Transkript UnderDocs 020 – Eine sehr persönliche Entscheidung

2020, AK Uni im Kontext

 

Begrüßung Und Vorstellung

Fabian:
[0:54] Herzlich willkommen zum UnderDocs Podcast. Diesmal in der 20. Ausgabe quasi mit einem kleinen Jubiläum.
Mein Name ist Fabian Link und ich begrüße euch auch dieses Mal wieder zu unserer Wissenschaftsshow mit Nachwuchswissenschaftlerinnen und -Wissenschaftlern.
Angesichts der 20. Episode haben wir uns einen ganz besonderen Gast eingeladen, auf denen ich mich schon sehr freue und zwar die Carina. Hallo.

Carina:
[1:20] Hallo, ich freue mich, hier zu sein.

Fabian:
[1:22] Wir gehen heute in ein Themengebiet, mit dem wir uns in unserem Podcast noch nicht so richtig beschäftigt haben, nämlich in die Rechtswissenschaften,

genauer gesagt, in das Medizinrecht. Aber bevor wir allzu sehr ins Thema einsteigen, würde ich sagen, wir stellen dich noch ein bisschen vor und wir tun das ja immer mit unserem allseits beliebten A oder B Spiel. Kennst du es schon?

Carina:
[1:45] Ja.

Fabian:
[1:45] Wunderbar. Dann brauche ich es dir gar nicht so groß erklären, aber vielleicht den neuen Zuhörerinnen und Zuhörern.
Ich werde der Carina jetzt ein paar Fragen stellen mit zwei Antwortoptionen, immer A oder B, und sie muss ganz spontan darauf antworten, je nachdem was ihr Bauchgefühl einfach sagt. Na ja, mal schauen, was du so sagst.

Carina:
[2:07] Ich bin gespannt.

Fabian:
[2:08] Bist du bereit? Salzig oder süß?

Carina: Salzig.
Fabian: Kaffee oder Tee?
Carina:
[2:14] Tee.
Fabian: Helles oder Vollkorn?
Carina:Helles.
Fabian:
[2:21] E-Scooter oder Auto?
Carina:Auto.
Fabian: Auto oder Inszanzenzug?

Carina:Auto.

Fabian:
[2:24] Snooze oder Aufstehen?

Carina:
[2:26] Aufstehen.Fabian: Papier oder Bildschirm?

Carina:

[2:30] Papier.

Fabian:
[2:32] Mensa oder selbst kochen?

Carina:
[2:34] Selbst kochen.

Fabian:
[2:35] Mensa oder Lieferdienst?

Carina:
[2:37] Lieferdienst.

Fabian:
[2:39] Kein Mensa-Freund?

Carina: Nein.

Fabian: Frühling oder Herbst?

Carina:
[2:42] Frühling.

Fabian:

[2:46] Drinnen oder an der frischen Luft?

Carina: An der frischen Luft.

Fabian:
[2:48] Hollywood oder Indie-Produktion?

Carina: Hollywood.
Fabian: Pretty Woman oder Herr der Ringe?
Carina: Pretty Women.

Fabian:: Bar oder mit Karte?

Carina:
[2:53] Bar.

Fabian: Mit GPS oder mit Karte?

Carina:

[2:58] Mit Karte.

Fabian:
[2:59] Katze oder Hund?

Carina: Hund.
Fabian: Butter oder Margarine?
Carina: Butter.

Fabian:: Wegwerfen oder recyceln?

Carina:
[3:07] Recycling.

Fabian:
[3:08] Ehrlich.?

Carina: Ja, bei vielen Sachen schon.

Fabian:

[3:12] Ans Meer oder in die Berge?

Carina:
[3:13] In die Berge.

Fabian: Backpacking oder Pauschalreise?
Carina: Backpacking.
Fabian: Netflix oder Kino?
Carina: Kino.
Fabian: Apple oder Android?

Carina: Apple.

Fabian:
[3:23] Duschen oder Baden?

Carina:Duschen.
Fabian: Ins Konzert oder ins Museum?
Carina:
[3:28] Konzert.

Fabian: Anklage oder Verteidigung?

Carina:

[3:32] Anklage.

Fabian:
[3:33] Schuldig oder unschuldig?

Carina:
[3:35] Schuldig.Fabian: Medizin oder Ethik oder Recht?

Carina: Recht?
Fabian:
[3:41] Dann hast du es erst einmal überstanden. Und wie die letzte Frage es schon ein bisschen angedeutet hat,
du hast nämlich nicht nur Rechtswissenschaften studiert, sondern auch Medizin-Ethik-Recht.Carina:
[3:51] Richtig.

Fabian:
[3:52] Das ist ein Studiengang, den es, glaube ich, so in der Form nur in Halle gibt als zusätzlicher Master-Studiengang für Leute aus allen Disziplinen, oder?

Carina:
[4:02] Genau, das ist ein Master-Studiengang, der geöffnet ist für alle mit medizinischem, juristischem oder ethischem Hintergrund.

Fabian:
[4:12] Und weil das so richtig dein Thema war, hast du auch noch eine Doktorarbeit im Medizinrecht geschrieben, über die wir uns heute ein bisschen unterhalten wollen.
Und zwar geht es um das Fortpflanzungsmedizin-Recht, also ein ziemlich spezielles Thema und vor allen Dingen ein Thema, das wahrscheinlich moralisch und politisch doch sehr aufgeladen ist.

Carina:
[4:34] Ja, auf jeden Fall. Also da habe ich schon sehr hitzige Diskussionen drüber geführt.

Fabian:
[4:41] Mal sehen, was wir so an Kommentaren nach der Sendung bekommen. Da freue ich mich schon drauf auf die Reaktion.

Carina:
[4:46] Ja, ich bin gespannt.

Status Quo Im Fortpflanzungsrecht

Fabian:
[4:50] Okay. Vielleicht fangen wir einfach mal damit an, wie so der Status quo im Fortpflanzungsrecht ist.
Das ist ja letztlich geregelt mit einem einzigen Gesetz, das sich damit befasst, und zwar das Embryonenschutzgesetz.

Carina: Ganz genau, so ist das.
Fabian:
[4:58] Was steht denn in diesem Embryonenschutzgesetz und warum steht das da drin?Carina:
[5:08] Ich fange am besten mit dem Hintergrund an: Das Embryonenschutzgesetz wurde 1989 verabschiedet und trat 1990 in Kraft.
Und zwar wurde es damals als Strafgesetz erlassen, als strafrechtliches Nebengesetz.
Hintergrund ist, dass der Gesetzgeber damals keine andere Gesetzeskompetenz hatte, sondern eben nur für das Strafrecht, um auch die Fortpflanzungsmedizin zu regeln. Mittlerweile ist das anders.
Wir haben jetzt im Grundgesetz auch eine Gesetzgebungskompetenz für die Fortpflanzungsmedizin.
Also es wäre jetzt möglich, dass der Gesetzgeber heute ein Fortpflanzungsmedizingesetz erlässt, das nicht nur Strafrechtsnormen enthält. Und damit: Was steht drin?
Das Embryonenschutzgesetz enthält im Grunde nur Verbote, also was man alles nicht mit dem Embryo machen darf. Sagt ja auch schon der Name ‚Embryonenschutzgesetz‘.

[6:27] Also, wie der Embryo zu schützen? Und zu den Verboten zählen beispielsweise, dass eine Eizellspende verboten ist,
dass die Leihmutterschaft verboten ist, dass man eine Eizelle nicht befruchten darf, nachdem der Samenzellenspender bereits verstorben ist.
Also Verbot der Befruchtung post mortem nennt man das. Was nicht drinnen steht, sind irgendwelche Verfahrensregelungen. Also, wie kann man vorgehen oder wie ist vorzugehen bei einer Samenzellen Spende?
Welche Anforderungen sind an den Spender zu stellen? Welche Anforderungen sind an die angehenden Eltern zu stellen?
Wie ist der Samen zu untersuchen? Hat das Kind ein Recht auf Auskunft, wer denn der Spender ist?
Das alles ist im Embryonenschutzgesetz nicht geregelt.

Fabian:
[7:31] Wenn du jetzt sagst, dass das Fortpflanzungsmedizinrecht nur strafrechtlich geregelt wird, dann kommt einem das ja erst mal ein bisschen kontraintuitiv vor. Strafgesetz beschäftigt sich ja eigentlich da mit Straftaten.
Jetzt würde man Fortpflanzungsmedizin ja vielleicht nicht erst mal als Straftat sehen.
Du hast ja schon erklärt, dass es daran lag, dass einfach diese Gesetzgebungskompetenz beim Bund nicht lag. Aber hätte man das nicht über die Länder vielleicht anders regeln können? Oder gehört es nicht eigentlich eher in einen anderen Rechtsbereich?

Carina:
[8:05] Man hätte es über die Länder gegebenenfalls regeln können, aber wir haben 16 Bundesländer.
Man stellt sich dann nur so einen Flickenteppich vor,
über 16 Bundesländer verstreut, und das Paar in Bayern darf dann eine Eizellspende nicht in Anspruch nehmen, weil Bayern recht konservativ ist,
dafür in einem liberaleren Bundesland dürfte es dann eine Eizellspende in Anspruch nehmen.
Das kann nicht sein. Also im Bereich der Fortpflanzungsmedizin braucht man schon eine bundeseinheitliche Regelung.
Deswegen, auch jetzt in die Zukunft gedacht, würde ich auch nicht berufsrechtlich regeln, weil das Berufsrecht liegt bei den Landesärztekammern und
da würden wir dann auch zu diesem Flickenteppich kommen, weil wir 17 Landesärztekammern in Deutschland haben.

Fabian:
[9:06] In welchen Rechtsbereich gehört es dann deiner Meinung nach?

Carina:
[9:08] Es gehört bundeseinheitlich geregelt und jetzt eben über die Kompetenz aus 74, Absatz 1, Nummer
26 Grundgesetz, wo eben die Erzeugung menschlichen Lebens als Kompetenz genannt wird.

 

Grundbegriffe: Von Eizelle Und Samenzelle Zum Embryo

[9:28] Okay. Ich glaube, wir fangen den nächsten Schritt vielleicht damit an, dass wir so ein bisschen die Begriffe ordnen.
Denn das ist ja durchaus ein komplexes Themenfeld, wo die Begriffe auch gerne mal durcheinander geworfen werden.
Es geht ja letztlich um die menschliche Fortpflanzung, die für gewöhnlich zwei Dinge benötigt, eine Eizelle und eine Samenzelle. Solange diese noch separat sind, würde man sie auch als solche bezeichnen.
In welchem Moment passiert jetzt die Magie? Und man spricht nicht mehr von Eizelle und Samenzelle sondern von Embryo.

