch relevant dafür, ob das Gen jetzt an ist oder aus ist.

Epigenetik

[31:29] Ob die Zelle jetzt eine Haarwurzel bildet oder ein Teil einer Haarwurzel oder ob die Zelle jetzt, weiß nicht, auf deiner Nasenspitze sitzt und irgendetwas anderes macht. An sich haben die ja die gleiche DNA.
Aber es werden unterschiedliche Regionen eingeschalten, je nachdem wie die strukturiert sind.
Man hat eben auch vor ein paar Jahren mittlerweile schon herausgefunden, dass die Epigenetik auch vererbt wird.
Also es wird nicht von der DNA her vererbt, aber sie wird auch vererbt. Und es ist sehr schwierig, also bei Menschen
es gibt schon Studien, aber es ist immer ein bisschen schwierig, weil beim Menschen, also in der Humangenetik, sind die Stichproben immer sehr klein,

[32:07] wenn man jetzt von der Pflanzen-Richtung kommt, weil wir halt, also die Pflanzen-Seite ist mal halt so ein bisschen im Schlaraffenland, weil man kann riesige Populationen haben an identischen Genotypen.
Das geht beim Menschen schwierig. Also ich kann nicht anfangen, 1000 Mal einen Menschen klonen und ihn in verschiedenen Umwelten beobachten. Das kann ich nicht machen.
Da kriegt man Probleme. Deswegen ist man da immer ein bisschen eingeschränkt, aber es gibt viele Untersuchungen zum Beispiel zu Bachflohkrebsen, was die Epigenetik angeht, wo man sieht: Ah, okay. Wenn man eine Generationen an Bachflohkrebsen stresst – ein Bachflohkrebs ist so ein ganz kleines Wassertierchen – und wenn man die stresst, dann bilden die in der nächsten Generation sozusagen, auch wenn sie nicht mehr stresst, bilden die so eine Haube, um sich sozusagen gegen den Stress besser zu schützen.
Und wenn man sie dann nicht mehr stresst, dann lassen sie es bei der nächsten Generation wieder weg. Und das sind ganz interessante Mechanismen. Da ist man auch erst am Anfang.

Fabian:
[32:59] Ein Vorteil von Pflanzen und von Bachflohkrebsen ist auch, dass sie keine aufwendigen Einverständniserklärungen unterschreiben müssen und der Datenschutz ist, glaube ich, bei Weizen auch ein nachrangiges Thema bis jetzt.
Obwohl es auch aus der Humangenetik schon durchaus Erkenntnisse zu epigenetischer Weitergabe gibt. Vor allen Dingen
interessant ist natürlich auch der Bereich der Erkrankungen. Soweit ich mich jetzt aus der Kalten, ohne mich groß vorbereitet zu haben, erinnere, gibt es auf jeden Fall
schon erste Untersuchungen zur Erblichkeit, also epigenetischen Erblichkeit von Diabetes.
Auf jeden Fall scheint die Ernährungs-Stoffwechsel-Situation einer Frau um den Zeitpunkt der Schwangerschaft Einfluss zu haben darauf, wie sich der Stoffwechsel des Kindes im Verlauf des Lebens entwickelt und das scheint auch über epigenetische Faktoren entwickelt
zu werden. Und ähnlich wie der Bachflohkrebs scheint auch Stress, im Sinne eines massiven Traumas, epigenetische Faktoren so weit zu verändern,
was in den nächsten Generationen, soweit ich mich erinnere, zum Beispiel zu einer erhöhten Depressionsrate führt. Wobei so sowas natürlich immer ein bisschen schwer aufzuklamüsern ist, was jetzt vielleicht auch einfach
durch Interaktion weitergegeben wird und was da jetzt rein epigenetisch ist.

Valentin:
[34:24] Das ist der Punkt. Bei Pflanzen wäre das kein Problem. Dann könnte man an Väter sozusagen das gleiche Kind vermitteln.
Es gibt auch eine Untersuchung, die ich gelesen habe, da ging es auch um Stress und um Übergewicht sozusagen der Folgegeneration. Und man hat gesehen,
wenn man die Väter sozusagen stresst, dann haben die Kinder eine höhere Wahrscheinlichkeit zum Übergewicht. Aber es ist immer so ein bisschen schwierig. Man kann alles korrelieren.

Ich meine, Mathe ist da so ein bisschen gutmütig. Es rechnet ja alles Mögliche aus.
Die Frage ist immer: Ist es ein Artefakt? Ist es wirklich so? Kann man das wirklich behaupten? Und man ist da mal so ein bisschen freier in der Humangenetiker, habe ich so das Gefühl,

weil keiner kann solche Versuche machen. Demnach nimmt man halt auch das, was man haben kann, ohne zu sagen, dass es Unsinn wäre oder so. Sondern es ist einfach, wenn man es mit Pflanzen oder anderen Organismen vergleicht, einfach weniger sicher.

Fabian:
[35:15] Es lässt sich halt auch auch wenig aktiv beeinflussen.

Valentin:
[35:18] Genau.

Fabian:
[35:19] Man kann natürlich nicht eine Kohorte von 10 000 Vätern traumatisieren, um zu gucken, werden jetzt davon vielleicht die Kinder irgendwie adipös.
Das wäre, glaube ich, ethisch, moralisch äußerst fragwürdig.

Valentin:
[35:30] Wäre auch sehr sehr teure Forschung.

Fabian:
[35:33] Außerdem: das Interessante an der Genetik ist ja im Prinzip gar nicht unbedingt der Prozess des Kopieren., Sondern das, was letztendlich das Leben zu dem gemacht hat, was es heute auf diesem Planeten so ist,
ist ja das fehlerhafte Kopieren, die Veränderung,
dass dann doch nicht ganz präzise ist. Wie funktioniert denn die Evolution bei Pflanzen?
Du hattest ja schon gesagt, die Fortpflanzung spielt bei manchen Pflanzen eine Rolle, bei anderen Pflanzen eher eine geringere Rolle.

Evolution Bei Pflanzen – Großer Plan Oder Reiner Zufall?

[36:06] Was sind denn so die Hauptfaktoren, wo du sagst, das bringt jetzt die Evolution bei den Pflanzen voran und vor allen Dingen beim Weizen natürlich, deinem Spezialgebiet.

Valentin:
[36:19] Tja. Großer Zufall? Oder wie hast du das vorhin gesagt? Großer Plan oder reiner Zufall?
Was die Evolution von Weizen fordert, kann man nicht sagen, weil ich mein Weizen ist kein durch eine passive Evolution rein entstandenes Konstrukt.
Also wir bestimmen, wie die Evolution vom Weizen abläuft. Die letzten Jahrzehnte oder eigentlich, ich meine,
man muss das vielleicht ein bisschen in einen größeren Kontext setzen, wenn man über sowas spricht, weil Züchtung einfach ewig dauert.
Also ich meine, wir betreiben seit 10 000 bis 12 000 Jahren Landwirtschaft und im Prinzip züchten wir mehr oder weniger seitdem, bei Nutztieren natürlich auch, aber auch bei Pflanzen züchten wir auf verschiedenstes Gemüse. Und da kann man durch das Internet suchen, sich angucken, wie Wildformen von Gemüse ausschauen oder auch die Wildform von Kulturpflanzen. Es ist einfach etwas völlig anderes. Aber es würde die Evolution nie so entstehen. Also eine Weizenähre macht evolutiv gesehen eigentlich nicht so viel Sinn, weil es ein winziger Embryo an einem riesigen Endosperm, einem riesigen Speicherkörper sozusagen, was dieser Embryo jetzt an sich vielleicht gar nicht bräuchte. Dann haben wir Weizen zum Beispiel durch züchterische Maßnahmen sehr stark verkürzt, also sehr stark gekürzt, weil einfach weniger Energie im Halm bedeutet mehr Energie im Korn.
Wir brauchen nun mal nicht mehr so viel Stroh. Demnach konnten wir es verkürzen. Das ist auch erst seit den 60ern und 70ern so. Gab es auch den, das erzähle ich immer wieder gerne, ich hab es dir schon vorhin mal erzählt, es gibt auch tatsächlich einen Friedensnobelpreis für einen Agrarwissenschaftler, also einen Friedensnobelpreis für seine Arbeit aber. Das war von Norman Borlaug, der eben genau diese Forschung gemacht hat. Er hat den Weizen sozusagen kurz gezüchtet. Er hat auch viel in der Resistenz-Genetik geforscht, hauptsächlich gegen Rost. Und der hat den Weizenertrag um 400 Prozent ungefähr gesteigert in Regionen, wo vorher Hunger war. Also Mexiko zum Beispiel

[38:18] hatte davor ein riesiges Ernährungsproblem, auch in vielen mittelamerikanischen Ländern, auch südamerikanischen Ländern, im asiatischen Bereich.
Man muss auch mal so ein bisschen positive Dinge sagen, wenn man sagt, wir haben Ernährungsprobleme und wir haben ein Klimaproblem und da ist noch mehr Ernährungsproblem und wir haben Flächenverbrauch und wir haben Hochwasser.
Wir haben dies und jenes. Wir haben weniger hungernde Leute heute als vor 50 Jahren.
Es gibt eine positive Entwicklung, die leider, muss man sagen, aber nicht nur an der Agronomik zusagen hängt.
Also ich meine, die größten Produktionsfortschritte weltweit könnten wir vor allem durch politische Dinge erreichen, wo Potenziale noch gar nicht genutzt werden.

Fabian:
[38:59] 400 Prozent ist natürlich auch ein Wert, da werden wir vielleicht später auch nochmal draufkommen, der absurd hoch eigentlich ist, oder? Das dürfte vermutlich unerreicht sein und den Nobelpreis auf jeden Fall auch irgendwie begründen.

Valentin:
[39:13] Ja, es ist absurd, aber es ist wirklich interessant. Aber das sind einzelne Events. Also ich meine, so der normale Züchtungsfortschritt:
Die Züchter rechnen immer ein Prozent ungefähr. Das ist so, was ein bisschen so Faust aufs Auge ganz grob gilt, so ungefähr ein Prozent Ertragsfortschritt.
Aber momentan ist der Fokus gar nicht so stark auf Hochertrag. Also Ertrag ist immer relevant natürlich.

[39:39] Aber der Fokus ist jetzt schon viel stärker auf Ertragsstabilität, also dass sozusagen die Schwankungen des Ertrags über die Jahre nicht so stark sind.
Und es geht vielmehr um eine Resistenz sowohl gegen biotischen, also gegen Pilze, Insekten,
als auch gegen abiotischen Stress, also gegen Wasserknappheit, gegen Salz, gegen dieses und jenes, worauf sich die konventionelle Züchtung momentan mehr fokussiert.
Also ich meine, ein Landwirt hat vor allem ein Interesse auch ökonomisches natürlich,
so ernährt er sich und seine Familie. Und für einen Landwirt sind so stark schwankende Weizenpreise zum Beispiel von einem Jahr zum Nächsten, das ist
für den ein riesiges Problem, weil der hat Kredite und Rechnungen, die muss er auch bedienen. Wenn er jetzt in einem Jahr
nur noch die Hälfte für seinen Weizen bekommt, weil jeder Weizen halt der Weizenpreis total fällt und im nächsten Jahr hat er genau wie alle gleich wenig Weizen,
hat zwar einen hohen Preis, aber wenig Masse, dann ist das schlecht. Wenn du in einem schlechten Jahr im Vergleich zum Rest viel hast, dann ist gut. Deswegen dahin geht
die Forschung und die Züchtung, hoffe ich doch.
Man hat so ein bisschen Einblick, aber man sitzt ja jetzt auch nicht beim Züchter auf dem Stuhl.

Fabian:
[40:45] Was ich finde, was wir vielleicht an der Stelle nochmal kurz betonen müssten, dass ja letztendlich die Methoden, um Dinge abzulesen, sind letztendlich moderne Molekularbiologie,
aber die Methoden der Züchtung sind letztendlich im Prinzip die Klassischen, wie man schon immer Pflanzen gezüchtet hat, oder?

Valentin:
[41:03] Ne, also es gibt kein – wie man schon immer Pflanzen gezüchtet hat.
Also ich meine, auch das ist eine Entwicklung gewesen. Und das kann man auch, also ich meine, in den letzten 100 Jahren ist in der Züchtung ganz viel passiert. Und die Molekularbiologie ist natürlich auch in der Züchtung angekommen.

Forschung Und Züchtung

[41:22] Es gibt von genetischen Markern angefangen, dass man sozusagen ein Korn nimmt, dieses Korn keimen lässt, ein Stück Blatt abschneidet, dieses Blatt dann analysiert und dann eine Schätzung abgibt, wie der Ertrag dieser Weizenpflanze sein wird, wenn sie groß ist. Ein halbes Jahr bevor man sie in der Erde hat und ich die Erde wiegen kann.
Das sind so Dinge. Züchtung ist viel Zeit. Also wenn man schneller ist, ist es gut, weil man hängt sozusagen
der Evolution, die draußen passiert, also in der Natur, also Pilz-Evolution, Insekten, Unkräuter, man hängt ja immer nach, weil ein Züchtungsprozess von einer Weizenpflanze mal gut zehn Jahre dauern kann.
Und dann ist man natürlich sozusagen der Population, die gerade draußen steht, immer hinterher.

[42:07] Wenn man jetzt diese Zeit verkürzt, wäre gut für die Züchter, weil es einfach günstiger ist.
Wäre theoretisch auch gut für den Landwirt, weil seine Saatgutpreise theoretisch sinken würden und es ist aber auch gut für uns alle,
weil eben resistentere Pflanzen für uns bedeuten, wir brauchen weniger Pflanzenschutzmittel, weniger Pestizide. Und ich glaube, ohne jetzt
im Detail in die Debatte einsteigen zu wollen, ob das jetzt alles übel ist oder alles super, keines von beidem.
Aber es ist auf jeden Fall vorteilhaft, wenn wir das nicht da draußen haben, dann ist gut. Vor allem weil das auch ein Tool ist, was so ein bisschen, wie wir schon besprochen hatten, ein bisschen seine Probleme hat einfach von der Wirksamkeit.

Fabian:
[42:45] Worauf ich nur so ein bisschen hinauswollte ist letztendlich: Was ihr nicht macht,
oder vielleicht täusche ich mich da auch, ist sozusagen das aktive Manipulieren einzelner Gene,
in Richtung CRISPR/Cas. Also sozusagen, dass ihr schon ganz viel Diagnostik macht, schon ganz viele Sachen evaluiert und
Daten zusammentragt, aber der aktive Eingriff, das Verändern ist letztendlich immer noch in Anführungszeichen klassische Züchtung.

Valentin:
[43:15] Genau. Wenn man so möchte: die Züchtung basiert so auf einer Mutation, auf einer Kombination und auf einer Selektion.
Insofern klassisch. Für mich macht sich dieser Unterschied einfach nicht so. Also ich sehe das eine als eine bewusste Manipulation
genauso wie das andere. Es sind nur einfach andere Werkzeuge, die man benutzt. Und man muss auch sagen, dass die Werkzeuge, wie jetzt zum Beispiel CRISPR/Cas,
wie du das angesprochen hast, ein relativ neues Tool, mit dem man sehr gezielt Brüche im Chromosom erzeugen kann.
Das ist ein Tool, also das wird in der Züchtung nicht verwendet in Deutschland, global schon. Aber es ist für mich auch einfach ein weiteres Tool, um eine Mutation zum Beispiel zu erzeugen, und
mit dem Vorteil, wenn man sozusagen weiß, an welcher Stelle man eine Mutation möchte, weil man eben schon viel Diagnostik hat …
Ich meine, wo meine Forschung auch stattfindet, ist ja zu sagen welche Genomregion, je nachdem wie fein man das skalieren kann, je nachdem

wie gut die Daten sind, welche Genomregion oder welche Gene sind denn für welche Merkmal überhaupt relevant. Damit man sie dann gezielt züchten kann.
Momentan hat man immer noch den Zufall, dass man sozusagen zwei Pflanzen kreuzt,
hofft, dass das eine Stück vom Genom der einen Pflanze, von dem man weiß, dass es gut ist, und das Stück von einem anderen Chromosom der anderen Pflanze, wo man weiß, dass es gut ist, hoffentlich dann zusammen in einem Nachkommen zu finden sind.
Und deswegen muss man halt einfach das ein paar tausend Mal machen und irgendwann hat man dann einen Zufall und das passt dann so ungefähr.
Es ist noch so ein bisschen, weiß nicht, ganz ganz viel Würfeln. Da hat man Glück und ich sehe eigentlich nicht warum.
Also ich verstehe nicht ganz, warum diese Methoden … So auch bei ganz vielen Leuten so ein ganz,
ich weiß gar nicht, so sehr unangenehme Assoziationen erwecken. Das verstehe ich nicht ganz.

Fabian:
[45:06] Ich glaube, das ist für viele Leute einfach noch einfacher zu ertragen, wenn es der Zufall gemacht hat.
Diese bewusste Manipulation, dieses gezielte an einer Stelle die Entscheidung treffen, das macht letztendlich wissenschaftlich biologisch gesehen
nicht den großen Unterschied. Denn letztendlich hätte der Zufall auch genau an dieser Stelle eine Veränderung in der Art produzieren können.
Ich muss ja nur oft genug probieren theoretisch.