Carina:
[10:09] Ei und Samenzelle kommen zusammen, dann verschmelzen die Vorkerne.
Und dann beginnt sich, die Zelle zu teilen. Und ab dem fünften, sechsten Tag liegt unzweifelhaft dann ein Embryo vor.
Dann ist ein Embryo gegeben. Aber dieses Zwischenstadium, insbesondere dann, wenn es ein, zwei PN-Zellen sind. An sich ist es kein Embryo, aber es ist nicht klar, wie man mit denen verfährt.

Fabian:
[10:43] Also noch ein ungeregelter Bereich.

Carina:
[10:46] Ja.
Fabian:
[10:49] Gibt es eine Praxis, wo man sagt, na ja, es ist formell nicht so richtig geregelt, aber es gibt schon einen gewissen Standard, wie man das behandelt?

Denn es ist schon in der Reproduktionsmedizin ein Zustand, der immer zwischendurch erreicht wird, wo es ja eigentlich auch nach einer gewissen Sicherheit verlangt, oder?

Carina:
[11:08] Ja. Man verfährt mit denen so, dass es eben keine Embryonen sind und entsprechend können die auch dann aufbewahrt werden, also zum Beispiel tiefgefroren gelagert werden.

Fabian:
[11:26] Okay, gut. Gibt es noch Begriffe, die wir ordnen müssen. Ich überlege gerade. Ich glaube, das
grundsätzliche Vokabular haben wir geklärt und das Detail-Vokabular kommt dann in den nachfolgenden Kapiteln.

Carina:
[11:37] Ich denke auch.

Warum Ausgerechnet Fortpflanzungsrecht?

Fabian:
[11:45] Warum hast du dich mit diesem Thema überhaupt beschäftigt? Also, warum findest du, Reproduktionsmedizin ist wichtig und sollte geregelt werden? Es könnte dir ja auch egal sein?

Carina:
[11:58] Ich war bereits als Studentin beziehungsweise Referendarin mit dem Thema befasst.
Mein Doktorvater und Chef Professor Dr. Henning Rosenau hat mit einer Forschergruppe, bestehend aus drei Münchner und drei Augsburger Professoren, einen Alternativentwurf
für ein Fortpflanzungsmedizingesetz erarbeitet.
An diesem Entwurf war ich bereits, wie gesagt, als junge Referendarin mit beteiligt, habe die Tagung dazu organisiert, war in den Sitzungen mit dabei.[12:40] Und daraus entwickelt hat sich mein Interesse für die Fortpflanzungsmedizin.
Ich habe dann mein zweites Staatsexamen abgeschlossen und habe dann ein Gespräch geführt mit meinem Doktorvater und gefragt, ob ich denn auch bei ihm promovieren dürfte,
und wir hatten überlegt, über was ich denn promovieren kann.
Und ja, da kam uns der Gedanke, dass es doch gut wäre,
dass ich mich nochmal ganz intensiv mit der Thematik auseinandersetze und mir auch betrachte, ob denn dieser Augsburg-Münchner-Entwurf stimmig ist und so umgesetzt werden könnte.
Also es ist ein ganz dünnes Büchlein, wo quasi nur der Gesetzesentwurf mit einer knappen Begründung vorgelegt wird, und
ich habe das Ganze nochmal sozusagen tiefer aufgearbeitet.

Fabian:
[13:41] Sehr gut. So bist du quasi in dieses Themenfeld reingerutscht.

Samenspende

[13:48] Okay. Ich glaube, dann gehen wir so ein bisschen ins Detail und fangen vielleicht mit dem Bereich an, der heutzutage, glaube ich, reproduktionsmedizinisch.
das Standardprozedere darstellt, nämlich die Samenspende.
Das ist ja eigentlich ein überall auf der Welt praktiziertes Verfahren,
wenn Männer nicht entsprechend fähig sind,
reproduktionsfähige Spermien zu produzieren, können Paare auf so eine Samenspende zurückgreifen oder zum Beispiel auch Frauen, die keinen Partner haben und sich trotzdem ein Kind wünschen.
Wie ist denn da der Status quo? Also wie ist das in Deutschland geregelt? Es ist nicht verboten. Und sonst?

Carina:
[14:37] Genau. Es ist durch das Embryonenschutzgesetz nicht verboten. Das bedeutet zunächst, dass es zulässig ist.
Und ansonsten, es gab bis vor kurzem eine Richtlinie der Bundesärztekammer, die das maßgeblich mitbestimmt hat.
Diese wurde aber vor kurzem aufgehoben und die Bundesärztekammer hat gesagt, sie machen nur noch das Medizinische, geben dort quasi den Sachstand vor.
Alles andere ist eine politische Entscheidung, die der Gesetzgeber zu klären hat.
In der Richtlinie war zum Beispiel geregelt, dass eine Samenzellenspende nur in einer Ehe oder gefestigten Partnerschaft zulässig ist.
Aber die Frage ist jetzt, ob Alleinstehende das nicht können.

Fabian:
[15:40] Das klingt ja erst mal relativ unkritisch, außer, dass eben für bestimmte Personenkreise, die daran ein Interesse hätten, der Zugang bisher noch verwehrt wurde.

Carina:
[15:50] Wir haben halt gerade das Problem, dass eben diese Richtlinie aufgehoben wurde und jetzt nicht klar ist,
wie nach der neuen Richtlinie einfach zu verfahren ist, und der Gesetzgeber aufgefordert ist, nunmehr zu handeln und auch die Samenzellenspende zu regulieren.

Carina:
[16:11] Was wir mittlerweile haben, und das finde ich eine sehr gute Entwicklung, ist das Samenspenderregistergesetz.
Dort ist mittlerweile festgelegt, dass ein Kind einen Anspruch darauf hat, zu erfahren, wer der genetische Vater ist, und anonyme Samenspenden sind nicht mehr zulässig, was früher ganz gängige Praxis war.

Und jeder Spender wird eben jetzt in diesem Register registriert, sodass das Kind sein Einspruchsrecht wahrnehmen kann.

Fabian:
[16:48] Also, wenn man als Kind aus einer Samenspende entsteht, darf man dann quasi, ich nehme mal an, ab einem bestimmten Alter sich erkundigen, wer der leibliche Vater ist?

Carina:
[16:55] Genau, ab 16 kann man es eigenständig geltend machen dieses Recht. Davor könnte man es über die gesetzlichen Vertreter, also sprich die Eltern im Regelfall wahrnehmen.

Fabian:
[17:09] Aber Unterhaltsansprüche können daraus dann nicht entstehen?

Carina:
[17:13] Genau. Unterhaltsansprüche sind ausgeschlossen, ebenso wie Erbrechtsansprüche. Das war auch zuvor alles nicht geregelt.
Das kam erst mit diesem Samenspenderregistergesetz im Juli 2017, meine ich ist das in Kraft getreten.

Fabian:
[17:32] Ist auch nachvollziehbar, dass man sich darüber Gedanken gemacht hat. Das kann ja für einen jungen Menschen auch ein persönlicher Konflikt sein, wenn man sozusagen seine Herkunft gar nicht genau bestimmen kann.

Carina:
[17:46] Genau. Und das war aber schon in der Rechtswissenschaft sehr lange anerkannt und auch vom Bundesverfassungsgericht und vom BGH bestätigt, dass ein Kind ein Recht hat, seine genetische Herkunft zu erfahren.

Fabian:
[18:01] Und jetzt im Moment, hattest du ja gesagt, die Richtlinie der Bundesärztekammer ist ausgelaufen.
Dementsprechend ist momentan so ein Vakuum da, also so eine gewisse Leere. Fährt man dann einfach mit den Vorgaben der Richtlinie fort?
Oder wie ist da das Prozedere?
Weil ist ja nicht zu erwarten, dass in den nächsten Tagen so eine Richtlinie von der Politik veröffentlicht wird.

Carina:
[18:28] Wie es in der Praxis gehandhabt wird, kann ich leider nicht sagen.
Ich gehe davon aus, dass man sich daran immer noch weiter hält,
zumindest so im Groben. Aber zum Beispiel
gleichgeschlechtliche Paare werden mittlerweile behandelt. Wir haben seit 2017 ja auch die Ehe für alle.
Homosexuelle Paare sind jetzt anerkannt und damit sollten sie auch
im Rahmen der Fortpflanzungsmedizin die entsprechenden Verfahren in Anspruch nehmen können. Wie das in der Praxis gehandhabt wird, kann ich, wie gesagt, leider nicht genau sagen.

Fabian:
[19:14] Das sind ja vielleicht auch Prozesse die sich über eine gewisse Zeit erst entwickeln müssen.
Sicherlich dann auch so ein bisschen davon abhängig, was die lokalen Ärztinnen und Ärzte einfach ausüben.
Das ist ja dann manchmal so einer genaueren Kontrolle auch nicht unterworfen.

In Vitro Fertilisation

[19:33] Wenn das mit dem fruchtbaren Sperma nicht so richtig funktioniert, gibt es neben der Samenspende ja noch eine andere Möglichkeit
für ein Paar, ein Kind zu bekommen, und zwar ist das die künstliche Befruchtung, die In-vitro-Fertilisation.
Auch das ist eigentlich etwas, was zuerst einmal unproblematisch erscheint, denn es wird ja regelhaft durchgeführt.
Da die Paare, die sich für ein Kind entscheiden, immer älter werden
und dementsprechend die Fruchtbarkeit zu dem Zeitpunkt abgenommen hat, zudem dann ein Kind zur Diskussion steht,
ist es ja sogar so, dass die In-vitro-Fertilisation in den letzten Jahren eine regelrechte Blüte erlebt hat und die Zahlen immer weiter ansteigen.
Gibt es denn da irgendwelche Einschränkungen. Können alle eine IvF bekommen, oder ist das auch an strenge Bedingungen geknüpft? Und wer bezahlt das Ganze?

Carina:
[20:36] Eine In-vitro-Fertilisation können im Grunde alle beanspruchen.
Die Frage ist nach den Kosten, hier wird es nur bei verheirateten Paaren von der gesetzlichen Krankenkasse bis zu drei Versuchen zum Teil übernommen. Und jede In-vitro-Fertilisation
hat ihre Kosten, also bis zu 3000 Euro kann das kosten.

Eizellspende

Fabian:
[21:07] Während man Sperma also relativ unproblematisch spenden kann und im Prinzip auch
im Reagenzglas dann mit Eizellen mischen kann, ist eine andere Spendenform deutlich heißer diskutiert, bis hin zu in Deutschland eigentlich verboten und zwar die Eizellspende.
Wenn man so intuitiv drüber nachdenkt, ist es ein bisschen unplausibel. Warum ist denn die Eizellspende verboten? Warum dürfen Frauen ihren Anteil an der Reproduktion nicht abgeben, während Männer das schon dürfen?