Valentin:
[45:36] Der Witz ist nur, jetzt sozusagen einmal rauszoomen von einem Gen auf das gesamte Genom,
wenn man ein gesamtes Genom mutiert und hofft, dass an der Stelle, wo ich die Mutation haben will, auch eine passiert, dann habe ich aber gleichzeitig an zigtausend anderen Stellen im Genom, die ich jetzt gerade nicht im Fokus habe, Mutationen, die ich eigentlich gar nicht haben möchte, die ich da auch gar nicht sehe.
Weil in so einem großen Zuchtgarten, ich kann so eine Pflanze angucken, kann sagen: Wie groß ist die? Wann blüht die? Wie gut ist sie gegen Frost tolerant?
Wie gut ist sie auf einem trockenen Standort vielleicht noch? Obwohl Trockenstress auch schwierig ist.
Wie resistent ist sie gegen die verschiedenen Pathogene, die auftauchen auf meinem Feld? Und so weiter. Aber ich kann nicht wissen, ob ein Mechanismus da vielleicht kaputt geht, der etwas total subtiles im Hintergrund macht, das ich jetzt nicht sehe.
Das weiß ich einfach nicht. Wenn es nicht ertragswirksam ist, merke ich es nicht.
Und dann nehme ich sowas vielleicht mit. Es gibt ganz tolle Beispiele aus der Züchtungsgeschichte von Verlusten, die man hatte. Hat man nicht gewusst, man wusste nicht, dass es so einen Mechanismus gibt.
Deswegen also ich spreche auch viel über dieses Thema mit Leuten. Wenn du sagst, was du machst, dann kann natürlich auch ein paar: „Was?“ Aber das ist so dieses, um zu verstehen, was eigentlich die konventionelle Züchtung ist.

[46:53] Es heißt ja nicht nur, weil wir es schon so lange machen, dass es grundsätzlich alles super ist und man nichts ändern kann.
Es gibt da ganz viele Richtungen, die interessant werden.
Man sollte sich immer wieder, finde ich, das anschauen, was da rauskommt beim Prozess und nicht nur sozusagen darauf fokussieren, was für Tools werden verwendet. Finde ich in der Situation sinnvoller.

Fabian:
[47:15] Ich könnte mir vorstellen, dass es manchen Leuten vielleicht einfacher fällt einen Fehler zu ertragen, wenn er quasi durch Gottes Hand in Anführungszeichen entsteht und nicht durch die menschliche.

Valentin:
[47:27] Aber die scheuen ja die Verantwortung, oder?

Fabian:
[47:33] Ich versuche nur Erklärungsmuster zu liefern.

Valentin:
[47:34] Ja, ja klar. Es ist auch, ich meine,
man hat immer so ein bisschen so ein Mutanten-Bild vielleicht im Kopf. Ist halt Science-Fiction.
Also ich meine, der Weizen wird nicht irgendwann aufstehen und versuchen die Dorfbevölkerung zu fressen. So das, da lehne ich mich, glaube ich, nicht zu weit aus dem Fenster zu sagen, dass das nicht passiert.

Fabian:
[47:52] Da muss man schon einige Runden CRISPR/Cas fahren, dass das passiert.

Valentin:
[47:55] Also darum geht es ja auch nicht.
Also ich meine, es ist ja auch nicht so, dass es keine berechtigte Kritik an der Gentechnik gibt.
Ich meine, viel der Abneigung der Leute kommt auch daher, dass die Gentechnik im großen Stil,
die man kennt, ist erstes Stichwort Monsanto, zweites Stichwort Bt-Mais und drittes Stichwort Roundup, also Glyphosat. So, das waren so diese Geschichten, die das so global bekannt gemacht haben, und es sind auch die Mechanismen, die global am meisten benutzt werden. Also Roundup Ready ist zum Beispiel einfach eine gentechnische Veränderung,
dass Mais- oder Sojapflanzen oder was auch immer,
Baumwolle zum Beispiel, dass diese Pflanze von Glyphosat nicht abgetötet wird, aber alles andere. Das ist halt ein super einfaches System, alles auf einem Feld umzubringen außer die Pflanze.

Oder Bt ist ein Gen, das kommt eigentlich aus einem Bakterium. Das Bakterium ist gar kein Problem, das kann man sogar im Biolandbau einsetzen als Pflanzenschutzmittel.
Es wurde das Gen sozusagen aus dem Bakterium gepackt, was dieses Toxin herstellt, was das Bakterien zur Abwehr benutzt und hat es in eine Maispflanzen gepackt oder auch in andere Pflanzen, und

die sorgen dafür, wenn ein Insekt ankommt und da bohrt, dann löst dieses Toxine auf und das Insekt stirbt. Es ist ein spezifisches Toxin, das gegen Insekten wirkt.
Aber das sind so Sachen, das ist jetzt nicht, also es lädt nicht so zur Vertrauensseligkeit ein, sag ich mal, sondern es sind eher so, ja, schon auch unangenehme Dinge. Und es gibt nur ein paar Beispiele, wie Golden Rice zum Beispiel, das ging auch durch die Medien, das ist relativ weit bekannt vielleicht, das ist ein Projekt, in Indonesien war das, glaube ich, oder Taiwan. Da ging es darum, dass man Reis mit einem höheren Beta-Carotin Anteil züchtet, um die Gesundheitslage von Leuten zu verbessern, die sich hauptsächlich mit zum Beispiel Reis ernähren, um so dieses Hidden Hunger Symptom so ein bisschen zu reduzieren. Also Hidden Hunger ist ein Schlagwort: Da geht es darum, dass der gesamte Hunger auf der Welt sinkt zwar, aber die Mangelernährung ist immer noch ziemlich hoch.

[49:54] Und das ist eben vor allem, wenn die Leute eben hauptsächlich eine sehr stark Reis- oder Mais- oder Weizen-basierte Ernährung fahren, dann fehlen da einfach verschiedene Dinge. Und das war so ein Ansatz, dass man einfach eine Maispflanze gentechnisch verändert und dann hat die mehr von zum Beispiel
Beta-Carotin, was zur Biosynthese von Vitamin A benutzt wird.
Genau, das wäre so ein Gegenbeispiel, aber ich weiß, ob das so richtig läuft. Aber es gibt ja ganz viele Sachen, die super interessant wären. Ich fühle mich so in Deutschland … man hat so ein bisschen das Problem …

also wir forschen, Grundlagenforschung machen wir ganz viel, was cool ist, aber so auf der Umsetzung zur Angewandten Biologie, also der Landwirtschaft, da hängt man dann so ein bisschen. Also wir wissen zwar ganz viel, eben Modellorganismen und auch in Weizen und auch in Gersten und so weiter, aber wir bringen es nicht aufs Feld, weil wir diese Methoden einfach gar nicht haben. Es bringt mir wenig, zu wissen, okay, diese 100 über das Genom verteilten Gene oder Punkte im Genom
wirken zusammen dafür, dass diese Pflanze jetzt resistent ist und die anderen nicht.
Das bringt mir relativ wenig, das zu wissen, wenn ich es nicht auch dann auf das Feld bringen kann, weil ich dann eine Pflanze habe.
Momentan müsste man das sozusagen aus zig verschiedenen Pflanzen zusammenstückeln,
und immer gucken sozusagen, ist dieses Stück jetzt da, aber das andere auch noch – okay, dann nehme ich die Nächste, kreuze die ein und schaue dann wieder, dass die beiden dableiben und das nächste auch noch dazukommt und so weiter und so fort.
Und deswegen haben wir das auch in der Resistenzgenetik.

[51:16] ich meine, das ist ja auch ein Feld, was schon seit wir Landschaft betreiben eigentlich beackert wird,
die Resistenzgenetik. Also ich meine, es bleiben schlicht die Pflanzen übrig erst einmal, die resistent sind,
und dann in höheren Anteilen, wenn man so ein Feld erntet und dann wieder aussäht, dann sind die Pflanzen, die man geerntet hat, die waren die, die überlebt haben. Das sind eher so passive Züchtungsmechanismen, würde ich mal sagen, bis hin zu …
Wir untersuchen jetzt momentan so in meinem Projekt oder unserem Projekt oder
ein Projekt, auf deren Daten ich arbeite, muss man dazusagen. Also in Gatersleben ist die Genbank, die deutsche, und

[51:48] da haben wir, ich weiß gar nicht wie viele tausend Sorten von Weizen, verschiedene Weizensorten, Wildformen und
Landrassen, also das, was man früher so angebaut hat. Sozusagen keine uniformen Populationen, sondern so Mischungen und davon wurden in dem Projekt, ich glaube, 8000 insgesamt ausgesät,
wurden in der Anlage untersucht darauf, wie sie mit Pilzen interagieren und mit diesen Daten können wir jetzt
sozusagen relativ gut dann den Weizen angucken und sagen, welche Regionen sind dann da relevant. Und eben von diesem sehr passiven Mechanismen bis jetzt sozusagen, diese ganze Spanne war Resistenzmechanismen immer wichtig und sehr lange Zeit waren sie super wichtig, weil wir einfach keine Fungizide hatten.
Also was da nicht überlebt hat, hat halt nicht überlebt.
Ganz schlicht. Es ist sehr viel relevanter, als sich die Leute es vorstellen können, weil wir keine großen Hungerepidemien mehr hatten, schon ziemlich lange nicht.