Carina:
[21:42] Der Gesetzgeber führt dazu mehrere Gründe an.
Zum einen will der Gesetzgeber sogenannte gespaltene Mutterschaften verhindern. Also eine gespaltene Mutterschaft liegt dann vor, wenn die genetische Mutter,
also die Frau von der die Eizelle stammt, eine andere ist als die biologische Mutter. Biologische Mutter ist die Mutter, die das Kind dann auf die Welt bringt.

[22:11] Der Gesetzgeber befürchtet, dass durch so eine gespaltene Mutterschaft das Kind Probleme bei der Identitätsfindung bekommt. Also er argumentiert immer mit dem Kindeswohl,
weil das Kind nicht genau weiß, fühlt es sich jetzt eher der genetischen Mutter verbunden oder fühlt es sich nicht eher der Mutter verbunden, die es auch tatsächlich
neun Monate während der Schwangerschaft im Bauch hatte und es dann auch auf die Welt gebracht hat.
Und da meint der Gesetzgeber, kann es Probleme bei der Identitätsfindung und Persönlichkeitsbildung zu Problemen bei der Persönlichkeit und Identitätsfindung kommen.
Ein weiteres Argument sind die gesundheitlichen Risiken. Samenzellenspenden oder Samenzellen lassen sich ja relativ einfach gewinnen.
Bei Eizellen ist es nicht ganz so einfach. Eine Eizellspende setzt zum einen eine hormonelle Stimulation der Spenderin voraus und zum anderen immer einen invasiven Eingriff,
weil irgendwie müssen die Eizellen ja aus dem Körper der Frau gewonnen werden.

[23:26] Und sowohl die hormonelle Stimulation davor als auch der invasive Eingriff bergen eben medizinische gesundheitliche Risiken.
Und hier sagt der Gesetzgeber, man muss die Eizellspenderin schützen.
Insbesondere muss man sie schützen vor einer Ausbeutung. Also wenn sie dafür, dass sie die Eizelle hergibt, auch noch Geld erhält, könnte sie sich quasi ja zur
Rohstofflieferanten machen, sich selber zur Rohstofflieferanten degradieren.
Und davor ist sie eben zu schützen.

Fabian:
[24:03] Zumindest das erste Argument, muss ich sagen, erscheint mir erst mal nur so halbwegs plausibel, denn eine gespaltene Vaterschaft wird ja akzeptiert.
Also es ist offensichtlich kein Problem, wenn die Person, die die Gene geliefert hat, und die Person, die einen aufgezogen hat und einen betreut hat, in der Kindheit nicht dieselbe Person sind.
Und bei der Mutterschaft soll das so ein großes Problem sein.
Also ich finde es etwas inkonsequent, oder? Entweder geht man davon aus, dass es Identitätskrisen verursacht,
dann müsste beides verboten werden, oder man geht davon aus, dass es ist irgendwie zu kompensieren,
und dann müsste beides erlaubt werden. Oder was sagt die Juristin?

Carina:
[24:50] Ich sehe das genauso. Gespaltene Vaterschaften sind seit Jahrzehnten in Deutschland ganz üblich und auch durch das Gesetz, durch das bürgerliche Gesetzbuch akzeptiert.
Dort gilt das Prinzip der Status ‚Klarheit‘, dass eben der Vater ist, der zum Beispiel im Zeitpunkt der Geburt mit der Mutter verheiratet ist.
Ob dieses Kind jetzt tatsächlich biologisch oder genetisch von dem Vater abstammt oder nicht, ist dem Gesetzgeber in dem Fall egal. Bei der Mutter unterscheidet er es auf einmal.
Das halte ich auch nicht für konsequent. Und es gibt ganz viele Fälle, in denen eben der rechtliche Vater oder der soziale Vater, der das Kind aufzieht, eben nicht der genetische Vater ist.
Und dort haben wir keine Probleme in der Identitätsfindung des Kindes, beziehungsweise mit denen wissen wir umzugehen und die wären bei einer Mutter nicht anders meines Erachtens.

Fabian:
[26:00] Das zweite Argument finde ich mit meinem medizinischen Hintergrund da schon deutlich plausibler, dass eine Eizellspende
sehr viel invasiver ist, ist kaum abzustreiten. Und die Belastung durch eine Hormontherapie und dann durch die,
na ja sagen wir mal, mikro-invasive Entnahme der Eizellen, es ist ja kein großer operativer Eingriff, aber immerhin dann doch eine Punktion, ein Einstechen in den Unterleib.
Das Ganze bietet natürlich durchaus ein Potenzial für gesundheitliche Schäden.
Es gibt immer diese Standardformulierung: Bis zum Tod. Man kann sehr viele Sachen konstruieren, wie Dinge bis zum Tod führen.
Dass das jetzt bei Einzelspenden regelhaft passieren würde, wäre mir neu.
Aber es ist natürlich durchaus ein Risiko und insbesondere auch ein langfristiges Risiko, Tumorerkrankungen zu entwickeln.
Auf der anderen Seite gibt es ja auch so etwas wie Selbstbestimmung, oder?

Carina:
[27:03] Ganz richtig. Da sprichst du einen ganz wesentlichen Punkt an. Natürlich, wir haben diese medizinischen und gesundheitlichen Risiken.
Mittlerweile ist der Stand der Medizin aber so weit, dass diese Risiken zumindest kontrollierbar sind. Und wie du sagst, dass eine Frau bei einer Eizellspende stirbt,
die Gefahr ist doch eher sehr gering.

[27:32] Und wir haben eben das Selbstbestimmungsrecht der Spenderin.
Und wenn sie aus altruistischen Gründen heraus eine Eizelle spenden möchte, sehe ich keinen Grund ihr das zu verbieten.
Die Selbstbestimmung wurzelt ja in der Menschenwürde und würde man jetzt der Eizellspenderin verbieten,
diese Spende vorzunehmen, würde man im Grunde den Schutz gegen die Spenderin selbst richten.
Das kann für mich nicht richtig sein.
Ich vergleiche es auch immer so ein bisschen mit Lebendorganspenden.
Also wir können unter strengen Voraussetzungen auch Lebendorganspenden vornehmen, beispielsweise einem engen Verwandten eine Niere spenden,
und dort nehmen wir ja auch unser Selbstbestimmungsrecht wahr und können es machen.
Die Risiken einer Nierenspende sind mindestens genauso hoch wie die einer Eizellspende.
Auch hier ist es zulässig in Wahrnehmung des Selbstbestimmungsrechts.
Deswegen sollte man es meines Erachtens auch bei der Eizelle zulassen können. Zumal bei der Niere,
wir haben zwei und Eizellen produziert eine Frau doch erheblich mehr in ihrem Leben.

Fabian:
[29:02] Einige hunderttausend. Du hattest schon die strengen Regeln angedeutet, die bei der Organspende gelten.
Da die Eizellspende in Deutschland verboten ist und es da keine Praxiserfahrungen gibt, gibt es ja auch gar keine Verfahrensregelung, keine Lebenspraxis.
Wenn du sagst, du würdest dich grundsätzlich dafür aussprechen, dass man das ermöglichen sollte, hast du dir doch bestimmt auch Gedanken darüber gemacht, wo es vielleicht auch Limitation gibt, oder wie das ganze Hand zu haben ist.

Carina:
[29:34] Ja. Ich meine zum ersten, dass Eizellen kein kommerzielles Gut sein sollten, also kein Gegenstand
eines Handelsgeschäftes, sodass die Spenderinnen davor geschützt werden,
die Spende nur zu begehen, weil sie irgendwie an Geld kommen müssen.
Das halte ich nicht für richtig. Sondern sie sollen diese Risiken eben nur eingehen, wenn sie anderen Frauen wirklich helfen wollen und nicht, weil sie es aus finanzieller Not heraus machen.
Ich meine des Weiteren, dass Eizellspenden nur in dafür vorgesehenen Zentren durchgeführt werden sollten, also die darauf auch spezialisiert sind.
Ich meine, dass die Zahl der Spenden reduziert sein sollte, also dass eine Spenderin pro Zentrum nicht,
an 20, 30, 50 Frauen spenden können sollte, weil dort die Gefahr besteht, dass wir dann unerkannte Geschwisterkinder haben, sondern dass hier die Zahl
pro Spenderin auf drei Frauen beschränkt ist, die dann Eizellen von ihr erhalten.

Fabian:
[30:55] Also nur damit ich das richtig verstanden habe, eine Spenderinnen soll maximal für drei Empfängerinnen spenden und das bedeutet ja im Prinzip dann auch nur drei Spenden, oder?

Carina:
[30:56] Nein Es kann ja sein, dass eine Empfängerin mehrere Kinder haben möchte.

Also zum Beispiel die eine Spenderin möchte drei Kinder und die bevorzugt dann eben die Eizellen von ein und derselben Eizellspenderin, weil dann die Kinder sich auch ähnlich sehen.
Also dadurch ist es dann nicht beschränkt auf irgendwie zehn Schwangerschaften.
Das ist auch schwierig dann nach zu verfolgen, ist die Schwangerschaft tatsächlich entstanden, oder erfolgreich herbeigeführt worden, oder eben nicht. So müsste man nur nachverfolgen,

wie viele Frauen haben bereits von dieser Spenderin eine Eizelle erhalten. Und man ermöglicht diesen Frauen gleichzeitig, mehrere Eizellen von der Spenderin zu erhalten,
dass die mehrere gleich oder ähnlich aussehende Kinder bekommen können.

Fabian:
[31:57] Aber de facto ist es dann ja irgendwie doch eine Deckelung auf vielleicht zehn oder zwölf, auch wenn es nicht so konkret beschrieben wird, aber die Zahl der Spenden ist dann doch irgendwo begrenzt.

Carina:
[32:14] Genau, sie sollte schon begrenzt sein, aber meines Erachtens ist dieses Vorgehen von Vorteil, weil es in der Praxis leichter handhabbar ist, weil man dann nicht irgendwelche Nachforschungen anstellen muss,
war die Schwangerschaft jetzt erfolgreich oder eben nicht, sondern man muss nur gucken, wie viele Frauen haben von der Spenderin schon Eizellen erhalten.

Fabian:
[32:38] Und ich nehme mal, an ein Verzeichnis analog zum Samenspenderverzeichnis.

Carina:
[32:43] Genau, auf jeden Fall. Also auch hier natürlich, das Recht auf Auskunft des Kindes muss gesichert werden.
Dort braucht man dann auch ein entsprechendes Eizellspenderregister.