Fabian:
[52:39] Und hoffen, dass das auch erst mal so bleiben soll.

Valentin:
[52:41] Auf jeden Fall. Auf jeden Fall, natürlich. Also ich meine, darum geht es.

Fabian:
[52:45] Ich glaube, wir sind an einem Punkt, wo wir mal ganz gut ein bisschen konkret in das reinsteigen können, was du gemacht hast.
Letztendlich ist ja so ein Genom, also die Gesamtheit der genetischen Informationen ja riesengroß und du hast ja schon gesagt, 6000 verschiedene Sorten … Wenn man da jetzt quasi die sechs Milliarden Basenpaare,
also 6 Millionen genetische Buchstaben, die so ein Weizen mit sich bringt, mal 6000 verschiedene Sorten untersucht und dann guckt, wie hat welcher auf welchen Pilz wie reagiert. Wie kann man diesen riesigen Datenwald, dieses gigantische Ungetüm an Information reduzieren, sodass es überhaupt verdaulich wird?

 

Genforschung

Valentin:
[53:33] Also erst einmal dadurch, dass wir nicht das gesamte Genom sequenzieren, also bei den allerwenigsten, weil A – es super teuer ist –
besonders für so eine große Population, zunehmend billiger, aber es ist noch relativ teuer.
So vor 20 Jahren vielleicht war die Vorstellung ein gesamtes Genom zu sequenzieren einfach krass. Also 2000 so „Human Genome Project“, das war ein wichtiges Ding so, das war international riesig.
Zu dieser Zeit hat man Mechanismen verwendet oder Tools verwendet, das
sind eben genetische Marker. Also man hat einzelne Stücke des Genoms untersucht und sich sozusagen den Status dieses Stückchens gemerkt. Dann ist man ein paar tausend Basenpaare weitergegangen, hat sich wieder einen Punkt gesucht und hat sich wieder ein Stückchen davon gemerkt. Und wenn diese beiden Stückchen in einem Genotyp also einen gewissen Status haben und in anderen Genotypen einen anderen Status,
dann kann ich herausfinden, wenn ich die Population untersuche, ob zwischen diesen beiden Positionen im Genom, diesen beiden Markern, und dazwischen Crossing Over stattgefunden hat.
Das ist einfach dadurch, wenn ein Elter, habe ich diese beiden, sind, sage ich jetzt einfach mal, ein A. Und in einem anderen Elter sind diese beiden B. Und wenn jetzt bei einem Kind da ein AB ist,
dann weiß ich, okay interessant, da dazwischen scheint ein Crossing Over stattgefunden zu haben. Das heißt also, ein Teil dieses anderen Genoms ist da. Ich assoziiere sozusagen ein Teil des Genoms mit einem kleinen Stück, was sozusagen räumlich
da stellvertretend steht an diesem Punkt, eben weil der Datenwald, wie du es gesagt hast, so riesig ist.
Es ist einfach sehr groß. Also ein Weizengenom ist schlicht sehr groß, größer als das menschliche Genom. Es sind eben auch drei.

Fabian:
[55:16] Also ich glaube an der Stelle, das ist super wichtig, damit man versteht, was du getan hast, würde ich nochmal ein bisschen versuchen aufzudröseln.
Du hast sozusagen dir diese lange Kette angeguckt und gesagt: „Okay.
Viel zu viele Einzelkomponenten. Ich kann nicht jeden einzelnen Buchstaben überhaupt untersuchen“ – Und dann Regionen ausgesucht und denen verschiedene Zustände definiert.

Valentin:
[55:41] Das nennt sich „SNP“, also ein single nucleotide polymorphism. Das heißt, es gibt ganz verschiedene Arten und Weise, wie man SNP-Daten erstellen kann. Es gibt zum Beispiel eine Möglichkeit, indem man auf so einem Chip, das sind so kleine vielleicht zu fünf bis zehn Zentimeter lange kleine Platten, und auf die schweißt man sozusagen ganz kleine DNA-Stückchen

SNP – Single Nucleotide Polymorphism

[56:01] in so kleinen Quadraten und die passen zu Stücken in der DNA. Und an diesen Hängen auch so, wie so ein kleiner Leuchtmechanismus, wenn quasi da eine Bindung stattfindet an diesen kleinen DNA-Stückchen, dann leuchtet das. Also es leuchtet tatsächlich.
Und wenn man jetzt diese kleinen kurzen DNA-Stücken, die sind nur so 20 Basen lang, wenn innerhalb dieses kleinen Stückchens eine Mutation stattgefunden hat, dann bindet es nicht mehr, dann habe ich kein Licht. Und so kann ich an-aus identifizieren.
Also ist diese Mutation, ist die da oder nicht? Und dann ist die Frage: Ist es irgendwie relevant?
Also es muss nicht einmal eine Mutation einem Gen sein. Wenn die Mutation nahe an einem Gen liegt, dann habe ich auch einen sehr guten und dann weiß ich schon mal, um welche Region geht es eigentlich, um welches Chromosom geht es, um welchen Arm davon geht es. Ist es ganz am Ende oder ganz in der Mitte? Oder wo liegt es überhaupt? Und dann kann man sich diese Region noch einmal näher angucken und sagen: „Ah okay, dann schauen wir uns mal dieses Stückchen an, weil dann scheint da etwas zu sein, was irgendwie interessant ist oder potenziell interessant ist.
Und das macht man im Endeffekt dadurch, dass man eben die Phänotypen hat,
also wie krank, wie gesund war diese Pflanze, wenn sie auf einen Pilz trifft.
Und ich habe in meinem Fall jetzt über das ganze Genom verteilt ungefähr 17000 Marker, also 17 000 Punkte im Genom, wo ich weiß, wie ist denn da der Status, und assoziierte jetzt den Effekt von jedem Marker zum Phänotyp. Also ich sag, ich habe,
sagen wir mal, 6000 Genotypen an Markerpositionen 1: Welche davon haben dann die Nummer A oder die Nummer B von in dieser Population? Dann trenne ich die in zwei Gruppen.
Und dann sage ich: Okay, wie wahrscheinlich ist es denn, dass diese beiden Gruppen eher zu einer Gruppe gehören oder zu zwei verschiedenen Gruppen? So, dass ist dann einfach Statistik und damit bekomme ich dann am Ende einen P-Wert rausgeschmissen:
Wie stark weichen diese Gruppen voneinander ab?

[57:55] Und wenn diese P-Werte sehr niedrig sind, dann weiß ich, okay, da ist ein starker Effekt. Und es kann natürlich immer noch ein Artefakt sein. Es sind Assoziation.

[58:04] Wie ich vorhin gesagt habe, man kann alles korrelieren. Also da gibt es die witzigsten Sachen, was alles nicht miteinander korrelieren kann. Die Frage ist immer: Hat es dann im Endeffekt auch einen biologischen Effekt? Und dafür muss man sich das dann nochmal näher anschauen.
Aber es ist jetzt sozusagen mal ein Screen. Der Witz an der Sache ist, an dem Projekt, dass die Population einfach riesig ist.
Meist werden solche Studien von 100, vielleicht mal 1000 oder so Genotypen gemacht. Und es ist einfach, wird am Ende fast die gesamte Kollektion in der Genbank sein. Und dann hat man mal einen Überblick,
sage ich mal. Dann kann man ganz ganz viel wieder in die Details gehen, aber das ist dann nicht mehr bei uns,
also vielleicht noch im Institut. Und da geht es dann ans Gene klonieren, um die Frage: Was passiert wenn ich dieses Gen, wenn man eins hat,
was passiert, wenn man das ausmacht? Also dieses Gen zum Beispiel gezielt mit CRISPR/Cas adressieren, indem man sagt: Ich mache das kaputt, also ich mache da einen Bruch. Dann wird dieser Bruch repariert von Mechanismen, die in jeder Zelle eigentlich stehen, weil sowas ständig vorkommt, und wird repariert und beim Reparieren passieren Fehler.
Und wenn dieser Fehler groß genug ist, dann kann das dazu führen, dass dieses Protein, was ja einfach nur eine Aneinanderkettung von Aminosäuren, die Aufeinanderkettung von Basenpaaren,
dass die unterbrochen wird und irgendein Unsinn rauskommt, der kein Protein mehr ist oder nicht mehr richtig funktioniert. Und dann ist dieses Gen aus, nennt man auch Knock-Out. Dann kann man sehen, es wachsen die Wurzeln plötzlich nach oben, spannend. Was ist passiert?

[59:28] Man hat den Mechanismus, der den Gravitavismus lenkt, bei Wurzeln zum Beispiel ausgemacht. Dann wissen die Wurzeln nicht mehr, wo es nach oben und nach unten geht. Und dann weiß man, das Gen hat dafür gesorgt, dass die Pflanze weiß, wo oben und unten ist. So ist der Gedanke dahinter.

Fabian:

[59:41] Ich würde nochmal ganz kurz einen Schritt zurück machen zu den SNPs. Du hattest gesagt, wie viele davon? 17 000?
Valentin:
[59:46] Ungefähr 17 000, je nachdem, wie man es sieht.
Fabian:
[59:48] Der SNP muss ja lange genug sein, damit er einzigartig ist.

Valentin:

[59:52] Ne, der SNP ist eine Base. Dieses Stückchen, was man sozusagen drumrum legt … also mein Marker-Mechanismus funktioniert nochmal ein bisschen anders, aber relativ ähnlich. Dieses Stückchen, diese zwanzig die man so nimmt – die nennt man auch Primer, der Begriff kommt eigentlich woanders her, aber ist egal – aber diese kurzen Stückchen …
Es geht um die Bindung. Wenn diese eine Base diesmal verändert ankommt, also single nucleotide polymorphism, also ein Nukleotid und ein Unterschied sozusagen, Polymorphismus. Es geht um eine Base in diesem Stück. Diese Stücke müssen relativ spezifisch dann sein.

Fabian:
[1:00:24] Genau. Also der Primer, den ich auf diesen Chip schweiße, der ist
so lange, dass ich ihnen eindeutig einer Stelle im Genom zuordnen kann und dafür aber so kurz, dass es möglichst leicht zu händeln ist. Und ich gucke mir aber in diesem Abschnitt dann immer nur einen einzelnen Buchstaben, quasi ein Nukleotid an.

Valentin:

[1:00:43] Es ist nicht so, dass man zufällige Basenpaare darauf schweißt und dann mal gucken, was passiert so ungefähr, sondern die werden sehr aufwendig designed. Das sind eigene Firmen, die das machen und Arbeitsgruppen.
Das ist bei uns, also wir kaufen zu in den allermeisten Fällen. Das heißt, wir beauftragen die, wir schicken da DNA hin
und dann haben die sozusagen Chips auch designed, wo klar ist, dass diese Base, die Polymorphismus ist, dass dieses Stückchen eindeutig ist, ja, dass man es zuordnen kann.

Fabian:
[1:01:07] Aber kann die Firma denn dafür garantieren, dass das bei all deinen 6000 Sorten diesen Abschnitt überhaupt gibt?

Fabian:
[1:01:23] Das wäre ja dann sozusagen eine dritte Ergebnis Möglichkeit, weder A noch B, sondern im Prinzip: Es gibt diesen Bereich einfach gar nicht.
Valentin:
[1:01:29] Also ich meine, an sich haben wir vier Basen. An sich ist es nicht nur ein binärer System.
Meistens schrumpft es aber aus verschiedenen Gründen auf ein binäres System runter, auch weil es meistens nur zwei verschiedene Arten sind. Es ist nicht so häufig, dass drei oder vier verschiedene Möglichkeiten für diesen einen SNP gibt.
Aber klar, die Firma garantiert da für nichts.
Bei uns ist das ein anderes System, das sind GBS, also Genotyping by Sequencing.

[1:01:57] Das funktioniert ein bisschen anders. Das ist ein sequenziert-basierter Ansatz. Das heißt, dass man ebenso
ein bisschen Shotgun mäßig das Genom in kurze Stücke zerlegt und es sich dann anguckt. Und dann gibt es ganze Arbeitsgruppen, die dann schöne Algorithmen schreiben, um zu identifizieren, welche Stücke überhaupt Sinn machen,
welche Stücke zu viele Fehler haben oder irgendwie komisch sind oder … Und so weiter und so fort.
Das was wir im Prinzip in der Arbeitsgruppe bekommen, das sind dann 2 Millionen Marker, die übrig sind.
Und diese Gesamtmatrix aber, also quasi Marker zu Genotyp, diese Gesamtmatrix, da fehlen ungefähr 90 Prozent der Werte.
Dann muss man diese Matrix weiter verkleinern und schauen, ab wann hab ich denn genug Dichte überhaupt, um eine vernünftige Aussage zu treffen. Es bringt mir ja nichts, wenn ich für einen Marker nur 50 Genotypen habe und deren Verhalten dann mit einem Marker vergleiche, für den ich in allen 6000 Genotypen einen Marker habe.
Das ist, also da vergleicht man Äpfel mit Birnen. Das macht ja keinen Sinn.
Deswegen ist es so ein bisschen, ja, es ist ein interessantes Feld. Man kann da auch ganz viel rumspielen mit vielen informatischen Methoden. Also wie viel Varianz kann man importieren? Kann man dies oder jenes?
Kann man mit lückenhaften Matrizen arbeiten?
Das ist auch eine eigene Geschichte. Das machen dann die Mathematiker bei uns. Das ist auch interessant.

[1:03:13] Das ist so ein bisschen das, was von dieser Genotypen-Seite kommt. Und sozusagen ein Markerprofil von einer Sorte, wenn man will oder einer Akzession – wir sprechen von Akzession – ist sozusagen dann in meinem Fall sein Genotyp, die Information, die ich über sein Genom habe.

Fabian:
[1:03:29] Genau. Was du nämlich nicht sagen kannst, ist im Prinzip, wie es eigentlich um die Gene, die codierenden Gene in der Pflanze steht, oder? Also im Prinzip hast du ja diese 17000 Regionen,
also das Genom wahrscheinlich möglichst, halbwegs gleichmäßig aufgeteilt in einzelne Regionen.
Und du kannst letztendlich sagen, eine Veränderung in einer bestimmten Region ist mit irgendetwas assoziiert,
aber welches Gen in dieser Region, die ja gewaltig groß sind, ich meine, 6 Milliarden durch 17 000 ist immer noch eine Menge.
Was jetzt in dieser Region dafür verantwortlich ist, kannst du eigentlich nicht sicher sagen, oder?

Valentin:
[1:04:02] Nein. Also wir haben auch noch ein bisschen Zeit, aber das kann man noch nicht genau sagen mit diesen Daten. Also wir haben verschiedene andere Marker-Systeme, die unterschiedliche Vor- und Nachteile haben.
Wir haben auch für ein Subset von diesen Genotypen komplette Sequenzen. Und die Aufgabe wird jetzt sein,
diese Regionen, die man infiziert hat, abzugleichen mit Datenbanken, die es schon gibt zu zum Beispiel …

Es gibt einen Referenz-Genom, das komplett sequenziert ist und auch annotiert, also wenn man das gesamte Genom untersucht hat bio-informatisch und geguckt hat: Was ist denn wahrscheinlichen ein Gen? Gene haben gewisse Eigenschaften. Also Gene brauchen Promotor, Gene brauchen brauchen Stopcodon, Gene haben verschiedene Domänen, die man kennt, die gewisse Eigenschaften haben und die kann man erkennen.

Fabian:
[1:04:50] So Ablese-Angaben.

Valentin:
[1:04:51] Genau. Es ist einfach, ein Gen hat gewisse Eigenschaften. Man kann mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit solche Gene vorhersagen und dann kann man, ohne dass man eigene Daten erheben muss, in diese Datenbanken gehen und sagen: Okay. Was hat dann das Referenz-Genom an dieser Stelle? Was ist denn da drum herum? Und dann kann man schon mal sehen: Ah, interessant, in diesem Abschnitt liegen 20 Gene, sage ich jetzt mal. Davon sind ein Paar schon bekannt, die machen irgendwelches Zeug, was ganz etwas anderes ist. Die kann man dann erst einmal zur Seite legen, also nicht wegtun, vielleicht ist es trotzdem noch relevant, aber zur Seite legen. Und dann gibt es schon bekannte Sequenz-Muster, die man schon erforscht hat und weiß, wie sie und warum sie wirken.
Also eben bei der Erkennung von Pathogenen zum Beispiel gibt es Gene, die machen wie so kleine Sensoren. Das sind quasi Strukturen, an die Teile von pilzlichen Erregern andocken können. Und wenn da ein Teil andockt, dann geben die ein Signal und dieses Signal wird von einem anderen Protein aufgenommen und wird weiterverarbeitet, kombiniert und so weiter, und schaltet dann irgendwann andere Gene an, die dann eine Verteidigung der Pflanze initiieren.

Fabian:
[1:05:55] Damit quasi der Weizen erst einmal weiß: Oh, hier ist ein Pilz.