Fabian:
[32:56] Und was denkst du, wie realistisch ist es, dass das in der aktuellen politischen Lage umgesetzt wird?

Carina:
[33:02] In der aktuellen politischen Lage wenig realistisch.
Der Gesetzgeber beschäftigt sich gerade mit anderen Sachen.
Und es gab in einem aktuellen Fall, im Fall Netzwerk-Embryonenspende,
dort ging es darum, dass man zwei PN-Zellen spenden oder aufgetaut hat und weiter kultiviert.
Dort gab es dann Strafbefehle vom Amtsgericht Dillingen.
Das ging zum Landgericht Dillingen. Mittlerweile wurde Revision eingelegt.
Und im Rahmen dieses Falles, der gerade extrem umstritten ist, hat die FDP eine Anfrage gestellt an die Bundesregierung
und gefragt:Wie sieht es aus? Bekommen wir ein Fortpflanzungsmedizingesetz? Gibt es eine Reform des Embryonenschutzgesetzes? Und die Anfrage
der Bundesregierung war, dass auch in dieser Legislaturperiode
die Fortpflanzungsmedizin nicht geregelt werden soll.

Fabian:
[34:15] Ich weiß gar nicht, vorhin fiel dieser Begriff ‚PN-Zelle‘ schon mal. Vielleicht kannst du noch kurz erklären, was da eigentlich das Problem ist, wenn man die auftaut. Was ist eine PN-Zelle?

Carina:
[34:24] PN-Eizellen oder auch imprägnierte Eizellen sind Eizellen im Vorkernstadium.
Also das sind quasi die Kerne noch nicht verschmolzen und noch nicht weiterentwickelt.
Und das Problem ist die Frage, ob diese Eizellen bereits befruchtet sind.
Es gibt eine Ansicht, die sagt: Ja, die sind bereits mit der Imprägnierung, also im Vorkernstadium schon befruchtet, weil sich zu diesem Zeitpunkt Ei und Samenzelle nicht mehr trennen lassen.
Es gibt eine andere Ansicht, die sagt: Diese Eizellen werden erst dann befruchtet, wenn man sie auftaut und weiterkultiviert.
Ist gerade sehr umstritten, weil die eine Ansicht sagt, es fällt unter das Verbot der Eizellspende, die andere Ansicht sagt,
es fällt nicht unter das Verbot der Eizellspende. Soll ich es kurz erklären?

[35:31] Das Verbot der Eizellspende Paragraph 1, Absatz 1, Nummer 2 Embryonenschutzgesetz sagt nämlich, es
wird bestraft, wer es unternimmt, eine Eizelle zu einem anderen Zweck künstlich zu befruchten, als eine Schwangerschaft der Frau herbeizuführen, von der die Eizelle stammt.

Fabian:
[35:56] Also ein sehr konkretes Verbot, eine Eizelle als Eizelle einer anderen Frau zu übertragen.

Carina:
[36:05] Ja, zu befruchten. Das ist der Dreh- und Angelpunkt momentan dieses Streits.
Also wer es unternimmt, eine Eizelle zu einem anderen Zweck künstlich zu befruchten, als eine Schwangerschaft bei der Frau herbeizuführen, von der die Eizelle stammt,
gehen wir von einer normalen Kinderwunschbehandlung aus. Das Paar, es wird die Eizelle entnommen, es wird die Samenzellen entnommen, und diese Ei- und Samenzelle werden in vitro zusammengebracht und
imprägniert, also bis ins Vorkernstadium gebracht.

[36:47] Einige dieser imprägnierten Eizellen werden dann weiter kultiviert zu Blastocysten und dann der Frau übertragen.
Esb bleiben aber in so einer Kinderwunschbehandlung häufig eben imprägnierte Eizellen übrig und die Frage war jetzt:
Können diese imprägnierten Eizellen auf ein anderes Pärchen oder eine andere Frau übertragen werden?
Und dort sagt eben eine Ansicht, die ich auch vertrete, dass mit dem Imprägnieren, also mit dem Verbinden von Ei und Samenzelle,
wo diese untrennbar schon verbunden sind, die Eizelle befruchtet ist, weil sich eben Samenzellen nicht mehr trennen lassen.
Zwei PN-Zellen wären damit schon befruchtet und man würde keine Eizelle zu einem anderen Zweck befruchten, als eine Schwangerschaft herbeizuführen
als für die Frau, von der die Eizelle stammt, weil man hat es ja befruchtet.
im Rahmen der ursprünglichen Kinderwunschbehandlung.

Fabian:
[38:01] Also die Intention war ursprünglich mal, sie der Person einzusetzen, die die Eizellspende auch ursprünglich gegeben hat.

Carina:
[38:09] Genau. Die andere Ansicht sagt jetzt aber: „Nein, nein, nein. Ein Befruchten findet erst statt, wenn man die Eizelle auftaut und weiter kultiviert, um sie dann der fremden Frau zu übertragen.
In dem Fall, wo wir sie erst auftauen müssen, weiter kultivieren, um zu einem Befruchten zu kommen, während wir im Paragraph 1, Absatz 1, Nummer 2 Embryonenschutzgesetz:
Weil mit dem Auftauen und weiter Kultivieren würde auf einmal eine Eizelle
zu dem Zweck befruchtet werden, die Schwangerschaft bei der Frau herbeizuführen, die nicht die Eizelle gegeben hat, sondern quasi die Wunschmutter.

Fabian:
[38:58] Und nach deiner Interpretation ist es möglich, diese imprägnierten Eizellen zu übertragen, die ja auch noch nicht den Status eines Embryos haben,
also sozusagen sich in dem Nirwana zwischen „Ich bin eine Eizelle“ und „Ich bin ein Embryo“.
In dieser Lücke dazwischen befinden sich die imprägnierten Eizellen und wenn man das Recht so auslegt, wie du das tust, wäre es quasi möglich, diese imprägnierten Eizellen zu übertragen, da sie weder Embryonen sind noch Eizellen.

Carina:
[39:28] Genau.

Fabian:
[39:29] Und damit nicht konkret verboten. Also sozusagen
wahrscheinlich war die ursprüngliche Intention des Gesetzgebers nicht unbedingt, da eine Lücke zu lassen.
Aber wenn man es streng auslegt, ist es eben weder eine Eizelle noch ein Embryo.

Carina:
[39:44] Genau und vor allem der Gesetzgeber hat auch nicht die Embryonenspende im Embryonenschutzgesetz geregelt,
deswegen nach mittlerweile wohl überwiegender Ansicht ist die Embryonenspende auch zulässig.
Also bereits erzeugte, hergestellte Embryonen,
zu spenden, ist zulässig.
Hintergrund ist der Lebensschutz des Embryos,
und der Gesetzgeber selbst hat in der Gesetzesbegründung zum Embryonenschutzgesetz reingeschrieben, dass die Embryonenspende
bewusst nicht geregelt ist, weil er Konstellationen gesehen hat, in denen eben die Embryonenspende die einzige Möglichkeit ist,
dem Lebensrecht des Embryos Geltung zu tragen.
Wenn man die imprägnierten Eizellen jetzt auch als Keim menschlichen Lebens betrachtet, gilt für die der Lebensschutz ja genauso und für die
ist es eben auch die einzige Möglichkeit dann, mit einer Spende ihrem Lebensrecht oder ihrem Lebensschutz Rechnung zu tragen.
Die Alternative besteht nämlich darin, dass man sie auf unbestimmte Zeit, also auf ewig kryokonserviert, tiefgefroren lagert, oder aber man schüttet sie weg.

Fabian:
[41:13] Das wäre im Prinzip ja dann auch tatsächlich eine Lösung für das praktische Problem, das viele Institute derzeit haben, dass sie eben auf so großen Kryolagern sitzen und weil das Wegschütten vermutlich auch keine probate Lösung ist und wahrscheinlich auch verboten oder zumindest nicht sicher erlaubt, befindet man sich in einer schwierigen Lage.
Im Prinzip klingt es ja erstmal nach einer guten Lösung, dass man sagt,

wenn jemand tatsächlich Interesse an einer imprägnierten Eizelle hat und sich das vorstellen kann, sich eine solche einsetzen zu lassen, entsteht ja eigentlich kein Schaden daran.
Gibt es denn so richtig sinnvolle Gegenargumente dagegen?

Carina:
[41:58] Auch hier wird wieder mit der Gefahr der gespaltenen Mutterschaft argumentiert, weil auch hier fällt eben die genetische Mutter mit der biologischen Mutter auseinander.
Das ist so das wesentliche Hauptargument dagegen.

Fabian:
[42:15] Und im Prinzip, wenn man konsequent denkt, würde mit der Erlaubnis der Eizellspende automatisch auch eine Erlaubnis für die Embryonenspende einhergehen?

Carina:
[42:24] Meines Erachtens, ja.

Fabian:
[42:26] Jetzt sind wir bisher in dem Bereich gewesen, wo man sagen kann, auch wenn jetzt eine konkrete Planung noch nicht in Aussicht steht,
ist es zumindest nicht ganz unrealistisch, dass, wenn vielleicht einmal eine liberalere Regierung sich damit befasst, eine Erlaubnis für eine Eizellspende kommen könnte.
Also es erscheint mir zumindest jetzt nicht völlig utopisch.

Carina:
[42:51] In Nachbarländern, zum Beispiel Österreich, ist die Eizellspende erlaubt. In ganz vielen europäischen Nachbarländern ist sie möglich.
Österreich hat es erst 2015 eingeführt, davor war es aber zum Beispiel schon in Polen möglich oder Dänemark.
Und deswegen sind deutsche Frauen halt dann ins Ausland gegangen.

Fabian:
[43:16] Was natürlich hauptsächlich ein Problem für die Frauen ist, die sich das Ganze nicht leisten können.

Leihmutterschaft

[43:24] Jetzt kommen wir so ein bisschen in die etwas exotischeren Themenfelder, bei denen eine Regelung noch deutlich unwahrscheinlicher ist. Es ist aber trotzdem sehr spannend, sich damit zu befassen.
Der erste Themenkomplex, der darunter fällt, ist die Leihmutterschaft. Jetzt kann man nicht sagen, dass es auf der Welt nicht gäbe. Es ist in anderen Ländern durchaus ein verbreitetes Konzept.
Ich glaube, hierzulande stößt man damit doch auf sehr viel Ablehnung.
Vielleicht erklärst du kurz mal, was Leihmutterschaft überhaupt für ein Konzept ist und dann auch welche Probleme sich damit ergeben.