Valentin:
[1:05:57] Genau. Und diese Regionen, wie zum Beispiel ein Sensor ausschaut, das weiß man. So kann man halt Sachen finden, bei denen man schon einigermaßen weiß, der Mechanismus ist jetzt nichts komplett Neues. Und dann gibt es auch wohl Gene, die nicht bekannt sind oder die nicht annotiert sind, und das wäre dann auch interessant.
Oder man findet einfach gar nichts und es war eindach ein falsch Positiver, der aufgrund, sagen wir, Schiefe in den Daten dazu geführt hat, zu glauben, dass es eine wichtige Region ist, aber ist es vielleicht gar nicht.

Fabian:
[1:06:22] Zufallsergebnis am Ende.

Valentin:
[1:06:25] Genauso. Es ist einfach, die Wahrscheinlichkeit für falsch Positive gibt es halt einfach. Damit muss man leben.

Fabian:
[1:06:31] Okay. Um es nochmal ganz kurz so grob zusammenzukehren.
Du hast eine Menge von 6000 verschiedenen Weizensorten untersucht,
deren Genom in ungefähr 17 000 Regionen zerschnitten und für jedes sozusagen einen Markerpunkt gesetzt, um zu gucken, ist in dieser Region irgendwas verändert, und dann
quasi den Weizen nicht nur genetisch untersucht, sondern auch tatsächlich im Feld beobachtet, welche kriegen jetzt besonders starken Mehltaubefall und welche bekommen keinen Mehltaubefall.
Wie hast du denn überhaupt unterschieden zwischen viel Mehltau und wenig Mehltau? Ich meine, es gibt ja keine SI-Einheit für Mehltaubefall.

Valentin:
[1:07:15] Leider nicht. Das wäre jetzt echt mal ein Ding. Ich wäre auch für eine DIN-Norm.
In dem Fall ist der Datensatz, sind keine Daten, sondern das ist eine Anlage, nennt sich Makrobot.

Beforschung Von Mehltaubefall

[1:07:28] Das ist eine halbautomatische Sequenzier-Anlage, wenn man will, und ermöglicht eben einen sehr hohen Durchsatz, weil die Population sehr groß ist.
Und der Witz an dieser Anlage ist, dass man ein Pilzisolat nimmt,
das in einer mehr oder weniger kontrollierten Umgebung hat und sehr hohe Datenmengen generieren kann. Das im Feld ist schwierig. Also gerade bei uns der Standort, wenn kein Mehltau kommt, kannst du keinen editieren. Ganz einfach. Es gibt einfach Jahre, Mehltau mag es nicht, wenn es so heiß wird. Und da gibt es dann andere Pilze, die fressen ihm dann alles weg, weil Mehltau ist so ein bisschen speziell in seiner Ernährung, also kurz pathogenen Einschub.
Es gibt sozusagen zwei so Grundformen bei pilzlichen Pathogenen: Es gibt die Biotrophen und die Nekrotrophen.
Biotrophe Pathogene – obligat-biotrophe Pathogene – die töten ihren Wirt nicht, sondern die leben wie ein Parasit sozusagen in ihm. Oder nicht nur wie ein Parasit, sie sind quasi Parasiten. Parasiten wollen ja nicht grundsätzlich töten, sondern sie wollen erst einmal von ihm leben.
Ein nekrotropher Pilz, der schüttet Gifte aus, tötet die Zellen und frisst dann die toten Zellen. Und ein obligat-biotropher Pathogen, der ist so ein bisschen sneaky, also der geht sozusagen in die Zellzwischenräume, der durchdringt noch nicht einmal die Membran.
Also der geht nicht einmal richtig in die Zelle, sondern der schafft so Einstülpungen
und schafft dann eine Interaktionssphere zwischen dem Pilz, dem pilzlichen Mezel und der Zellmembran, und triggert sozusagen die Pflanze, schickt ihr Signale: Gib mir Zucker, gib mir Aminosäuren. Und dann produziert die Pflanze das, weil sie meint, das Signal kommt von ihr und irgendjemand, eine
Nachbarzellen will da was.

Fabian:
[1:09:08] Der Pilz tarnt sich und tut so als wäre er irgendwie Bestandteil der Pflanze.

Valentin:
[1:09:12] Genau. Deswegen es sind sehr unterschiedliche Konzepte. Und wenn jetzt eben so ein Pilz in eine Trockenphase kommt,
Pilze mögen so richtig trocken und heiß nicht so.
Und die Pflanze leidet, dann leidet der Pilz mit. Und dann kommen die Nekrotrophen,
weil die nämlich, wenn die Pflanze leidet, leiden die nicht mit, sondern sie freuen sich. Und dann fangen die nekrotrophen Pilze an, alles zu fressen, und die Pilze, die weniger trocken oder mit Hitze starke Probleme haben, und dann kann man den Mehltau auch nicht messen. Deswegen ist diese Anlage eben von Vorteil, weil klar es ist nicht im Feld,
aber man kann da einen Eindruck gewinnen: Okay. Findet diese Interaktion statt oder nicht?
Wenn du eine Pilzspore definiert auf ein Blatt bringst, dann ist, wenn die Pflanze grundsätzlich genetisch in der Lage ist, das abzuwehren, dann wird sie nicht krank sein. Und gemessen wird es dadurch, dass man ein Bild macht. Also wir machen verschiedene Fotos und dann gibt es eine Bildauswertungssoftware, die dann sozusagen die Pixel misst und sagt: Okay. Ist das eher ein Pilz? Ist es eher ein Blatt? Ist das eher Hintergrund? Was ist das? Und dann gibt es am Ende einen Prozentwert aus und
mit diesem Prozentwert arbeite ist dann weiter. Also es geht um eine quantitative Resistenz. Unterschied ist, dass quantitative Resistenzen in Unterschied zur qualitativen Resistenz, qualitativ ist binär. Also es gibt entweder krank oder gesund. Quantitativ ist ein Kontinuum, also eben von 0 Prozent zu 100 Prozent und alles dazwischen. Das ist einfach eine unterschiedliche konzeptionelle Betrachtungsweise. Genau, damit arbeite ich dann weiter.

Fabian:
[1:10:41] Und du hast auch kein Offset genommen, dass du sagst, alles oberhalb 50 Prozent ist krank und unterhalb ist von 50, sondern tatsächlich sozusagen mit den Prozentwerten gearbeitet?

Valentin:
[1:10:51] Man kann da viel rumspielen. Ich habe da auch viel rumgespielt. Du kannst halt verschiedene Kategorien einsortieren, kannst sagen, welche waren zum Beispiel immer gesund oder immer krank, und nochmal die angucken. Aber Grundsätzlich arbeite ich mit dem gesamten Bereich. Ich habe nicht nur verschiedene Kategorien. Das ist im Feld, in der Feldbonitur
das sind ja Menschen, die das machen, die können ja jetzt keine verlässlichen Prozentwerte an Befall so richtig ausdrücken.
Ich meine Leute, die Pilze bonitieren, das ist richtig schwer zum Teil. Zum Teil auch schwer auseinanderzuhalten. Mehltau geht noch einigermaßen einfach, aber jetzt zu sagen, das sind so verschiedene Schwierigkeits- oder Schweregrade sozusagen, jetzt zu unterscheiden, das ist jetzt eine drei oder ist das eine vier.
Das ist so ein bisschen, ja … Es hängt auch immer ein bisschen von der Person ab, hängt aber auch von verschiedenen anderen Faktoren ab.
Und in so einem Setup fällt man so ein Gewächshaus macht, aber immerhin hofft man, dass es sozusagen für alle gleich ist.
Und dann kann man mit verschiedenen Datensätzen aus dem Feld die korrelieren und gucken: Okay. Wie gut passen sie denn zusammen?
Misst man da ähnliche Sachen oder misst man etwas völlig anderes?
Genau. Und an sich, was spannend ist, dass man die Komplexität des Pathogen so ein bisschen reduziert, weil Pathogene ja nicht, also selbst Mehltau,
nehmen wir mal nur einen Pilz im Erreger sozusagen aus den vielen, die sozusagen gleichzeitig auf so eine Pflanze einwirken.
Nehmen wir nur mal den einen raus, das ist eigentlich eine Population aus ganz vielen verschiedenen Genotypen dieses Pilzes, also eine sehr hohe Komplexität.
Wir nehmen sozusagen ein Isolat daraus und untersuchen jetzt ein sehr aggressives Isolat und schauen uns jetzt sozusagen diese Antwort
der ganzen Pflanzen gegen dieses eine Isolat, weil eine Population an Pathogenen in einem Feld,
das ändert sich: Jährliche Schwankungen. Da fliegt etwas zu, da fliegt etwas weg. Man kann sozusagen zwei Jahre auf dem gleichen Feld die gleiche Pflanze,
selbst wenn das Wetter und alles andere gleich wäre, es unterscheidet sich immer noch die Pathogenpopulation. Deswegen ist die Antwort sozusagen
nicht immer so gut vergleichbar, deswegen braucht man sehr viele Jahre und sehr viele Standorte, also Wiederholungen und das ist teuer.