Carina:
[44:03] Leihmutterschaft liegt dann vor, wenn eine andere Frau den Embryo für die Wunscheltern austrägt.
Es gibt da verschiedene Konstellationen. Es kann sein, dass die Eizelle auch der Leihmutter selbst verwendet wird oder eben dass der Leihmutter ein
Embryo eingesetzt wird, der aus der Eizelle und Samenzelle der Wunscheltern hergestellt wurde.

Fabian:
[44:26] Was dann ja quasi so etwas wie eine geplante Adoption wäre, oder?

Carina:
[44:37] Im Grunde ja.

Fabian:
[44:46] So ein bisschen wie Adoption, aber sehr frühzeitig bestellt.

Carina:
[44:49] Ja, es wird auch nicht umsonst, obwohl das sagt man eher bei der Embryonenspende, dass das Embryo-Adoption dann ist, wird auch häufig gesagt.

Fabian:
[45:01] Aber das ist ja nicht ganz unkritisch. Wo sind denn da die Schwierigkeiten bei so einer Leihmutterschaft?

Carina:
[45:09] Auch hier sagt man wieder, dass die Gefahr besteht, dass die Mutter oder die Leihmutter ausgebeutet werden könnte.
Auch hier wieder die Gefahr der gespaltenen Mutterschaft, dass das Kind Probleme bei der Identitätsfindung bekommt und vor allem
ein ganz großes Problem wird darin gesehen, dass die Leihmutter dieses Kind ja neun Monate in sich trägt, in ihrem Bauch trägt,
und in diesen neun Monaten kann natürlich auch eine Bindung zu dem Kind entstehen.
Und es könnte dann sein, dass die Leihmutter nach neun Monaten dieses Kind nicht mehr herausgeben möchte.

[45:58] Weitere Problematik, das war jetzt, ja, die Leihmutter, die sich vielleicht nicht an ihre Verpflichtung hält, ist die Seite der Wunscheltern.
Was passiert, wenn das Kind nicht den Erwartungen der Wunscheltern entspricht?
Wenn das Kind vielleicht sogar behindert oder mit einer sonstigen Erkrankung auf die Welt kommt und sie deswegen die Annahme des Kindes verweigern. Was passiert dann mit dem Kind?
Wir hatten so einen Fall, da hatten australische Eltern eine Leihmutterschaft in Thailand in Auftrag gegeben.
Der Fall hat Schlagzeilen gemacht unter dem Stichwort des Kindes ‚Gammy‘. Und dort war es so, dass Gammy eben
mit einer Behinderung auf die Welt kam und die australischen Leiheltern haben verweigert, dieser thailändischen Leihmutter das Kind abzunehmen.
Den gesunden Zwilling haben sie mitgenommen, aber nicht Gammy, weil er die Behinderung hatte.

Fabian:
[47:08] Und da gab es jetzt einen Gerichtsprozess? Oder ist es letztendlich für die Leihmutter dann ungelöst ausgegangen?

Carina:
[47:18] Es gab, die Eltern haben das dann doch revidiert und gesagt,

sie haben irgendwelche Probleme bei der Rückholung von Gammy und es wurde dann doch irgendwie quasi für alle Beteiligten
zufriedenstellend gelöst.

Fabian:
[47:40] Aber trotzdem ist es natürlich ein Konfliktfeld. Man trifft eine Vereinbarung über eine relativ lange Zeitspanne.
Menschen sind leider wankelmütig und man kann natürlich auch selbst, wenn das Kind gesund in Anführungszeichen zur Welt kommt, und die Eltern am Kind selbst gar nichts auszusetzen haben …
Es klingt ja schon ein bisschen schwierig, als ob man sich ein Kind irgendwie im Supermarkt aussucht.
Selbst dann kann es natürlich sein, dass die einfach spontan sich dafür entscheiden, doch nicht Eltern werden zu wollen.
Wie würdest du denn das Problem lösen?

Carina:
[48:17] Ich würde es tatsächlich zulassen, allerdings unter sehr sehr strengen Voraussetzungen.
Es gibt Fälle, in denen die Leihmutterschaft die einzige Möglichkeit ist, dass Paare, Personen zu einem eigenen Kind kommen.
Man denke da nur an ein schwules Pärchen.
Die haben keine andere Möglichkeit, um ein genetisch eigenes Kind zu bekommen.
Die Leihmutterschaft sollte allerdings wirklich die letzte Möglichkeit sein. Also Personen, bei denen eine Embryonenspende
möglich wäre, bei denen eine Eizellspende möglich wäre, eine Samenzellenspende,
all diese Verfahren sollten vorrangig in Anspruch genommen werden, bevor man auf die Leihmutterschaft geht. Also wirklich nur als
das letzte Mittel der Wahl und hier wirklich strenge Anforderungen,
wie das Verfahren geregelt wird. Also es sollte zum Beispiel einen notariellen Vertrag geben.

[49:30] Der Notar hat so eine Hinweis-, Warn- und Belehrungsfunktion, dass sich die Beteiligten einfach nochmal klar werden, was für einen Vertrag sie dort eingehen.
Ich meine auch, dass es gut wäre, wenn die Leihmutter bereits Kinder schon geboren hat, weil sie dann weiß, was sie eingeht mit dieser Schwangerschaft.

Und wenn sie auch schon eigene Kinder hat, dann fällt es ihr vielleicht leichter, dem anderen Paar das Kind herauszugeben.
Ich meine aber, dass die Verpflichtungen, die notariell eingegangen wurden, nicht durch Zwang durchsetzbar sein sollten. Also der Leihmutter, wenn sie es nicht schafft, das Kind herauszugeben,
sollte das Kind nicht mit Zwang weggenommen werden können, weil gerade in einer so frühen Phase das Kind bekommt alles mit und es könnte das Kind traumatisieren.
Und ich meine auch nicht, dass wenn die Eltern verweigern, das Kind aufzunehmen,
dass sie das Kind mit Zwang quasi annehmen müssen, weil es kann keinem Kind zugemutet werden, bei Eltern aufzuwachsen, die es nicht wollen.
Ich meine deshalb und jetzt wird es ein bisschen rechtstechnisch …Fabian:
[50:55] Richtig formaljuristisch. Jetzt werden die Paragraphen rausgeholt.

Carina:
[50:57] Ja genau. Ich versuche es ohne. Dass diese Verpflichtungen, die eingegangen werden, sogenannte unvollkommene Verbindlichkeiten sind.
Es sind Verbindlichkeiten, die zwar bestehen, die aber nicht rechtlich einklagbar sind.
Also der Primäranspruch ist nicht rechtlich einklagbar, also Herausgabe des Kindes oder Annahme des Kindes.
Diese Verbindlichkeiten, die nicht rechtlich einklagbar sind, lösen aber sogenannte Sekundäransprüche aus.
Also beispielsweise, wenn die Leihmutter sich weigert, das Kind herauszugeben, dass sie den Wunscheltern die Kosten erstatten muss für eine weitere Leihmutterschaft,
oder der umgekehrte Fall, in dem die Wunscheltern verweigern das Kind anzunehmen,
dass die verpflichtet sind, der Leihmutter den Unterhalt für das Kind zu bezahlen.
Zu einem gewissen Teil zumindest.

Fabian:
[52:07] Gibt es so derartige Konstruktionen im praktischen Recht schon, also so unvollendete Verbindlichkeiten. Oder ist das eine Spezialkonstruktion, die du dir überlegt hast?

Carina:
[52:18] Ne, die gibt es schon. Zum Beispiel beim Verlöbnis, auch das ist nicht einklagbar.
Also man muss niemanden heiraten.

Fabian:
[52:25] Auch, wenn man es ihm versprochen hat.
Obwohl die Idee schon relativ lustig ist, wie ein Sonderkommando der Polizei einen zum Altar schleppt. Ist vermutlich eine gute Idee, dass das nicht mit staatlicher Gewalt durchgesetzt wird.
Carina:
[52:39] Ja, allerdings.Fabian:
[52:40] Wenn du da so eine strenge Kontrolle, also um es nochmal zusammenzufassen, du wärst grundsätzlich dafür, aber eben nur unter sehr strikter Kontrolle.
Wer sollte denn da die Hand drüber halten? Sollten das staatliche Institutionen sein oder soll das wieder die Ärztekammer übernehmen?
Wer ist denn da in der Verpflichtung und neutral genug, diese Verpflichtungen dann auch zu erfüllen?

Carina:
[53:06] Wie gesagt, der Vertrag sollte bei den Notaren sein.
Ich glaube, das kann man gar nicht in eine Hand geben. Ich meine, dass da vielleicht auch die Jugendämter, Sozialarbeiter mitwirken müssen, Psychologen, Ärzte.
Also das kann man gar nicht in eine Hand alleine geben, weil das so ein komplexes Verfahren ist, so viele Auswirkungen medizinischer, psychologischer, sozialer Art hat, dass das nicht …

Fabian:
[53:42] Also so ein komplexes Hilfsnetzwerk, was dann die Sache organisiert, vielleicht schon mit einem organisatorischen Überrahmen.

Carina:
[53:47] Genau.
Aber dann eher in staatlicher Hand, als in der Landesärztekammer oder in den Ärztekammern.

Präimplantationsdiagnostik

Fabian:

[54:01] Man kann mit Embryonen beziehungsweise mit befruchteten Eizellen, die noch nicht eingesetzt wurden, noch andere Dinge tun.
Man kann sie unter anderem untersuchen, bevor man sie einsetzt.
Wir bewegen uns hin zum Thema Präimplantationsdiagnostik, das ja auch sehr heiß diskutiert wird.
Um den Begriff kurz auseinanderzunehmen: Präimplantation, also bevor die Eizelle eingesetzt wird, und Diagnostik, herausfinden ob beispielsweise eine erbliche Erkrankung in der befruchteten Eizelle angelegt ist.

Das ist ja auch ein sehr heiß diskutiertes Thema.
Prinzipiell lässt sich damit ja so etwas wie eine Geschlechtswahl machen.
Theoretisch könnte man auch Augenfarbe, Haarfarbe, Hautfarbe bestimmen.
Man kann Krankheiten damit verhüten. Auf der einen Seite sehen Leute darin so ein Heile-Welt-Szenario: Alle Menschen sind gesund. Schwere Erbkrankheiten gibt es nicht mehr.
Damit lässt sich natürlich auch eine große Menge Leid verhüten.
Auf der anderen Seite befürchten Personen der Gegenpositionen, dass wir Retortenbabys bekommen, dass die Menschen sich aussuchen, wie ihre Kinder aussehen, Menschen wie aus der Fabrik.
Welche Haltung hast du denn zur PID und fürchtest du dich auch vor Design-Babys.Carina:
[55:29] Sagen wir so, ich fürchte mich nicht vor Design-Babys, aber ich möchte sie nicht.
Aber ich bin mir sicher, dass wir solche Design-Babys verhindern können, auch wenn wir die Präimplantationsdiagnostik zulassen.
Die Präimplantationsdiagnostik war lange Zeit umstritten, ob die dann zulässig ist, und sie wurde 2010, meine ich,
nach ausdrücklicher Aufforderung durch den Bundesgerichtshof
vom Gesetzgeber dann auch im Embryonenschutzgesetz geregelt in Paragraph 3 a. Das ‚a‘ verrät uns, dass es erst im Nachhinein eingeführt wurde ins Gesetz.
Also das ist eine der wenigen Änderungen, die das Embryonenschutzgesetz erfahren hat seit 1990.
Der Gesetzgeber hat geregelt, dass die Präimplantationsdiagnostik unter strengen Voraussetzungen zulässig ist
zur Erkennung geschlechtsgebundener, genetischer, schwerwiegender Erkrankungen. Meines Erachtens ist das auch richtig.