Fabian:
[1:13:05] Und die Prozent-Fläche des Befalls, die wird im Prinzip dann durch einen Computer ausgemessen?

Valentin:
[1:13:12] Genau. Das ist eine Bildanalyse-Software. Das ist quasi eine Kollaboration von verschiedenen Arbeitsgruppen.
In meiner Arbeitsgruppe ist quasi die Verwaltung sozusagen, die Logistik und die Koordination angesiedelt beim
Postdoc bei uns. Genau. Und in der anderen Arbeitsgruppe steht diese Anlage, die bewerten diese phänotypischen Daten.
Da ist auch eine TA, die hat die Software geschrieben. Dann gibt es eine andere Arbeitsgruppe, die machen die Marker-Daten.
Dann gibt es eine Arbeitsgruppe, die machen sozusagen die Analyse dieser Marker-Daten. Also es ist sehr …

Fabian:
[1:13:44] An dem Projekt sind viele Menschen beteiligt.

Valentin:
[1:13:46] Genau. Es ist die Frage: Wie kann man die Genbank oder Akzessionen die in der Genbank sind, besser der Züchtung zugänglich machen?
Und der Gedanke dahinter ist, dass man mehr Informationen schafft. Also „mehr“ sowohl mit „h“ als auch ohne.
Aber dass man viele Informationen schafft, die dann Züchter dazu auch motivieren können, dass man diese Sorten nimmt.
Weil ich weiß nicht, wie viele tausende es sind, zufällig welche herauszupicken und dann zu gucken, wie die ausschauen, diese Arbeit übernehmen wir jetzt sozusagen.

Fabian:
[1:14:19] Und am Ende bringst du einfach die Daten aus der Bildanalyse-Software und aus deiner Marker-Analyse zusammen und weißt dann im Prinzip, welche Regionen zum Beispiel
mit einer besonders niedrigen Ausprägung von Mehltaubefall assoziiert sind. Und dann kann man sich diese Regionen genauer anschauen und guckt dann, welche Gene da möglicherweise, typischerweise irgendetwas mit Pilz-Abwehr zu tun haben könnten,
von den Mustern her Pi mal Daumen erstmal abschätzen und dann kann man daraus einzelne Gene selektieren und dann die später in gezielten Experimenten zum Beispiel
ausschalten, um zu gucken, wird dann die Pflanze komplett von Mehltau überwuchert. Dann hab ich den Beweis, dass dieses Gen sicherlich irgendwie damit zu tun hat, den Mehltau abzuwehren, erbracht. Was ich mich gerade nur gefragt habe … Du sagtest ja, du nimmst quasi eine einzelne Variante des Mehltaus, wo quasi gezielt eine Spore auf jede Pflanze aufgebracht wird oder …

Valentin:
[1:15:15] Also mehr als eine Spur natürlich, aber ein Genotyp.

Fabian:
[1:15:16] Mehr als eine Spore, aber sozusagen einmal eine Variante. Bei der menschlichen Behandlung von Infektionskrankheiten gibt es so das
etwas gefürchtete Krankheitsbild der Pseudomembranösen Kolitis, also
einer Darmentzündung, wo so kleine Pseudomembranen im Darm sich ausbilden. Sieht ganz furchtbar aus und der Mechanismus, der quasi dahinter steckt, ist: Man gibt Antibiotika
gegen eine ganz andere Infektion wie Lungenentzündung, was weiß ich, und das betrifft ja auch immer automatisch die mikrobielle Besiedlung des Darms. Und bei denen gibt es quasi so ein natürliches Konkurrenzverhalten, was verhindert, dass einzelne Vertreter komplett überwuchern. Und das Antibiotikum, was vielleicht die Lungenentzündung wunderbar ausheilen lässt,
führt jetzt dazu, dass diese natürliche Balance komplett aus dem Ruder gerät und das Clostridium difficile, was auch im Darm wohnt und eigentlich sonst keine großen Probleme macht, plötzlich alles andere überwuchert. Das heißt ein Antibiotikum, was gegen andere Erreger ganz toll wirkt, führt dann dazu, dass am Ende der Darm völlig verseucht ist mit Clostridium difficile.
Wenn ich das jetzt mal übertrage auf Weizen und Pilze: Vielleicht schützt ja der Mehltau, wenn er die Pflanze jetzt nicht komplett überwuchert, sondern sozusagen in geringen Dosen überall mal ein bisschen rum schwebt, davor, dass sich andere Pilze, die vielleicht Mehltau nicht so gut vertragen, ausbreiten, die dann aber wiederum, wenn der Mehltau erst einmal Platz gemacht hat,
sozusagen die Ärmel hochkrempeln und sagen: „Jetzt mach ich hier aber mal das Feld so richtig kaputt.“ Besteht da nicht das Risiko?

Valentin:
[1:17:02] Lustige Frage. Grundsätzlich würde ich sagen, also grundsätzlich gibt es diese Geschichten, wenn man mit Fungiziden arbeitet.
Also es gibt auf so einer pflanzlichen Oberfläche, es gibt manche Symbionten, die da leben, die tatsächlich auch genau diese Funktion haben.
Es gibt auch pilzliche Symbionten vielleicht an der Wurzel, die sind vielleicht auch ein bisschen bekannter, aber es gibt auch welche tatsächlich auf den Blättern. Diese schädigt man vor allem auch
eben durch Fungizide-Einsatz, schädigt man die mit zu gewissen Teilen. Verschiedene Fungizide schädigen verschieden viel. Und ich glaube, der Mehltau als Abwehr der Weizenpflanze,
ich glaube, dafür ist er zu teuer, weil Mehltau, wie gesagt, der verbreitet sich sehr schnell aus und wenn er da ist und Bedingungen hat, die ihm gefallen, dann
ist da nicht mehr viel dann am Ende übrig, was er geschützt hätte, so ungefähr.
Aber es gibt nichts, was es nicht gibt. Also das kann man auf jeden Fall sagen, dass man ein Gen hoch reguliert zum Beispiel, und dass ein Mechanismus irgendwie konterkariert, der andere pilzliche Erreger abwehren würde. Klar, sowas ist immer möglich.
Also ich meine, das ist ein sehr sehr komplexes System. Da kann ganz viel passieren, außer, dass er nachts kommt und das Dorf überfällt.

Fabian:
[1:18:17] Also letztendlich, selbst wenn man die nächste Stufe schon absolviert hat und dann wirklich einzelne Gene identifiziert hat, die den Mehltau möglicherweise sicher schädigen,
dann muss man sozusagen immer noch eine Stufe weitergehen und schauen, was dann der gezüchtete Weizen, den wir spezifisch mit diesem Gen ausgestattet haben, denn auch tatsächlich praxistauglich.
Also man darf dann sozusagen diesen Schluss nicht schon weiter treiben, sondern muss dann noch eine Experimental-Ebene obendrauf setzen und das nochmal gegenprüfen.

Valentin:
[1:18:38] Klar, natürlich. Also ich meine, wie ein ehemaliger Kollege gesagt hat, die Wahrheit liegt auf dem Feld und da hat er einfach recht.
Im Endeffekt geht es darum, wie diese Genotypen, das ist auch das, was wir am Anfang hatten,
also im Endeffekt geht es darum: Wie läuft es auf dem Feld besser als vorher?
Es bringt mir nichts, wenn ich einen Genotyp habe, der sollte theoretisch total resistent sein,
macht im Feld aber gar nichts. Ja also eben stirbt da an irgendwas.
Es bringt nichts. Das ist jetzt sozusagen Arbeit vor der eigentlichen Züchtung und die Züchtung ist ja dann an ganz vielen verschiedenen Standorten und da wird auch viel getestet.
Das Bundessortenamt macht einen sehr intensiven Test mit jeder neu zugelassenen Sorte.
Sie müssen beweisen, dass sie besser sind als schon zugelassene Sorten und zwar eben in Bedingungen, die sozusagen das Bundessortenamt definiert für alle. Ist klar, geht es in diese Richtung.
Es ist nicht so, dass ich jetzt sage: „Okay, wenn die Weizenpflanze bei dir jetzt dieses SNP hat, dann musst du dir um Fungizide nie wieder Sorgen machen.“ Das ist nicht der Punkt,
sondern es ist so ein gradueller sich Herantasten an diesen Mechanismus. Und auch da gibt es ja, also Resistenzmechanismen gibt es ganz verschiedenartige und je nachdem an welchem man arbeitet, sind die Wirkmechanismen andere.
Also es gibt zum Beispiel das, was man am Anfang hat, diese grundsätzliche Erkennung eines Pathogens und diese Signalkaskade …

Ich meine, die Pilze haben im Laufe ihrer Evolution auch spitz gekriegt, dass solche Mechanismen funktionieren und haben ihrerseits wiederum Mechanismen entwickelt, um da drumherum zu kommen,
sonst könnte so ein Mehltau nicht so eng mit einer Weizenpflanze zusammenleben. Das ginge ja halt einfach nicht. Deswegen hat der
maskierende Proteine, die sich um gewisse Strukturelemente clustern, damit man die nicht mehr erkennt. Oder sie haben Proteine, die Teil dieses Signalkaskade blockieren. Also es gibt ganz verschiedene Arten und Weises, was da wirken kann, und deswegen ist es nicht so ganz trivial, zu sagen: „Okay, dieses Gen hat da jetzt bestimmt überhaupt keinen Einfluss und dieses Gen schon.“ Man weiß es nicht. Es ist da noch viel zu tun. Deswegen muss man das in ganz vielen verschiedenen Sparten sehen.