Fabian:
[56:45] Um es nochmal etwas einfacher zu formulieren, um schlimme Erkrankungen zu verhindern, darf man bereits heute Präimplantationsdiagnostik betreiben.
Prinzipiell könnte man ja ein komplettes genetisches Screening machen, also einfach die gesamte Erbanlage des Kindes oder des potenziellen Kindes betrachten,
aber das ist im Prinzip explizit ausgeschlossen. Sondern man darf nur sondenmäßig in einzelne Bereiche reingucken, die dann eben entsprechend mit denen in der Verordnung genannten Erkrankungen
assoziiert sind. Richtig? Wie sieht es denn aus mit grüner Augenfarbe und dunklen Haaren? Darf ich mir das wünschen?

Carina:
[57:29] Nein, das darf man sich natürlich nicht wünschen. Und was man sich auch nicht wünschen darf, ist, ob es jetzt ein Junge oder ein Mädchen wird.

Auch das darf man sich nicht aussuchen. Sondern es sind wirklich schwerwiegende Krankheiten, wie zum Beispiel Mukoviszidose.

Fabian:
[57:48] Bist du denn mit dem, was der Gesetzgeber da geregelt hat, zufrieden oder würdest du Dinge anders angehen?

Carina:
[57:55] Ich würde Dinge anders angehen. Wenn man sich die Vorschrift ansieht, merkt man, dass dort ganz viele unbestimmte Rechtsbegriffe verwendet werden.
Also es steht zum Beispiel drinnen das ‚hohe Risiko einer schwerwiegenden Erbkrankheit‘. Da ist die Frage: Wie ist das auszulegen? Und
in der Verordnung ist gar nicht so eine richtige Indikationen-Liste drinnen.
Man weiß eben nicht genau: Was ist das hohe Risiko einer schwerwiegenden Erbkrankheit?
Also da müsste man konkretere Begriffe fassen.
Die Frage ist: Will man wirklich so eine Indikationen-Liste? Weil dort wäre dann auch die Frage: Diskriminiert man nicht dann genau die Leute, die eine solche Krankheit aufweisen?
Deswegen hat es der Gesetzgeber auch nicht in die Verordnung reingeschrieben. Also konkreter fassen wir eine Sache und jetzt springe ich Schwangerschaftsabbruch.
Dort hat man die embryopathische Indikation abgeschafft. Also der Embryo darf nicht mehr abgetrieben werden, weil er erkrankt ist.

[59:14] Und auf einmal sagt der Gesetzgeber: „Ja, aber wenn ich im Rahmen der PID einen erkrankten Embryo erkenne, dann darf ich ihn quasi verwerfen.

[59:30] Das, meine ich, ist irgendwie nicht konsequent, zu sagen: „Na ja, wir wollen nicht einen erkrankten Embryo abtreiben, weil das eine Diskriminierung Behinderter ist.
Wir stellen hier auf die Mutter ab und fragen ist ihr ein Leben mit dem erkrankten Kind zuzumuten oder würde es Gefahren für sie bedeuten.“
Also man stellt auf die Mutter ab. Und genauso würde ich das dann auch im Rahmen der PID machen, nicht auf den Embryo abstellen, sondern: Wie sieht das zukünftige Leben der Mutter dann aus?
Also ich würde den Schwangerschaftsabbruch, die PID und auch die PND,
also die Pränataldiagnostik parallel regeln.
Auch dort wird nämlich nicht auf die embryopathische Indikation abgestellt, sondern auf das Leben und die Gesundheit der Mutter.

Fabian:
[1:00:26] Das würde aber den diagnostischen Rahmen schon erweitern.
Also theoretisch ist es ja auch nicht so ganz konkret, wenn man sagt, die Belastung der Mutter ist das zentrale Momentum, um das sich alles dreht, dann ist das ja auch ein sehr individuelles Erleben.
Manche Mütter mögen bestimmte Dinge noch als sehr gut ertragbar empfinden, während andere das sich nicht zumuten wollen.
Also würdest du es dadurch auch so ein bisschen individualisieren?

Carina:
[1:01:02] In gewisser Weise, ja. Allerdings, was wäre die Konsequenz, wenn wir es nicht machen?
Dann setzt man der Mutter einen Embryo ein,
den sie dann aber abtreiben darf, weil dort stellen wir ja eben auf die Mutter ab.
Also man würde ihr quasi eine Schwangerschaft auf Probe zumuten und das kann ja nicht sein.
Also alles das, was sie im Rahmen der Schwangerschaft darf, müsste sie auch im Rahmen der PED dürfen, weil dass
sie den Embryo erst einsetzen muss, um dann abzutreiben, wo das entstehende Leben ja schon weiterentwickelt ist, das kann meines Erachtens nicht sein.

Fabian:
[1:01:48] Ist natürlich auch für die Gesundheit der Mutter letztlich auch ein Risiko, da dann ja wieder eine belastende Abtreibung stattfinden muss. Okay.
Um es nochmal ganz kurz zusammenzufassen bist du grundsätzlich für PID offen.
Es sollte sich an den Belastungsmomenten der Mutter orientieren und nicht an spezifischen Krankheitsdefinitionen.
Und Retortenbabys würdest du aber auch weiterhin verboten lassen.

Carina:
[1:02:20] Genau. Also ich möchte keine Designer-Babys, wo sich jeder dann quasi auf einem Bestellzettel auswählen kann:
Ich möchte blonde Haare, blaue Augen, 1,75 Meter groß und weiß ich nicht, wie schwer. Das soll natürlich nicht sein und auch nicht, dass man das Geschlecht auswählen kann.

Fabian:
[1:02:34] Wie würdest du umgehen mit etwas weniger konkreten Gesundheitsrisiken?
Also die Medizin entdeckt ja immer mehr genetische Assoziationen.
Es gibt ja auch die polygenetischen Erkrankungen, also wie arterielle Hypertonie oder Diabetes, also Erkrankungen, die durchaus einen genetischen Faktor haben, wo aber auch die Umwelt eine große Rolle spielt
und wo man anhand der Gene im Gegensatz zu Mukoviszidose nicht so wirklich spezifisch sagen kann, ob das einmal ausbrechen wird. Und wo die Faktoren letztendlich ja auch so vielfältig sind,

dass sich das Ganze bestenfalls als eine Risikoabschätzung auswerten lässt.
Hast du da dir schon Gedanken zu gemacht?

Carina:
[1:03:26] In meiner Arbeit selbst jetzt nicht.
Hier würde ich aber sagen, dass es wirklich genetische Dispositionen sein müssen, also weil, wie du sagst,
manche Krankheiten, das hängt von so vielen Faktoren ab und das müssen wirklich genetische Krankheiten sein, die dann zu einer PID führen können.

Keimbahnintervention

Fabian:
[1:03:55] Okay. Jetzt wird es noch ein bisschen exotischer. Während die PED ja durchaus gelebte Praxis ist, ist die sogenannte Keimbahnintervention im Rahmen einer Gentherapie
zumindest in Europa doch noch nicht ausgeübt worden.
Wenn es soweit stimmt, oder wenn ich mich richtig erinnere, in China wurde tatsächlich schon ein Kind geboren, das einer solchen Intervention unterzogen wurde.
Allerdings ist das, glaube ich, auch noch nicht so richtig bestätigt und wird nicht nur unter Ethikern, sondern auch unter den Molekularbiologen ziemlich heiß diskutiert, ob man das wirklich machen sollte und ob es
auch überhaupt gemacht wurde, oder ob da nicht jemand vielleicht auch eine sehr große Selbstinszenierung abspielt.
Unabhängig davon, Keimbahnintervention bedeutet, dass man mit molekularbiologischen Methoden an den Samenzellen, Eizellen oder hinterher an der befruchteten Eizelle
manipuliert, also dass man Gene verändert, beispielsweise auch um Krankheiten zu verhindern.
Also wo wir vorher in der PED nur feststellen konnten, dass es Krankheiten geben wird, könnte man sie mit der Keimbahnintervention natürlich auch verhindern.
Andererseits fährt es natürlich auch wieder in die Richtung des Retortenbaby, da wir jetzt eben nicht nur aussuchen können, haben wir zufällig einen Treffer gelandet und wirklich das ein 1,75 Meter blonde Baby gezeugt, oder
was auch immer man sich da vorstellt, sondern eben auch proaktiv da reingehen können und die Haarfarbe verändern.
Welche Gedanken hast du dir denn dazu gemacht?

Carina:
[1:05:36] Ich sehe in der Keimbahnintervention große Chancen, um wirklich schwerwiegende Krankheiten zu behandeln,
die derzeit noch nicht behandelbar sind, für die es auch einfach keine andere Möglichkeit gibt und die
auch zum Tod in frühen Jahren schon führen oder mit einer schwerwiegenden Krankheit einhergehen.
Deswegen sehe ich die Keimbahnintervention als große Chance.
Ich halte sie derzeit aber noch nicht für so weit, dass man sie beim Menschen anwenden sollte,
weil einfach die Gefahren viel zu groß sind. Wenn wir einmal eine Keimbahnintervention durchgeführt haben, die schief geht,
die Folgen sind irreversibel. Und momentan sind wir einfach noch nicht so weit, dass wir Gene so präzise schneiden können,
dass quasi genau das Endprodukt rauskommt, was wir uns wünschen.
Ich sehe auch die Gefahr, dass es zu Designer-Babys kommen könnte.
Ich meine allerdings, dass man dort durch gesetzliche Regulierungen einen Riegel vorschieben könnte und eben
eine Keimbahnintervention nur für so spezielle Fälle, wie bislang unheilbare Krankheiten, für zulässig erklären könnte.
Aber zum momentanen Stand halte ich auch das noch nicht für zulässig.