Fabian:
[1:20:57] Die Interaktion ist wahnsinnig komplex und man dreht so an einzelnen kleinen Stellrädern und guckt dann quasi, ob das ganze Uhrwerk überhaupt noch tickt oder ob es vielleicht ein Sekündchen schneller geht oder …

Valentin:
[1:21:08] Genau, aber was ich damit sagen wollte, war eben, dass wenn man jetzt so einem grundlegenden Rezeptor zum Beispiel,
wenn man da jetzt einen besonders guten findet, um es mal ganz basal auszudrücken, wenn man einen ganz guten Rezeptor findet, der jetzt Mehltau ganz besonders gut erkennt,
dann kann ich mir jetzt so aus dem Stegreif nicht vorstellen, warum er jetzt stärkeren Befall mit Physarum, einem anderen pilzlichen Erreger bringen sollte, außer dass die, wenn die Antwort sozusagen der Pflanze die anderen bedingt. Also die Antwort der Pflanze ist nämlich auch sozusagen an die verschiedenen Pathogene abgestimmt. Also wenn ein biotropher Pathogen kommt, die Pflanze erkennt, dass es ein biotropher Pathogen ist, wenn sie ihn erkennt.
In vielen Fällen erkennt sie ihn nicht, aber wenn sie ihn erkennt, dann ist das einzige, was so eine Pflanze machen kann, die betroffene Zelle einfach zu töten.

Weil biotrophe Pathogene brauchen eine lebende Zelle. Wenn die Zelle tot ist, ist sie tot. Bei nekrotrophen Pathogenen würde es wenig Sinn machen, weil dann bereitet man denen ja noch sozusagen den Weg. Ja, genau. Aber wenn jetzt so eine Abwehr von den biotrophen Pilz sozusagen passiert, dann ist ja da ein kleines Stück tote Pflanze und dadurch kann da natürlich eher nekrotrophe Pathogene darauf siedeln, als wenn da eine lebende Pflanze wäre. Also sowas ist natürlich, man hat immer einen gewissen Trade-off.
Man hat auch immer einen Trade-off von Resistenz oder Ertrag.
Diese ganzen Mechanismen, eben die erkennen und abwehren und bla und dieses und jenes, das kostet Ertrag. Das kostet einfach Aminosäuren, Energie, die nicht ins Korn gehen, sondern in diese Mechanismen. Also man muss immer abwägen, so ein bisschen eine ökonomische Analyse vielleicht: Wie viel Verteidigung macht Sinn? Und wo haue ich einfach nur Ertrag weg, ohne dass ich es brauch? Also das ist so ein bisschen analog so zu den Wurzeln:
Klar, viele tolle, tiefe Wurzeln sind gut, weil sie können Wasser aufnehmen und halten die Pflanze fest und so weiter und so fort und Nährstoffe und so.
Aber wenn du zu viele Wurzeln hast, hast du irgendwann kein Korn mehr. Also es ist immer ein Abwägen.

Fabian:
[1:23:08] Vielleicht kannst du ja so eine kleine sneak peak, so eine kleine Vorschau geben: Hast du denn den ultimativen Mehltau-Killer gefunden?

Valentin:
[1:23:12] Den ultimativen Mehltau-Killer. Ne, kann ich an dem Punkt noch nicht sagen. Also ich habe in der ersten Analyse einige SNPs gefunden, die signifikant waren.
Für einige dieser SNPs war schon bekannt, dass in diesen groben Regionen Resistenzgene liegen, für andere nicht.
Momentan werte ich sozusagen die zweite Wiederholung dieses Versuchs aus, um die Robustheit der Aussage zu verbessern. Aber leider den Mehltau-Killer kann ich noch nicht präsentieren. Dauert noch ein bisschen.

Fabian:
[1:23:41] Du hattest ja gesagt, die Züchterinnen und Züchter rechnen so mit einem Prozent Ertragszuwachs pro Jahr eigentlich, oder?
Kann man das abschätzen, wenn man jetzt sagt, dass man irgendwie ein oder zwei, drei Resistenzgene findet, die den Weizen stabiler machen gegenüber dem Mehltau?

Behandlung Von Mehltau

[1:24:11] Und wenn jetzt nicht irgendwelche unvorhergesehenen Schädlingsinteraktionen auftreten, die zu verheerenden
Gegenreaktionen führen. Kann man das abschätzen, wie viel von diesem einen Prozent kommt dann dadurch? Würde das schon ein Prozent bringen? Oder …

Valentin:
[1:24:30] Nein, das kann man so gar nicht sagen, weil der Vorteil eher in der Stabilität des Ertrags ohne Fungizide liegt und nicht in einer Ertragssteigerung.
Also ich meine, momentan leben die Pflanzen ja auch, weil sie zwischen, weiß nicht, weil Weizen so zwischen einer und drei Fungizid-Applikationen im Jahr haben.
Was die Pflanze über ihre Vegetationsperiode, in der auch die Pilze ein Problem sind, schützt.
Und das Interesse wäre ja, dass man diese Applikationen sozusagen immer weniger braucht, nur noch zu sehr kritischen Zeitpunkten, wo die Pilze völlig verrückt werden und irgendwann gar nicht mehr.
Das wäre ja das Ziel. Aber das Ziel ist in dem Fall nicht den Ertrag zu steigern, sondern eben die Stabilität ohne Fungizide.

Take Home-Message

Fabian:
[1:25:24] Du möchtest den Weizen pilzfest machen, ohne dass er noch zusätzliche chemische Unterstützung benötigt. Ja, Valentin. Ich glaube wir haben das Thema soweit relativ gut umrundet. Ich weiß nicht, fällt dir noch ein Punkt ein, wo du sagst, den haben wir noch nicht so richtig adressiert?

Valentin:
[1:25:30] Ja nur, dass es ein total interessantes Gebiet ist, also für alle Biologen, Agrarwissenschaftler, Informatiker, Mathematiker sehr zu empfehlen, weil Gentechnik ist wirklich faszinierend.
Und ja, dass vielleicht zur Interaktion mit den Landwirten wir uns so ein bisschen auch manchmal in ihre Situation versetzen sollten, uns vielleicht nochmal die Frage stellen: Was würde ich eigentlich machen, wenn ich einen riesen Acker hab und ein Pilz drauf? Wie würde ich reagieren? Würde ich ihn wachsen lassen?

Oder würde ich nicht alles versuchen, dass ich am Ende trotzdem Ertrag habe? Dass man da vielleicht auch so ein bisschen sieht, ich meine, die meisten Landwirte sind jetzt keine Menschen hassenden Ungeheuer, sondern sind Leute, die halt in ihrem System leben.
Und das hat Probleme auf jeden Fall und ganz verschiedene Fronten, aber deren einziges Ziel ist es nicht, uns alle zu vergiften.

Fabian:
[1:26:30] Das war doch ein wunderschönes Schlusswort. Ich glaube, damit können wir die Sendung für den heutigen Tag schließen. Ich bedanke mich ganz herzlich bei dir, dass du in unserer Sendung zu Gast warst.

Valentin:
[1:26:40] Vielen Dank für die Einladung. Hat Spaß gemacht.

Fabian:
[1:26:43] Es war sehr schön mit dir. Und ich hoffe, dass ihr auch in der nächsten Sendung wieder einschaltet, wenn es hier weitergeht bei den UnderDocs.

Outro

Intro

Valentin:
[1:27:17] Im Labor habe ich tatsächlich Bundestagsdebatten geschaut und gehört. Das war am besten,
weil irgendwann kannst du auch keine Musik mehr hören. Irgendwann schweifst du so ab und dann bin ich lieber so ein bisschen parallel beschäftigt und höre irgendwas. Ich brauche irgendwas mit ein bisschen Inhalt.

Fabian:
[1:27:31] Ich habe auch da wirklich relativ viel Podcast gehört.

[1:27:34] Klar, Podcast ist natürlich am allerbesten.