Fabian:
[1:07:19] Ich glaube der besondere Punkt an der Keimbahnintervention, weswegen es dieser spezifische Begriff ja auch ist, ist, dass diese Veränderung, die man da erzeugt dann ja auch erblich ist.

Carina:
[1:07:25] Genau. Sie ist nicht nur auf das individuelle Individuum, an dem quasi geschnitten wurde, beschränkt, sondern
nachdem man ja an den Keimzellen manipuliert hat, das auch das quasi von Generation zu Generation weitergegeben wird.
Anders bei der somatischen Gentherapie, dort ist es auf den Patienten beschränkt, also auf ein Individuum. Bei der Keimbahnintervention,
wie gesagt, wird es weitervererbt und deswegen sind auch die Folgen dann irreversibel.

Fabian:
[1:08:11] Wenn aber die Wissenschaft so weit voranschreitet, dass sie mit einer großen Sicherheit dann doch versprechen kann, dass eine solche Keimbahnintervention zum Erfolg führt,

würdest du aus juristischer Perspektive durchaus mitgehen, wenn man sagt, man erlaubt es auch wieder unter bestimmten Regulierungen.

Carina:
[1:08:30] Genau. Also da ist für mich so eine Risiko-Nutzen-Abwägung und wenn die zugunsten des Nutzen
ausfällt, würde ich es unter gewissen Voraussetzungen zulassen, ja.

Fabian:
[1:08:45] Ein heißer Kandidat für eine solche Gentherapie wäre ja die Chorea Huntington, über die wir ja auch schon eine Folge produziert haben.
Die Patienten sind ja leider bis heute nicht heilbar und leiden dann doch oft unter heftigen Symptomen. Für diese Person wäre es natürlich sehr wünschenswert.
Andererseits ist die Frage, wenn wir eine funktionierende Gentherapie haben, lässt sich das ja vielleicht auch über somatische Gentherapien regeln.
Also ist schon die Frage: Warum muss es die Keimbahn sein? Wenn man funktionierende Gentherapien hat, dann könnte man die im Zweifelsfall ja auch später anwenden.
Es ist nämlich tatsächlich so, dass es für eine bestimmte Erkrankung, die bei kleinen Kindern auftritt, der sogenannten Spinalen Muskelatrophie in einer Sonderform, bei der
sozusagen die Nerven im Rückenmark degenerieren und dadurch die Muskulatur nicht mehr versorgt wird mit Nervenimpulsen –

[1:09:43] da gibt es jetzt ein Medikament gegen, dass mit einer einzigen Dosierung, mit einer einzigen Gabe, das heilt. Ist also tatsächlich das erste Mal, dass eine Gentherapie richtig regulär zugelassen ist und angewendet wird.
Das Medikament heißt ‚zolgensma‘, wird von Novartis hergestellt, ist in Europa eigentlich noch nicht zugelassen, aber individuelle Heilversuche und so, da sind die gesetzlichen Regelungen immer etwas dehnbar.
Aber was nicht zugelassen ist, kann sehr schwer nur durch Krankenversicherungen erstattet werden. Das gilt hier wie auch in anderen Ländern.
Und eine Dosis des Medikaments, das ist die einzige Dosis, die man braucht, kostet über 2 Millionen Dollar. Ist natürlich ein sehr heftiger Preis,
aber die Spinale Muskelatrophie in der Form, über die wir hier sprechen, endet unbehandelt tödlich und zwar ohne Ausnahme.
Damit hat natürlich das menschliche Leben schon irgendwie einen Preis bekommen. Ist nur ein kurzer Ausschwenker gewesen, weil ich das so interessant fand, dass man das nochmal kurz erzählen könnte.
Es stellt sich jedenfalls die Frage, ob man wirklich die Keimbahnintervention als dann auch vererbbare Manipulation braucht, oder ob es nicht vielleicht auch einfach reicht, sich auf somatische Gentherapien zu fokussieren. Würdest du mir da zustimmen?

Carina:
[1:11:03] Ja, teils teils. Ich sehe halt noch einen großen Vorteil in der Keimbahntherapie, dass man es
allein dadurch schaffen könnte, gewisse Krankheiten fast auszurotten, die man nicht haben möchte, weil sie einfach derart schwer sind.
Das ist ein Vorteil der Keimbahntherapie und sodass man eben den Menschen, die daran erkrankt sind,
auch die kurze Zeitspanne erspart, wo sie die somatische Gentherapie in Anspruch nehmen müssten.
Das wäre ein Vorteil der Keimbahntherapie.
Aber ich finde auch, wenn man es lösen kann, über die somatische Therapie, ist da schon mal ein sehr guter Ansatz und ich bin froh, dass die Medizin mittlerweile so weit ist. Es ist schon ein toller Fortschritt.

Fabian:
[1:12:09] Können wir gespannt sein, was sich im Bereich der Gentherapien in den nächsten Jahrzehnten noch entwickelt.
Ich glaube CRISPR/Cas hat eine Menge bewegt, was die gezielte Manipulation von Genen angeht.
Und da werden immer mehr Erfahrungen gesammelt. Da kann man, glaube ich, gespannt sein.

Carina:
[1:12:26] Was ich vielleicht noch sagen möchte, dass auch wenn man die Keimbahntherapie zulässt, damit

keine Diskriminierung Behinderter einhergehen sollen. Und das ist mir auch wichtig, dass ich
hier nicht Menschen mit Behinderung oder Menschen die an einer schweren Krankheit erkrankt sind, diskriminieren möchte, sondern dass
wir halt eben in der Pflicht sind, diese Menschen zu integrieren und alles dafür zu tun, dass sie genauso an der Gesellschaft teilnehmen können.Fabian:
[1:13:04] Ich glaube, mit so einer utilitaristischen Argumentation lässt sich das vielleicht dann doch ganz gut vereinbaren, dass man sagt, man erlaubt die Gentherapie um Leid zu vermindern.

Eine Diskriminierung wäre ja bei akutes Erzeugen von Leid.
Was natürlich, wenn man den Grundsatz hat, unser wichtigstes Ziel im Leben ist es, Leid zu verhindern, eben beides nicht miteinander vereinbar ist.

[1:13:31] Ein häufiges Argument, was gegen Keimbahninterventionen und auch die PID noch manchmal angebracht wird, auf das ich dich gern noch ansprechen würde,
wäre der indirekte Druck, der dann auf Eltern ausgeübt wird.
Das ist, glaube ich, ein häufig gebrachtes Argument, wenn es darum geht, für ein Verbot dieser Techniken zu sprechen, dass
man sagt, alleine durch den Umstand, dass es theoretisch möglich und erlaubt ist, setzt man junge Eltern unter Druck, das dann auch zu tun,
weil man quasi damit rechnen muss, wenn es doch dazu kommen sollte, dass man sich dagegen entscheidet und dann ein Kind mit einer Behinderung bekommt, dass hinterher dann Fragen gestellt werden:
Warum habt ihr das nicht gemacht? Warum habt ihr keine Diagnostik machen lassen? Warum habt ihr euch nicht gentherapieren lassen? Sodass dann im Prinzip wie so eine Schuldverlagerung entsteht.
Letztendlich gibt es ja keine Schuld daran und trotzdem könnte dann dieser Eindruck entstehen, dass letztlich so etwas wie eine Vernachlässigung stattgefunden hat.

Carina:
[1:14:46] Ja, dass es auf einmal rechtfertigungsbedürftig ist,
wenn man dann doch ein behindertes Kind auf die Welt gebracht hat, obwohl man ja vorher hätte kontrollieren können.

Fabian:
[1:15:00] Diese Erfahrung wird ja im Rahmen der Schwangerschaftsvorbereitung schon gemacht.
Also Frauen, die keine besonders intensive Schwangerschaftsvorbereitung durchführen lassen, werden kritisiert:
Warum gehst du nicht zum Arzt? Warum lässt du dich nicht untersuchen? Warum ist dein Kind nicht so wichtig, dass du vielleicht noch zusätzliche Ultraschalluntersuchung machen lässt?
Also so unrealistisch erscheint mir das nicht.

Carina:
[1:15:24] Ja, dieser Druck könnte tatsächlich kommen.
Ich meine aber trotzdem, dass es jeweils eine persönliche Entscheidung eines jeden bleiben muss und es ja Selbstbestimmung …
Wir haben so viele Drucksituation im alltäglichen Leben, dass das kein Argument ist, um die PID oder eine Keimbahnintervention zu verbieten.
Also das kann nicht der alleinige Grund sein.

Fabian:
[1:15:58] Du siehst da dann die Verantwortung eher bei der Gesellschaft, dass die damit umgehen lernen muss.

Carina:
[1:16:01] Genau, auf jeden Fall.

Klonen

Fabian:
[1:16:05] Als kleines Abschlussthema haben wir noch eine kleine Besonderheit. Denn mit der Reproduktionsmedizin kommt auch das Thema des Klonens und des Bildens von Chimären auf,
was zugegebenermaßen wirklich relativ wenig alltagspraktisch ist. Aber wenn man das Thema vollumfänglich behandeln möchte, gehört auch das dazu.

Carina:
[1:16:29] Ja, wobei wiederum aus China,
also dort gibt es mittlerweile geklonte Äffchen. Ganz von ungefähr kommt das nicht und man weiß nicht, wann,
vermutlich nicht in Deutschland, aber irgendwann der erste Mensch auch geklont wird.

Fabian:
[1:16:52] Was hast du dir da für Gedanken gemacht? Hältst du Klonen grundsätzlich für problematisch? Oder würdest du sagen, wenn man das mal nüchtern betrachtet,
eigentlich ist ja nichts dabei?

Carina:
[1:17:11] Also das reproduktive Klonen halte ich für problematisch, weil
da lassen sich viele Aspekte anführen, allein schon, dass wir momentan noch nicht auf dem medizinischen Stand sind, dass wirklich ein vollkommen gesunder, zweiter Klon oder zweiter Mensch
hergestellt, produziert, weiß ich nicht, wie man das nennen soll … geklont werden kann.
Man hat es ja auch beim Klonschaf Dolly gesehen.
Da kam zwar dann ein Schaf auf die Welt, aber
das ist deutlich schneller verstorben, hatte deutlich schneller die Alterserscheinungen, deutlich schneller Erkrankungen, die erst in einem späteren Alter auftreten.
Also momentan ist allein schon der Stand der Technik nicht soweit, dass man Menschen klonen könnte.
Und dann ist natürlich die Frage: Wie sieht es mit der Würde aus?
Ist das nicht ein Verstoß gegen die Würde des Klons?
Weil wenn man sich Fortpflanzung betrachtet, das Zusammenbringen, jetzt sind wir wieder am Anfang,
Ei- und Samenzelle, die verschmelzen, und dann kommt aus der Mischung beider
Genmaterialien ein Mensch raus und wir sind alle individuell, haben unsere Eigenheiten. Keiner ist wie der Andere.

[1:18:56] Und beim Klonen werden diese Zufälligkeiten der Natur ja völlig ausgeschaltet.
Man ist nur noch ein Produkt von Fremdbestimmung. Und da ist für mich die Frage: Wird damit nicht der Klon zu einem bloßen Objekt degradiert?
Und verstößt das nicht gegen die Würde des Klons, dass er quasi sich überhaupt nicht mehr selbst bestimmen konnte?
Natürlich fließen noch irgendwelche Faktoren mit ein, wie die Erziehung, das soziale Umfeld, in dem man aufwächst,
aber man hat immer quasi ja sein Spiegelbild vor sich, was in der
Persönlichkeitsentwicklung und in der Individualisierung stören würde.

Fabian:
[1:19:58] Gilt das nicht für Zwillinge auch?

Carina:
[1:20:03] Na ja, aber die sind ja trotzdem eine Laune der Natur und nicht ein bloßes Produkt von Fremdbestimmung.
Also das hat halt die Natur so vorgesehen, dass Zwillinge entstehen und die können ja trotzdem ganz verschieden sein, auch wenn sie Zwillinge sind.
Aber beim Klonen ist es ja so, dass wir zeitversetzt einen Menschen haben.
Wir sehen also genau, wie hat sich quasi mein Vorbild, nach dem ich geklont wurde, was wurde aus dem.
Vielleicht finde ich den total toll, deswegen möchte ich alles so machen, wie er es gemacht hat.
Vielleicht finde ich den aber auch total schrecklich, dass ich dann komplett das Gegenteil mache.
Also da ist man zu sehr vorbestimmt.

Fabian:
[1:20:59] Also für dich verkommt dann so ein bisschen das natürliche Leben zu so einem Experiment?

Carina:
[1:21:04] Ja, genau.

Fabian:
[1:21:07] Es stellt sich letztlich ja auch so ein bisschen die Frage nach der Motivation. Also, warum sollte man sich klonen?
Bei allen vorhergehenden Themen konnte ich mir relativ schnell erschließen, okay, PID, man möchte Krankheiten verhindern.
Selbst das Design-Baby kann ich von der Motivation her schon nachvollziehen, dass man sagt: „Ich möchte, dass mein Kind so aussieht.“ Aber sich klonen,
also ich weiß nicht. Fällt dir spontan irgendwas ein, wo man sagt, da ergibt es total Sinn, das zu tun?

Carina:
[1:21:40] Also mir persönlich würde kein Grund einfallen, aber
was in den Köpfen der Menschen manchmal vorgeht, die finden sich so toll, dass die halt ein zweites Ebenbild von sich haben möchten.
Ich persönlich fände es ganz schrecklich, wenn ich auf einmal einem zeitversetzt lebenden Klon von mir gegenüber stehen würde.
Also das fände ich ganz gruselig.

Fabian:
[1:22:04] Vielleicht hat das ja auch so ein bisschen mit Gottesfantasien zu tun: Er schuf sich nach seinem Ebenbild.

Carina:
[1:22:14] Genau, und was ich vielleicht noch anfügen kann, weil häufig wird gesagt: „Na ja, es würde auch gegen die Würde des geklonten Menschen verstoßen, wenn der geklont wird

und halt dann einem zeitversetzt lebenden Zwilling gegenübersteht.“
Da würde ich aber sagen: „Na ja, der kann ja zumindest einwilligen darin, dass er geklont wird, wohingegen der Klon selber, der konnte nie bestimmen: Ich möchte genauso aussehen
wie der geklonte Mensch.“ Das ist vielleicht noch ein weiteres Argument,
dass man das Klonen nicht zulassen sollte.

Chimäre

Fabian:
[1:22:57] Ich glaube, dann kann ich schon darauf schließen, was du zu den Chimären sagen würdest.
Chimären sind letztlich ja genetische Mischprodukte, wo der Mensch mit einer anderen Art verbunden würde,
auf welche Methode auch immer, lassen wir vielleicht an der Stelle etwas offen.

Carina:
[1:23:20] Genau, da gibt es dann ganz komplizierte Fragen.

Fabian:
[1:23:24] Wenn ich mich so ein bisschen grob erinnere, zu Chimären lernt man auch im Medizinstudium nicht besonders viel,
es ist kein besonders alltagspraktisches Thema, ist letztendlich die Lebensfähigkeit einer solchen Kombination schon sehr fraglich.

Und auch hier die Motivation, hier führt es endgültig ad absurdum.
Das kann ja eigentlich nur Neugier, Experimentier-Wunsch oder irgendeine absurde Fantasie von „Wir züchten uns Menschen mit Flügeln“ sein.
Ich nehme mal an, du hast dir aber trotzdem ein bisschen professionellere Gedanken dazu gemacht.Carina:
[1:24:02] Ja, habe ich. Wir haben jetzt beim Klonen über das reproduktive Klonen gesprochen.
Ich habe mich aber auch mit dem therapeutischen Klonen beschäftigt und ich habe mich
insbesondere bei der Chimären- und Hybridbildung auch mit der Frage beschäftigt: Brauchen wir die nicht auch für therapeutische Zwecke?
Also zum Beispiel die Xenotransplantation bietet große Hoffnungen, große Chancen,
dass wir dem Organmangel Herr werden können, dass wir gewisse
Krankheiten einfach behandeln können. Und in dem Rahmen,
wenn man Risiken ausschließen kann, wie zum Beispiel die Übertragung von Tierkrankheiten auf den Menschen,
dann meine ich, dass man auch, um therapeutisch zu behandeln, eine Chimären- und Hybridbildung zulassen kann. Allerdings auch hier wieder strenge Regularien.

Fabian:
[1:25:16] Aber wenn ich das jetzt so richtig herausgehört habe, geht es dir so ein bisschen darum, dass man
Tiere, originär Tiere genetisch so verändert, dass sie kompatible Organe ausbilden, die man dann einem Menschen einpflanzen kann. Also beispielsweise, dass man
eine Schweineart so beeinflusst, dass die nachfolgenden Generationen eine Leber ausbilden, die man problemlos, ohne Immun-Komplikationen in einen Menschen transplantieren könnte,

nicht aber Menschen mit Flügeln.

Carina:
[1:25:49] Nein. Menschen mit Flügeln möchte ich jetzt nicht.
Aber wie du sagst, dass man gewisse Organe, beziehungsweise
gerade bei Diabetes werden aus der Schweineleber gewisse Zellen dann in den menschlichen Körper
übertragen, dass das einfach Insulin produziert.
Also da ist es zum Beispiel schon soweit. Oder aber beim Auge das Bindegewebe wird auch schon tierisch übertragen.
Also gewisse Dinge kann man schon machen und halte ich auch für gut vertretbar zulässig.
Es wird jetzt häufig gesagt: „Na ja, aber man kann doch nicht tierische Produkte auf den Menschen übertragen.“
Meines Erachtens, wenn man sieht, man kann auch eine Kunststoffhüfte einbauen. Warum sollte man dann nicht
irgendwie ein Bindegewebe vom Auge eines Tieres auch auf den Menschen übertragen können? Halte ich für genauso vertretbar wie
Plastik oder künstlich hergestellte Teile.

Fabian:
[1:27:04] Und es ist auch letztlich ja an der Realität ziemlich vorbei,
denn zum Beispiel Herzklappen werden relativ regelhaft aus Schweineklappen hergestellt.
Also da gibt es unterschiedliche Verfahren. Es gibt mechanische Herzklappen und es gibt biologische Herzklappen, und die biologischen Herzklappen sind eigentlich allesamt Xenotransplantationen aus eigentlich immer Schweinen,
soweit ich das weiß, jedenfalls aus Tieren.

Carina:
[1:27:34] Ja, also Schwein wird regelmäßig für Xenotransplantationen benutzt, weil es deutlich näher am Menschen ist, als man denkt.

Fabian:
[1:27:45] Von der Reproduktion sind wir allerdings in dem Themenfeld schon ziemlich weit weg, oder?

Carina:
[1:27:50] Ja, das stimmt. Wie gesagt, ich möchte keinen Menschen mit Flügeln oder mit Schweinenase haben, das nicht, sondern allein für therapeutische Zwecke.

Fabian:
[1:28:04] Wunderbar. Dann haben wir einmal einen wilden Ritt durch die Reproduktionsmedizin unternommen und vor allen Dingen die moralischen und juristischen Zusammenhänge, glaube ich, relativ gut beleuchtet.

Take-Home-Message

[1:28:20] Wir enden ja immer ganz gerne mit einer Take-Home-Message, etwas, das du vielleicht im Rahmen deiner Forschung gelernt hast oder eine Idee, die dir ganz besonders im Gedächtnis geblieben ist.
Und da würde ich dich bitten, wenn du eine solche vorbereitet hast, die mit uns zu teilen.

Carina:
[1:28:39] Ich denke, dass die Frage der Fortpflanzung immer etwas höchst persönliches ist und daher meine ich,
dass man alle Meinungen, die dazu bestehen, respektieren sollte, jeder für sich entscheiden sollte, was er machen möchte, was er nicht machen möchte.
Aber dass der Gesetzgeber hier nicht zu streng sein darf und alles verbieten, sondern dass er viel mehr eine breite Palette bereitstellen sollte, sodass jeder für sich persönlich
eben entscheiden kann, was er in Anspruch nehmen möchte und was nicht.

Fabian:
[1:29:22] Für dich ist also das Selbstbestimmungsrecht ein ganz entscheidender Faktor.
Wunderbar, dann bedanke ich mich, dass du hier bei mir in der Sendung Gast warst.

Carina:
[1:29:31] Ich bedanke mich, dass ich hier sein durfte.

Fabian:
[1:29:33] Und ich bedanke mich bei den Zuhörerinnen und Zuhörern, die vielleicht jetzt schon eifrige, wütende Kommentare tippen oder vielleicht auch ganz euphorisch begeisterte Kommentare, weil sie das ganz genauso sehen wie du.

Carina:
[1:29:35] Ich bin gespannt.

Fabian:
[1:29:49] Und ja, wenn ihr das Ganze kommentieren wollt, dann könnt ihr das gerne auf unserer Homepage tun.
Gerne in gesitteter und zurückhaltender Form.

Carina:
[1:29:58] Ich hoffe doch. Ich weiß, das ein teilweise sehr provokantes Thema, aber deswegen immer die persönliche Meinung.

Fabian:
[1:30:05] Und ansonsten würde ich sagen, hören wir uns bei der 21. Ausgabe des UnderDocs Podcast.

Intro/Outro